Besserwisserwissen: Was die Rocklänge über die wirtschaftliche Lage aussagen kann 

Zwei Personen gehen nebeneinander. Die eine trägt einen langen grünen Rock, die andere einen schwarzen Minirock.
Mal Micro, dann wieder XXL: Die Rocklänge hängt nicht nur von TikTok-Trends ab.

Emely Hofmann, funky-Jugendreporterin

Es gibt wieder eine neue Portion Wissen zum Mitnehmen und Angeben. Angeblich soll die Wirtschaftslage die Rocklänge in aktuellen Modetrends beeinflussen. Stimmt das?  

Trends kommen und gehen scheinbar willkürlich. Seit Jahrzehnten hält sich jedoch die Theorie, dass Rocklängen nicht einfach nur Modetrends sind, sondern in direktem Zusammenhang zur wirtschaftlichen Lage des globalen Nordens stehen. Je länger der Rock, desto schlechter die Wirtschaft, so die Annahme. Aber was steckt dahinter? 

Grundlage dieser Theorie ist der sogenannte „Hemline Index“, auf Deutsch „(Kleider)Saum-Index“. Dieser untersucht den Zusammenhang zwischen Rocklänge und wirtschaftlicher Lage. Die Annahme dahinter: Befindet sich die Wirtschaft im Aufschwung, gehen die Menschen mehr aus und kleiden sich frivoler. Der entgegengesetzte Effekt soll eintreten, wenn weniger Geld zur Verfügung steht. Dann werden Kleider und Röcke wieder länger. Zu beobachten war dieses Phänomen erstmals in den „goldenen“ 1920er-Jahren: Der Wirtschaft ging es gut und es war Partystimmung angesagt. Anstatt auf lange Röcke und Korsetts setzten die Frauen auf lockere Kleider bis zum Knie. Bereits 1926 stellte der US-Ökonom George Taylor einen Zusammenhang zwischen wirtschaftlichem Aufschwung und Rocklänge her. Seine These: Je besser die Stimmung, desto kürzer der Saum. Nur einige Jahre später wurden seine Beobachtungen bestätigt: Mit dem Beginn des Krieges und dem Wall-Street-Crash in den 1930er-Jahren ging es mit der Wirtschaft bergab, die Zahl der Arbeitslosen stieg an und das goldene Partyzeitalter war vorbei – prompt wurden die Röcke wieder länger.  

Dieser Zyklus von Aufschwung und Konjunktur im Zusammenhang mit der Saumlänge lässt sich in den vergangenen hundert Jahren immer wieder in Ländern des globalen Nordens beobachten. Nach dem Krieg ging es langsam wieder bergauf mit der Wirtschaft und die Röcke wurden kürzer, wenn zunächst noch zaghaft in den 1950er-Jahren. In den 70er- und 80er-Jahren kam mit dem Minirock ein weiteres Indiz für die inzwischen boomende Wirtschaft: Die Röcke waren so kurz wie nie. Mit der Rezession in vielen westlichen Ländern zu Beginn der 1990er-Jahre lagen dann lange Jeansröcke und knöchellange Kleider im Trend. Anfang der 2000er feierte der Mini-Rock aber wieder sein Comeback – und die Wirtschaft auch. Heute sind Kleider und Röcke wieder länger geworden, passend zur hohen Inflation und schwächelnden Wirtschaft. Aber Achtung: Diese Beobachtungen sind noch kein wissenschaftlicher Beweis für die These. 

Die Theorie hält sich allerdings so hartnäckig, dass Forschende einer Wirtschaftshochschule in Rotterdam den „Hemline Index“ wissenschaftlich untersucht haben. Auch sie konnten einen Zusammenhang zwischen wirtschaftlicher Lage und der Läge von Kleidern und Röcken zwischen 1921 und 2009 feststellen. Allerdings mit Zeitverzug: Die Modetrends sind im Vergleich zur Wirtschaftslage etwa drei Jahre im Verzug. Vorhersagen können die Saumlängen also nichts, ein Zusammenhang besteht laut der Studie dennoch. Demnach soll mehr Geld zu einem Gefühl von Freiheit in der Gesellschaft führen und dadurch zu kürzeren Röcken. Unumstritten ist die Theorie unter Ökonomen aber trotzdem nicht, viele halten sie weiterhin für einen Mythos.

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