Mikrofeminismus: Kleine Taten, große Wirkung?

Kann Mikrofeminismus wirklich etwas verändern?
Mikrofeminismus beschäftigt sich mit alltäglichen Handlungen, die dazu beitragen, Geschlechterstereotype zu bewahren.
Veronika Hensing, funky-Jugendreporterin

Täglich passieren viele kleine Dinge, die fast unbemerkt bleiben, aber unsere Wahrnehmung von Geschlechterrollen festigen. Man denke an das Verhalten, das von Männern als „Gentleman“ erwartet wird: die Rechnung im Restaurant übernehmen, die Tür aufhalten oder Frauen in den Mantel helfen. Diese scheinbar höflichen Gesten sind tief in unserer Kultur verankert und tragen dazu bei, traditionelle Rollenbilder aufrecht zu erhalten. Genau hier setzt Mikrofeminismus an.

Mikrofeminismus beschäftigt sich mit den alltäglichen, oft unbewussten Handlungen, die dazu beitragen, Geschlechterstereotype zu bewahren. Statt auf große gesellschaftliche Umwälzungen zu zielen, konzentriert sich Mikrofeminismus auf das bewusste Gestalten und Hinterfragen kleiner Momente im Alltag. Muss wirklich immer der Mann die Rechnung übernehmen? Warum sollten nur Frauen fürsorgliche Gesten erfahren? Durch das Stellen dieser Fragen will Mikrofeminismus leise Bewegung in eingefahrene Muster bringen.

Es mag zunächst so wirken, als könnten solche kleinen Änderungen keinen großen Unterschied machen. Doch gerade hier entfaltet der Mikrofeminismus seine Stärke. Wenn immer mehr Menschen beginnen würden, traditionelle Geschlechterrollen im Alltag infrage zu stellen und ihre Verhaltensweisen anzupassen, kann sich langfristig eine große Wirkung entfalten.

Aber wie könnte das aussehen? Ein Weg, Mikrofeminismus im Alltag zu leben, könnte sein, in Gesprächen zu hinterfragen, wieso Dinge denn angeblich so sind, wie sie dargestellt werden. Wenn jemand behauptet, dass Frauen besonders gut im Multitasking und Männer besser im Einparken seien, könnte eine einfache Frage wie „Echt jetzt? Woher kommt das denn?“ dazu beitragen, über solche Klischees nachzudenken und sie infrage zu stellen. Auch das bewusste Einsetzen von geschlechtergerechte Sprache, wie zum Beispiel konstant das generische Femininum zu benutzen, ist eine gute Möglichkeit. Solche Dinge genügen oft, um Denkanstöße zu geben und neue Perspektiven zu eröffnen.

Beim nächsten Geburtstagsgeschenk für den Neffen oder die Nichte könnte man bewusst auf rosa und blau verzichten. Stattdessen lieber Puzzle, Bauklötze, Puppen oder Bücher verschenken – Dinge, die für alle Kinder gleichermaßen spannend sind, unabhängig vom Geschlecht. Solche kleinen Entscheidungen können dabei helfen, Geschlechterstereotype von Anfang an zu vermeiden.

Ganz besonders wichtig ist es aber, Solidarität zu zeigen. Wenn jemand in der Gruppe einen sexistischen Witz macht oder wenn immer nur Jungs das Wort haben, ist es wichtig, die eigene Stimme zu erheben. Solche kleinen Gesten der Unterstützung können viel bewirken und dazu beitragen, ein gerechteres Umfeld zu schaffen.

Auch die Art und Weise, wie  Komplimente gemacht werden, kann einen Unterschied machen. Statt zu einer weiblich gelesenen Person einfach „Du siehst toll aus“ zu sagen, könnte man auch „Wow, du bist so mutig, kreativ oder intelligent“ wählen.

So viele Geschlechterstereotype es in unserem Alltag gibt, so viele Möglichkeiten gibt es, diese auf kreative und spielerische Weise durch mikrofeministisches Denken und durch Handlungen zu ersetzen, mit denen man auf diese unbewussten, tief in unserer Kultur verankerten Automatismen hinweist.

Mikrofeminismus hat das Potenzial, Denkweisen zu verändern, ohne laut oder aufdringlich zu sein. Er wirkt unauffällig im Hintergrund und bringt durch kleine, gezielte Handlungen allmählich neue Perspektiven ins Spiel. Indem sie alltägliche Entscheidungen hinterfragen und traditionelle Normen aufbrechen, leisten sie einen Beitrag zur Geschlechtergerechtigkeit – ganz ohne großen Aufwand.

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