Interview

„Jede Figur, die ich spiele, ist ein Teil von mir“ – Emma Nova im Interview

Emma Nova steht vor einer Graffiti-Wand und hält einen übergroßen Deutschen Filmpreis in der Hand. Sie hat kurze blonde Haare und trägt ein schwarzes Oberteil.
Für die Schauspielerin Emma Nova ist die Nominierung für den Deutsche Filmpreis etwas ganz Besonderes.

Emely Hofmann, funky-Jugendreporterin

Emma Nova steht seit ihrer Jugend regelmäßig vor der Kamera. Sie war schon im Fernsehen, auf sämtlichen Streamingplattformen und im Kino zu sehen. Mit der Nominierung beim Deutschen Filmpreis als beste Schauspielerin für ihre Rolle „Jenny“ im Film „Vena“ ist der 29- Jährigen ihr bisher größter Erfolg gelungen. Im Interview erzählt Emma von der intensiven Zeit am Set, wie es war, eine Schwangere zu spielen und warum Psychotherapie für sie so wichtig ist.  

Liebe Emma, herzlichen Glückwunsch zur Nominierung! Wie hast du davon erfahren?  
Emma Nova: Der Moment war ziemlich unspektakulär. Die Bekanntgabe war um 08:15 Uhr, ich saß also im Pyjama und mit zotteligen Haaren im Bett. Am Handy hatte ich das ganze Team und auf dem iPad die Bekanntgabe. So saßen wir da erstmal eine Weile und waren total aufgeregt. Als klar war, dass ich tatsächlich nominiert bin, habe ich vor Freude geweint, so richtig ugly crying. Das war wirklich ein ganz besonderer Moment für mich.  

Du bist für die Rolle der Jenny im Film „Vena“ für den Deutschen Filmpreis nominiert. Wer ist Jenny und worum geht es in dem Film? 
Jenny ist eine junge Frau, die mit ihrem zweiten Kind schwanger ist. Sie lebt mit ihrem Freund Bolle zusammen, mit dem sie Crystal Meth konsumiert und eine teilweise toxische Beziehung führt. Jenny muss außerdem ins Gefängnis, der Film verrät nicht warum. Es geht um Emanzipation, den Weg zu sich selbst, Selbstvertrauen und eine Befreiung von alten Mustern.  

Warst du direkt an der Rolle interessiert, als du das erste Mal davon gehört hast?  
Ich habe zunächst nur eine E-Mail bekommen, in der stand, worum es in dem Film geht. Ich habe zu dem Zeitpunkt an einem Projekt gearbeitet, das emotional sehr schwer und anstrengend war. Ich war eigentlich nicht bereit, gleich wieder eine Rolle mit einem schweren Schicksal anzunehmen. Meine Agentin hat mich dann überredet und gesagt, dass es das beste Drehbuch sei, dass sie seit Jahren gelesen hat. Als ich es gelesen habe, war ich auch direkt Feuer und Flamme. Ab dem Punkt wusste ich, dass ich auf jeden Fall zum Casting gehe. Danach ging alles sehr schnell und es stand außer Frage, ob ich das schaffe oder nicht. Es musste einfach sein.  

Es war also direkt ein Match.  
Ja. Ich habe mich auch sofort sehr gut mit Chiara verstanden, der Drehbuchautorin und Regisseurin. Unsere Energien haben sehr gut miteinander harmoniert. Wir saßen zwei Stunden auf dem Balkon und haben uns ausgetauscht. Wir sind direkt sehr intim in die Materie eingetaucht.  

„Vena“ ist ein Film von Frauen über Frauen. Ist das etwas, das dir wichtig ist?  
Das ist auf jeden Fall etwas, was eine Zusage begünstigt. Als ich erfahren habe, dass wir eine Kamerafrau haben und so viele Frauen in hohen Positionen am Film mitwirken, hat mir das die Zusage erleichtert. Ich fühle mich so sicherer und gesehen am Set. Das kann man natürlich nicht verallgemeinern, aber bei „Vena“ hat es auf jeden Fall zur positiven Stimmung beigetragen.  

