Sprache als Spiegel des Patriarchats – Bezeichnungen weiblicher Personen im Wandel der Zeit

Frauen sitzen nebeneinander an einem Pool
Wenn Frauen früher als "Weib" bezeichnet wurden, wusste man, sie waren verheiratet. Heute ist der Begriff negativ konnotiert.

Es gibt wieder eine neue Portion Wissen zum Mitnehmen und Angeben. Wusstest du, dass die Bezeichnungen für Frauen etwas über die gesellschaftlichen Werte der jeweiligen Zeit verraten?

Sophie Bley, funky-Jugendreporterin

Der Wandel der deutschen Sprache existiert bereits so lange wie die Sprache selbst. Wie sehr die Sprache gesellschaftliche Werte sowie Einstellungen widerspiegelt, verdeutlicht auch der historische Wandel der Bezeichnungen weiblicher Personen. Eine kurze Zeitreise in die Geschichte der Frauenbezeichnungen verrät: Misogynie in der Sprache ist eine ständige Abwärtsspirale.

Die meisten Bezeichnungen weiblicher Personen, die heute geläufig sind, finden ihren Ursprung im Althochdeutschen. Nahezu jede Frauenbezeichnung verweist dabei in ihrer historischen Entwicklung auf einen klaren Trend:  Die Bedeutungen der Bezeichnungen verschlechterten sich im Laufe der Zeit stetig. Dieses Phänomen nennt sich in der Linguistik „Pejorisierung“ und beschreibt den Prozess eines Wortes, das so lange abgewertet wird, bis es letztendlich zu einem neutralen oder gar negativ konnotierten Ausdruck wird.

Frauenbezeichnungen sind Paradebeispiele für solche Bedeutungsverschlechterungen. Die unmarkierte Allgemeinbezeichnung „Frau“ ist beispielsweise auf die althochdeutsche Anrede „frouwa“ zurückzuführen, die sich an sozial angesehene oder adelige Frauen richtete. Der Begriff „Jungfer“ (althochdeutsch: „junc-vrouwe“), der heutzutage eher negativ konnotiert ist, bezeichnete früher junge Herrinnen aus hoher Gesellschaftsschicht. Ähnlich ist auch die Entwicklung des Wortes „Weib“, das heute als Schimpfwort verwendet wird, obwohl es in früherer Zeit die gängige Bezeichnung einer Ehefrau war.

Diese Abwärtsspirale der Frauenbezeichnungen führt die Sprachwissenschaft auf drei Pfade der negativen Qualitätsveränderung zurück. Zum einen begründet sich die beschriebene Entwicklung in der sozialen Degradierung und Deklassierung, der Frauen systematisch ausgesetzt waren und sind. Zum anderen kam es in der Verwendung der Frauenbezeichnungen oft zu Funktionalisierungen, die aus männlicher Perspektive Sinn machten. So wurde aus dem Wort „Magad“ – eine junge, unverheiratete Frau – die Bezeichnung „Magd“, eine Haus- oder Hofangestellte. Ein weiteres Beispiel für eine solche Funktionalisierung ist die französische Anrede „Mademoiselle“, die sich an ehrwürdige unverheiratete Frauen richtete und ins Deutsche adaptiert, zu „Mamsell“ wurde, eine Bezeichnung einfacher Küchenangestellten. Als dritter Pfad wurde die Sexualisierung von Frauen identifiziert, durch die Frauen lediglich auf ihre biologische Funktion als Geschlechtspartnerin oder Objekt sexueller Begierde reduziert wurden. Eine Evaluation aus männlicher Sicht verdeutlicht auch die Bezeichnung „Dirne“. Während das Wort „Diorna“ im Althochdeutschen ein junges Mädchen bezeichnete, wurde Dirne ab dem 16. Jahrhundert zum Synonym für Prostituierte.

Die Geschichte der Bezeichnungen für Frauen und Männer ist von einer asymmetrischen Entwicklung geprägt: männliche Bezeichnungen wurden im Vergleich zu den der Frauen grundsätzlich bezüglich der Welt, der Gesellschaft oder Göttern konzipiert. Während Frauen mit dem Fortschritt der deutschen Sprache vermehrt degradiert wurden, blieben Bezeichnungen für Männer gleich: die Anrede „Herr“ sowie die Bezeichnung „Mann“ existierten bereits im Althochdeutschen und sind seitdem unverändert. Auch Untersuchungen historischer Wörterbücher vom 15. Bis 19. Jahrhundert zeugen von einer großen Diskrepanz in der Qualität der Bezeichnungen beider Geschlechter: Frauenbezeichnungen werden dort zu 72,5 Prozent über negative Qualitäten beschrieben, während Männerbezeichnungen zu 75 Prozent über positive Qualitäten veranschaulicht werden.

Die verschiedenen Pejorisierungen von Frauenbezeichnung sowie die asymmetrische Entwicklung der Bezeichnungen beider Geschlechter halten unserer Gesellschaft einen Spiegel vor: Sie reflektieren den historisch niedrigen Status der Frau, frauenabwertende Realitäten und die fehlende Wertschätzung gegenüber Frauenalles Produkte patriarchaler Machtstrukturen. Sprache ist mächtig, allgegenwärtig und ein Zeugnis kulturhistorischer Realitäten. Umso wichtiger ist es, Frauen, nicht-binäre sowie queere Personen durch gendergerechte Sprache zu repräsentieren und wertzuschätzen.

funky-instagram-banner

Du willst mehr? Du bekommst mehr!

Wir haben genug davon, dass die Geschichten immer nur von den Alten erzählt werden. Deswegen haben wir den Stift selbst in die Hand genommen, sind durch die Lande gezogen, haben Geschichten und Menschen gesucht, gefunden und alles aufgeschrieben, was uns untergekommen ist. Wir haben unsere Smartphones und Kameras gezückt und Fotos und Videos gemacht. Auf funky zeigen wir euch die Ergebnisse unserer Recherchen.