Interview

Simon von „Forst erklärt“ im Interview: „Der Wald ist ein Klimaschützer und derzeit stark bedroht“

Jan, Simon und Felix mit seiner Hündin Ardelle.
Die Gründer von „Forst erklärt“ Jan, Simon und Felix mit seiner Hündin Ardelle (v.l.n.r.).
Pauline Dörrich, funky-Jugendreporterin

Der Klimawandel hat auch in Deutschland verheerende Auswirkungen – und die zeigen sich vor allem im Wald. Fichtenwälder erliegen dem Borkenkäfer, in den Sommermonaten wüten Waldbrände und die Wälder können in der Folge nicht mehr ihrer Funktion als Sauerstoffproduzent und Temperaturkühler in vollem Ausmaß nachkommen. Dabei ist der Wald wichtiger denn je: Er ist Lebensraum für Tiere, Erholungsort für den Menschen und ein großer Verbündeter im Kampf gegen die Erderwärmung. Aus diesem Grund wollen Simon Delkeskamp (24), Jan Hüsing und Felix Sahlmann den Wald erklären. Sie sind Forststudierende und Förster und setzen sich mit ihrem Projekt „Forst erklärt“ für mehr Wissen über den Wald und den Forst ein. Dabei leisten sie Öffentlichkeitsarbeit und sind mit einem spannenden Wissenskanal auf Instagram vertreten.

Lieber Simon, könntest du einmal erklären, was genau ein Forst ist?
Ein Forst ist ein bewirtschafteter Wald, in dem also Forstwirtschaft stattfindet. Die Abtrennung zwischen Forst und Wald ist nicht definiert und durch die Naturnähe ineinander übergehend. Ich persönlich spreche grundsätzlich von Wald. Wald ist eine von Bäumen bewachsene Fläche, die so groß ist, dass sich ein Waldklima entwickeln kann.

Simon Delkeskamp von „Forst erklärt“
© Jan Hüsing

Was genau hast du mit dem Wald zu tun?
Ich bin seit etwa anderthalb Jahren Förster in Schleswig-Holstein und habe im Forststudium in Göttingen mit meinen Kommilitonen und Freunden Felix und Jan ein Öffentlichkeitsarbeitsprojekt für den Wald mit dem Namen „Forst erklärt“ gegründet. In meinem Alltag im Wald bin ich unter anderem dafür zuständig, die Holzernte zu organisieren, zu koordinieren und das Holz zu verkaufen. Außerdem bin ich für die Pflanzung von neuen Bäumen verantwortlich. Bei mir im Wald brütet aktuell der Seeadler, für ihn sowie für viele andere naturschutzfachliche Belange bin ich ebenfalls verantwortlich.

Inwiefern ist das Thema für Jugendliche und junge Menschen interessant?
In Zeiten von Klimaprotesten und großen Bewegungen, wie „Fridays for Future“ wird man früher oder später auch auf das Thema Wald stoßen. Viele junge Menschen leben in Städten, was dazu führt, dass sie keinen alltäglichen Umgang mit Wald haben. Gesamtgesellschaftlich sind wir jedoch auf den Wald als Multitalent angewiesen. Er ist ein Klimaschützer und derzeit stark bedroht! 

Wie kann man das Thema Forst jungen Menschen näherbringen? Was macht ihr bei „Forst erklärt“?
Wir wollen junge Menschen über diverse Plattformen und Kanäle mit interessanten und kurzweiligen Formaten erreichen. Wir möchten mit unserer Begeisterung für den Wald anstecken und hoffen, durch unsere Authentizität mitzureißen. Am einfachsten gelingt uns das über Instagram – hier laden wir Beiträge und Storys hoch und berichten über Themen aus dem Wald. Auch YouTube-Videos und Blogbeiträge gehören zu unserer Öffentlichkeitsarbeit. Dabei unterstützen uns nun schon länger weitere Studierende, die unser Redaktionsteam bilden.

Gesamtgesellschaftlich sind wir auf den Wald als Multitalent angewiesen.

Simon Delkeskamp

Immer mehr Wälder werden gerodet, brennen ab oder sterben aufgrund von Schädlingsbefall oder Trockenheit. Wieso müssen wir die Wälder schützen?
Wälder übernehmen für uns Menschen vielfältige Funktionen: Sie sind Rohstofflieferanten, Erholungsorte und Klimaschützer. In den Medien geht es immer viel darum, Wälder still zu legen und so zu schützen. Aber wir müssen Wälder auch nutzen, um sie zu schützen, um auch nachhaltig auf Holzprodukte zurückzugreifen. Nicht zuletzt ist der Wald ein Lebensraum. Ich denke, wir Menschen sind dafür verantwortlich, diesen nachhaltig für die Tiere und Pflanzen zu schützen und Tierarten wie den Luchs und den Wolf, die hierhin zurückfinden, willkommen zu heißen. Grundsätzlich sind Wälder auch rechtlich geschützt. Kahlschläge sind bei uns in Deutschland rechtlich verboten. Gibt es Sondergenehmigungen dafür, dann nur, wenn diese Fläche auch wieder aufgeforstet wird. Wald soll Wald bleiben.