Jenny ist eine sehr komplexe Rolle mit vielen Facetten. War sie für dich direkt beim Casting greifbar oder hat sich das erst mit der Zeit entwickelt? 
Es hat sich entwickelt, aber ich hatte von Anfang an das Gefühl, dass ich sie im Kern verstehe. Ich arbeite sehr intuitiv und muss beim allerersten Lesen direkt das Gefühl haben, dass ich mit der Figur auf einer Wellenlänge bin. Hinzu kamen natürlich noch äußere Faktoren. Zum Beispiel wurde mir beigebracht, wie der Konsum von Crystal Meth funktioniert. Dazu habe ich mich auch viel mit Edith Stehfest ausgetauscht, die mir erklärt hat, wie das abläuft und wie es sich anfühlt. Sie war in ihrer Jugend selbst Crystal Meth abhängig, hat dann den Entzug geschafft und geht jetzt offen mit ihrer Geschichte um. Ich habe auch mit einer Frau gesprochen, die ihren Sohn in Haft bekommen hat. Jenny ist also eine Kombination aus sehr vielen verschiedenen Frauen.  

Steckt auch ein bisschen was von dir in Jenny? 
Auf jeden Fall. Jede Figur, die ich spiele, ist irgendwo ein Teil von mir, der unter einem Mikroskop größer gezogen wird. Zusätzlich wird noch ganz viel anderes darauf gesprenkelt, so entsteht dann die Figur. Ich könnte gar nicht genau sagen, was dieser Teil ist oder wo wir uns ähnlich sind – außer bei der Vorliebe für Sprudelwasser. Irgendwann macht es einfach Klick. Sie wohnt bis heute immer noch zum Teil in mir. 

„Vena“ wirkt fast wie ein Dokumentarfilm, so echt und intim spielst du Jenny. Wie hast du das geschafft?  
Ich habe sehr von all den Gesprächen profitiert, die Chiara für den Film geführt hat. Sie kommt aus der Dokumentarregie, das hat man im Film gespürt und ist vielleicht auch für die Nähe verantwortlich, die man zu den Figuren wahrnimmt. Es hat auch sehr geholfen, dass wir als Team viel Zeit miteinander verbracht haben. Wir haben nicht wirklich geprobt, sondern uns einfach kennengelernt und ein Gefühl füreinander bekommen. Ich war eigentlich ständig mit Chiara im Kontakt. Wenn wir auf der Straße oder im Alltag Dinge gesehen haben, die zu Jenny passen könnten, haben wir uns immer Fotos davon geschickt und Ideen ausgetauscht. Letztendlich kommt es aber auch auf das Loslassen am Set an. Dann kannst du nichts mehr recherchieren, sondern musst einfach vertrauen und spielen.  

Neben der Drogenabhängigkeit ist auch Mutterschaft ein großes Thema im Film. Du bist zum Beispiel oft mit Babybauch zu sehen. Wir war das für dich?  
Sich so sehr in der Rolle einer Mutter und auch mit diesem Bauch wiederzufinden, war crazy. Ich selbst habe keine Kinder und für mich war es am Anfang seltsam, mich mit Babybauch zu sehen. Ich habe davor auch noch nie eine Schwangere gespielt, es war also komplett neu für mich. Ich fand es sehr schön und sehr berührend. Irgendwann verging dieser Effekt natürlich, weil ich mich daran gewöhnt hatte. Die inszenierte Geburt war auch eine krasse Erfahrung. Näher werde ich einer echten Schwangerschaft und Geburt nicht kommen, bevor es vielleicht wirklich passiert.  

Die Geburtsszene ist ziemlich explizit. Wie habt ihr das gemacht? 
Es ist eine echte Geburt, die gefilmt wurde. Das Team hat nach Frauen gesucht, die dazu bereit sind. Es haben sich viele Frauen gemeldet, aber da gibt es natürlich viele Sachen, die übereinstimmen müssen. Der Geburtstermin muss passen und der Körperbau muss meinem ähneln. Dann hat sich irgendwann Lara gefunden und Lisa, unsere Kamerafrau, hat die Geburt gefilmt. Ich wäre so gerne dabei gewesen, aber natürlich ist das ein sehr intimer Moment, deswegen ist es wichtig, dass dort so wenig Personen wie möglich anwesend sind. Ich habe danach den Rohschnitt bekommen und durfte alles anschauen. Das war wirklich unglaublich.  

Du hast dich dann mit diesem Material auf die Szene vorbereitet?  
Genau, das war ein bisschen wie eine Choreo. Es war irgendwann klar, welcher Teil im Film gezeigt wird. Für mich war dann wichtig: Wo kommt die Hand hin? Wann trinke ich Wasser? Wann gehe ich in welche Position? Ich habe natürlich auch die gleiche Kleidung getragen. Ich habe immer noch die Originalsocken von Lara, die sie bei ihrer Geburt getragen hat.  

