Besserwisserwissen: Das Stockholm-Syndrom

Hier bekam das Stockholm-Syndrom seinen Namen: Ein Banküberfall in der schwedischen Hauptstadt erregte die Aufmerksamkeit um das Syndrom.

Es gibt eine neue Portion Wissen zum Mitnehmen und Angeben. Dieses Mal geht um ein psychologisches Phänomen, das seinen Namen durch ein Verbrechen erhielt.

Jutta Gemima Baku, funky-Jugendreporterin

Besserwisserwissen: Das Stockholm-Syndrom

Es gibt eine neue Portion Wissen zum Mitnehmen und Angeben. Dieses Mal geht es um ein psychologisches Phänomen, das seinen Namen durch ein Verbrechen erhielt.

Jutta Gemima Baku, funky-Jugendreporterin

Vor 50 Jahren ereignete sich einer der bekanntesten Kriminalfälle der schwedischen Historie. Bei einem Überfall auf eine Bank in Stockholm wurden vier Angestellte 131 Stunden lang als Geiseln festgehalten. In dieser Zeit entwickelte sich zwischen Opfern und Geiselnehmern eine ungewöhnliche Zuneigung. Das sogenannte Stockholm-Syndrom fand so als ein neues psychologisches Phänomen Eingang in die Kriminalarbeit.

Das Phänomen beschreibt Opfer von Geiselnahmen, die mit ihren Tätern sympathisieren und positive Gefühle entwickeln. Es ist nach der gleichnamigen schwedischen Hauptstadt benannt und wurde erstmals während der Geiselnahme in den 1970er-Jahren beobachtet.

Genauer gesagt war es der 23. August 1973. Ein Ex-Sträfling namens Jan Erik Olssen, auch „Janne“ genannt, stürmte die Bank am Stockholmer Platz Norrmalmstorg im Zentrum der Hauptstadt. Er bedrohte die Menschen vor Ort und nahm vier Geiseln in seine Gewalt. Jan Olssen verschanzte sich mit ihnen im Tresorraum der Bank. Er forderte ein Lösegeld und die Freilassung seines ehemaligen Zellengenossen Clark Olofsson. Um die Geiseln in Schutz zu nehmen, bewilligte die Kriminalpolizei diese Forderungen und am Tag darauf wurde Clark Olofsson zur Bank gebracht. Während des Geschehens entwickeln die Geiseln eine ungewöhnliche Zuneigung zu den Tätern. Kristin Enmark, eines der damaligen Opfer, veröffentlichte 2015 ein Buch über das Verbrechen, in dem sie zugab, unter dem Stockholm-Syndrom zu leiden.

Erstmals wurde der Begriff „Stockholm-Syndrom“ vom Psychiater Nils Bejerot geprägt. Er untersuchte das Verhalten der Angeklagten und Geiseln. Die Ursachen für das Stockholm-Syndrom sind vielfältig.  Zum einen wird die Geisel durch die Gefangenschaft von der Außenwelt isoliert und hat in dem Moment keine weiteren Bezugspunkte als den Täter. Die Geisel oder der Gefangene kann eine emotionale Bindung zum Geiselnehmer aufbauen, um zu überleben. Dabei gibt es ein großes Machtgefälle. Der Entführer hat die Kontrolle über die Grundbedürfnisse des Opfers, zu denen Nahrung, Wasser und Sicherheit gehören, sodass die Geisel von dessen Gunst abhängig ist. Ein weiterer Faktor des Stockholm-Syndroms ist die emotionale Manipulation durch den Entführer. Um das Vertrauen und die Loyalität des Opfers zu gewinnen, kann der Geiselnehmer Strategien wie Freundlichkeit, Einfühlungsvermögen oder Schmeichelei anwenden, um den Kontrollverlust der entführten Person zu verstärken.

Ein halbes Jahrhundert später wird eine weitere Theorie aufgestellt. Der Psychiater Christoffer Rahm bezeichnet das Syndrom als Irrglauben. In seinem wissenschaftlichen Artikel „Stockholm-Syndrom: Psychiatrische Diagnose oder urbaner Mythos?“ behauptet er, dass das Syndrom keine psychiatrische Diagnose darstelle. Rahm betrachtete das Verhalten der Geiseln als einen Verteidigungsmechanismus, der dem Opfer helfe mit traumatischen Situationen umzugehen, die häufig auch bei häuslicher Gewalt oder anderen missbräuchlichen Situationen auftreten.

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