Interview

Nachhaltigkeits-Bloggerin Christine Neder: „Jeder kann die Welt ein bisschen besser machen.“

Sich selbst beschreibt die Influencerin Christine Neder als „Sustainable #sinnfluencer“, Reisebloggerin und Life Coach. Über ihren Blog Lilies Diary, ihr gleichnamiges Instagram-Profil und ihren YouTube-Kanal versorgt sie ihre rund 34.000 Follower täglich mit interessanten Tipps und Fakten rund um die Themen Nachhaltigkeit, Reisen und „Zero-Waste-Lifestyle“. Im Interview spricht die Bloggerin über die Entscheidung, bewusster zu leben, und wie ihr das im Alltag gelingt.
Laura Wilks und Yasina Hipp, funky-Jugendreporterinnen

Was war der Auslöser für deinen Wandel zum „Zero-Waste-Lifestyle“?
Ich glaube, es gab nicht das eine Event. Aber es waren meine Reisen, die mich immer und immer wieder an das Thema herangeführt haben. In einem Schildkröten-Sanctuary auf den Malediven habe ich zum Beispiel gesehen, was mit Schildkröten passiert, wenn sie sich in Plastikdosen verfangen. In Indien wiederum habe ich erlebt, wie die Umwelt durch den vielen Müll verschmutzt wird. Solche Erlebnisse haben mich dazu gebracht, in kleinen Schritten immer stärker selbst auf das Thema zu achten und andere darauf aufmerksam zu machen.

Hast du dich jemals eingeschränkt gefühlt durch deinen Lebensstil?
Nein, richtig eingeschränkt gefühlt habe ich mich nicht. Es ist eher eine Herausforderung. Ich mag es, immer wieder neue Sachen zu finden, die dann meine Wünsche und Ziele erfüllen. 

Weshalb wolltest du mit deinen Erkenntnissen an die Öffentlichkeit treten?
Ich habe das Bedürfnis, den Menschen Wissen an die Hand zu geben, das ich selbst jahrelang nicht hatte und das mich zum Umdenken gebracht hat. Ich denke, Wissen ist Macht und kann die Sichtweise auf viele Dinge ändern.

Diese „Heute hier, morgen dort“-Mentalität sehe ich kritisch. Ich finde, man sollte eher längere Reisen unternehmen und schauen, dass man den Ort und die Menschen dort unterstützt.

Bloggerin Christine Neder findet bewusstes Reisen wichtig und lehnt kurze Spontan-Trips ab.

Auf deiner Website gibst du Tipps fürs nachhaltige Reisen. Für viele „Zero-Waste“-Anhänger ist eine Reise nach Asien oder Afrika nicht mit ihren moralischen Werten vereinbar. Wieso hast du dich für einen Mittelweg aus Verzicht und Nachsicht entschieden?
Seit ich mich mit diesem Thema beschäftige, frage ich mich immer wieder, ob Reisen nachhaltig ist. Und ironischerweise habe ich mich im Februar gefragt, wie es wäre, wenn niemand mehr reisen würde. Und zack! Einen Monat später war es wirklich so. Durch Corona habe ich für mich die Antwort gefunden, dass nicht zu reisen auch keine Möglichkeit ist, da so viele Existenzen daran hängen. Dennoch sollte man sich viel bewusster für das Reisen entscheiden. Diese „Heute hier, morgen dort“-Mentalität sehe ich kritisch. Ich finde, man sollte eher längere Reisen unternehmen und schauen, dass man den Ort und die Menschen dort unterstützt, etwa bei kleineren Familienbetrieben unterkommt. Für mich ist Reisen total wichtig. Es hat mich zu dem Menschen gemacht, der ich heute bin und der sich für das Thema Nachhaltigkeit interessiert. 

Ist der „Zero-Waste“-Lebensstil ein Upgrade zum Veganismus? Und inwieweit ist ein Wandel zur Konsumreduktion in unserer Gesellschaft notwendig?
Ich glaube, der allgemeine Trend ist einfach ein gestiegenes Bewusstsein für das Leben: Was esse ich, was kaufe ich, was brauche ich? Ich bin mir sicher, dass es notwendig ist, sich zu hinterfragen, um glücklicher zu werden. Andererseits haben wir nur eine begrenzte Anzahl von Ressourcen und leben immer noch in einer krassen Konsumgesellschaft. Hier können wir alle unseren Beitrag leisten, indem wir unser Verhalten überdenken und vor allem auch etwas ändern. Und das Schöne am Bewusstleben ist ja, dass für jeden etwas dabei ist – ob das nun eine vegane Ernährung oder ein minimalistischer Lebensstil ist. Jeder kann dabei helfen, die Welt ein bisschen besser zu machen.

Es ist wichtig, dass jeder sein Konsumverhalten hinterfragt. Doch wie stellt man das am besten im Alltag an, ohne andere vor den Kopf zu stoßen? Zum Beispiel beim Abendessen mit der Oma, die immer noch auf die gute, alte Butter und die fette Gänsebrust setzt und Verzicht oftmals persönlich nimmt?
Da ziehe ich einen Coaching-Ansatz zurate: Ich kann andere nicht ändern. Ich kann nur schauen, wie ich selbst mit ihrem Verhalten klarkomme. Bei den Themen Veganismus oder Minimalismus kann ich andere auch nicht bekehren, ich kann sie nur durch mein Verhalten inspirieren und meine Werte vorleben.

Ein paar Alltagstipps für bewussten Verzicht?
Da fällt mir eine coole Methode ein. Ein Problem ist ja, dass viele im Alltag oft nicht wissen, wie sie sich entscheiden sollen und wo sie anfangen sollen. Ich habe daher für mich eine eigene Wertepyramide erstellt. Dabei stelle ich mir die Frage, was mir am wichtigsten ist. An erster Stelle steht, dass das Produkt vegan ist, dafür würde ich auch in Kauf nehmen, dass es in Plastik verpackt ist und verschickt wird. An zweiter Stelle steht Zero-Waste und an letzter Stelle steht erst der CO2-Abdruck. Durch diese Staffelung kann ich ganz gut entscheiden, welches Produkt ich kaufe und welches nicht.

Was treibt dich auch heute noch an, bewusst zu verzichten und mehr Aufwand im Alltag in Kauf zu nehmen, um deine Werte zu leben?
Es treibt mich an, dass ich weiß, dass das meine Werte sind und ich mich am Ende des Tages glücklicher und zufriedener fühle. Wenn ich mal unterwegs bin und ich nicht auf all die Dinge achten kann, dann macht mir das schlechte Laune. Danach zu leben, ist für mich ein Stück Erfüllung.

Wir haben genug davon, dass die Geschichten immer nur von den Alten erzählt werden. Deswegen haben wir den Stift selbst in die Hand genommen, sind durch die Lande gezogen, haben Geschichten und Menschen gesucht, gefunden und alles aufgeschrieben, was uns untergekommen ist. Wir haben unsere Smartphones und Kameras gezückt und Fotos und Videos gemacht. Auf funky zeigen wir euch die Ergebnisse unserer Recherchen.