Hast du Feedback zu dem Film bekommen – vielleicht von Frauen, die in einer ähnlichen Situation sind wie Jenny? 
Ich habe wundervolles Feedback von Frauen bekommen, die ähnliches erlebt haben. Das war mir sehr wichtig, weil ich großen Respekt davor hatte, diesen Geschichten gerecht zu werden. Ich erinnere mich noch an ein Screening, bei dem auch eine der Frauen dabei war, die uns für „Vena“ beraten hat. Unsere Begegnung war sehr emotional. Sie hat mir erzählt, dass es bei ihr genauso wie im Film war und dass sie sich sehr gesehen gefühlt hat. Das war das tollste Feedback, das ich mir hätte wünschen können.  

Der Titel „Vena“ steht für die Vene, durch die das Baby von der Mutter alles bekommt, was es braucht. Was ist für dich im Leben unverzichtbar? 
Puh, das ist eine große Frage. Ich brauche in allererster Linie mich selbst. Ich glaube, dass für jeden und jede das Verhältnis und die Liebe zu sich selbst an erster Stelle stehen sollten. Aber auch meine Freundinnen und Freunde und meine Familie sind mir natürlich wichtig. Auch der Beruf ist etwas, das mir viel Kraft gibt und was ich nicht missen möchte. Abgesehen von Luft, Natur und Wasser ist es natürlich auch schön, sich hin und wieder ein paar Schuhe zu kaufen. Das brauche ich zwischendurch auch mal.  

„Vena“ ist bei weitem nicht deine erste Rolle, du bist schon lange als Schauspielerin täXg. Wie schwierig ist es, sich ständig in neue Rollen, Probleme und Lebensrealitäten hineinzuversetzen? 
Sehr aufregend. Es macht in allererster Linie viel Spaß. Ich erwische mich auch dabei, wie ich sehr leicht in den Rollen versinke und sich Arbeit manchmal gar nicht danach anfühlt. Ich gebe aber natürlich auch etwas von mir her und opfere etwas für den Beruf. Ich erlebe es aber eigentlich als etwas sehr Positives. Die Balance zu finden, ist wichtig. Mit 18 oder 20 war das noch kein Thema, ich habe mich mit dem Kopf voran in die Rollen gestürzt. Jetzt, mit Ende 20, sind meine Prioritäten anders. Ich weiß, dass ich auch darauf achten muss, wie es mir als Emma geht und dass ich am Ende des Tages loslassen muss. Das Loslassen ist ein sehr wichtiger Teil des Berufs. Wenn man das nicht tut, hat man als Privatperson nicht mehr genügend Platz, um zu heilen.  

Hast du etwas, was dir beim Loslassen hilft?  
Ich sehe meine Freund:innen, von denen viele nicht in dem Business sind. Mich mit ihnen zu unterhalten und über die Dinge zu reden, die mit dem Beruf nichts zu tun haben, hilft. Mit dem Alltag weiterzumachen, sich auch mal zu langweilen, neue Sachen auszuprobieren und zu scheitern, das sind alles Dinge, die genauso wichtig sind wie die Arbeit. Ich gehe auch gerne tanzen, das hilft auch. Ich übe aber, im Abschalten und Loslassen noch besser zu werden. Ansonsten kann ich allen empfehlen, zur Psychotherapie zu gehen und da einfach mal über alles zu sprechen. Das ist nichts, wofür man sich schämen muss.

Der Deutsche Filmpreis wird am 9. Mai verliehen. Das ZDF überträgt die von Christian Friedel moderierte Show am selben Abend live um 19:00 Uhr in der Mediathek sowie zeitversetzt um 23:30 Uhr im linearen Fernsehen.

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Wir haben genug davon, dass die Geschichten immer nur von den Alten erzählt werden. Deswegen haben wir den Stift selbst in die Hand genommen, sind durch die Lande gezogen, haben Geschichten und Menschen gesucht, gefunden und alles aufgeschrieben, was uns untergekommen ist. Wir haben unsere Smartphones und Kameras gezückt und Fotos und Videos gemacht. Auf funky zeigen wir euch die Ergebnisse unserer Recherchen.