Wie hängen der Klimawandel und der Waldbestand zusammen?
Weitgehend bekannt ist, dass Wälder unserer Atmosphäre CO2 entziehen und gleichzeitig Sauerstoff abgeben. Bei diesem Prozess wird im Holz selbst Kohlenstoff gespeichert. Beispielsweise besteht ein Buchenstamm zur Hälfte aus Kohlenstoff. Wenn Holz in Form von Möbeln, Dielen, Dachstühlen genutzt wird, kann es dazu beitragen, dass Kohlenstoff Jahrzehnte lang gespeichert wird. Gleichzeitig ersetzen Bäume Rohstoffe, deren CO2-Emissionen während der Gewinnung und Produktion deutlich höher ausfallen, beispielsweise Plastik oder Beton. Wälder kühlen zudem die Umgebungstemperatur herunter, bilden Grundwasser und befüllen so die Wasserspeicher.

Gib uns doch gerne eine Anleitung, wie man sich im Wald richtig verhält.
Im Frühjahr bekommen viele Tiere Nachwuchs. Wenn man in den Wald geht, sollte man die Tiere nicht in ihrer Setz-und Brutzeit stören. Konkret bedeutet das, wenn ihr ein Jungtier wie ein Rehkitz oder einen Vogel findet, darf es nicht angefasst werden, da die Mutter es durch den Menschengeruch abstoßen könnte. Außerdem müssen Hunde unbedingt angeleint werden und Spaziergänger sollten sich auf den Waldwegen aufhalten und nicht abseits der Wege laufen. Merke: Eher Beobachten als Herumstöbern. Auch das Thema Müll ist wichtig: Der Wald ist kein Mülleimer. Außerdem steigt die Waldbrandgefahr mit den Hitzewellen im Sommer. Es sollte deshalb kein Feuer im Wald gemacht werden und es ist in den Sommermonaten beispielsweise auch verboten, im Wald zu rauchen.

Eine kleine Bestandsaufnahme: Wie geht es den deutschen Wäldern?
Dem deutschen Wald geht es seit ein paar Jahren ziemlich schlecht. Den Wald hat es durch sogenannte Kalamitäten wie Stürme, Trockenheit und Insektenbefall stark getroffen und große Teile des Waldes wurden dadurch zerstört. Insgesamt 245.000 Hektar Wald, ungefähr drei Mal die Fläche Hamburgs, sind in den letzten paar Jahren zerstört worden, Tendenz steigend. Doch es gibt viele Einzelpersonen, Vereine und die Forstwirtschaft, die versuchen, die Wälder an das Klima und die neuen Bedingungen anzupassen. 

Wir alle sollten uns mit unserem alltäglichen Handeln, Konsum und dem ökologischen Fußabdruck, den wir hinterlassen, auseinandersetzen.

Simon Delkeskamp

Wie passt man einen Waldbestand an den Klimawandel an?
Das geschieht durch sogenannte Mischwälder. Sie sind resistenter als ein Wald mit nur einer vorherrschenden Baumart. Dabei geht es um einen horizontalen und vertikalen Bestandsaufbau, um eine möglichst große Strukturvielfalt zu erreichen. Das bedeutet, verschiedene Baumarten und Pflanzen verschiedener Größen und unterschiedlichen Alters auf einer Fläche zu haben. Dazu gehört neben dem Pflanzen neuer Baumarten auch, das Totholz liegen zu lassen, denn es bietet Nährstoffe und einen Lebensraum für Tiere. Wir hatten ein sehr nasses Frühjahr, ich habe viele neue Baumarten gepflanzt und das stimmt mich positiv.

Was glaubst du, wie sieht unser Wald in 50 Jahren aus?
Wir müssen uns darauf einstellen, dass sich der Wald, wie wir ihn jetzt kennen, stark verändern wird. Die Fichte als Hauptbaumart der Nadelbäume, ebenso wie die Buche als Hauptbaumart der Laubbäume, fallen gerade in vielen Teilen von Deutschland aus und man ist bemüht, widerstandsfähige Mischwälder zu pflanzen. Das bedeutet konkret, dass wir ganz andere Baumarten in unseren Wäldern finden werden. Dadurch kann sich auch die Tierartenzusammensetzung ändern. 

Was können wir alle tun?
Ich denke, wir alle sollten uns mit unserem alltäglichen Handeln, Konsum und dem ökologischen Fußabdruck, den wir hinterlassen, auseinandersetzen. Im Wald denkt man in mehreren Generationen. Schaffen wir das noch für unseren Planeten? Ich hoffe, dass wir mit dem Projekt „Forst erklärt“ viele Menschen erreichen und für den Wald begeistern können. Falls ihr einen Baum pflanzen möchtet, wendet euch an mich. Bis bald im Wald! 


Simon war außerdem in unserem Podcast „Wie wir fühlen“ zu Gast. In Folge #19: Forst erklärt: Der Wald, das Klima und ich erzählt er, was der Wald mit dem Klimawandel zu tun hat und welche Hoffnungen er für die Zukunft hat. Hört gerne rein: Podcast-Folge. (Auch auf allen gängigen Streaming-Plattformen zu finden).

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