Rita Rjabow, funky-Jugendreporterin
Sprache ist weit mehr als nur ein Mittel der Kommunikation. Sie ist ein mächtiges Werkzeug, das Identität und Zugehörigkeit schafft, Menschen verbinden und trennen kann. In der globalisierten Welt beeinflusst Sprache den Zugang zu Ressourcen, Chancen und Macht erheblich. Diese Überzeugung teilt auch Sue Sarikaya (28), die als soziale Aufsteigerin über ihre persönlichen Erfahrungen im Zusammenhang mit sozialem Aufstieg, Armut und Sprache reflektiert.
„Sprache ist nicht nur ein Mittel der Kommunikation, sondern ein Schlüssel zur gesellschaftlichen Teilhabe“, betont Sue, die als DEI-Spezialistin bei der Organisation „The Dive“ Diversität, Gleichberechtigung und Inklusion in Organisationen fördert. Ihre eigene Kindheit war von Armut und der Herausforderung geprägt, sich in einer Gesellschaft hochzuarbeiten, die ihr oft fremd erschien. Sue kommt aus einem ehemaligen Hartz-IV-Haushalt, ihre Mutter bekommt inzwischen Bürgergeld. „Ich habe so ein schlechtes Gewissen, dass ich Armut stigmatisiert habe und habe nun aber auch mehr Mitgefühl mit mir selbst“, beschreibt sie rückblickend ihre Auseinandersetzung mit den Themen Armut und sozialem Aufstieg. Inzwischen hat sich ihre Sichtweise verändert.
Ein prägendes Beispiel für die Macht der Sprache war der Umgang mit behördlichen Briefen. Schon als Kind musste Sue Anträge und Briefe für ihre Mutter ausfüllen, die Arbeitslosengeld II (inzwischen: Bürgergeld) erhielt. Diese Verantwortung belastete sie sehr und führte zu Ängsten, etwas falsch zu machen und dafür bestraft zu werden.
Nicht nur Anpassung
Früher dachte Sue, sie müsse sich anpassen und „white and privileged“ (dt: weiß und privilegiert) werden, um Erfolg zu haben. Die letzten Jahre haben sie erkennen lassen, dass sie auf keinen Fall ignorant und unsolidarisch sein möchte. „Menschen, die aus dem Bildungsbürgertum kommen, haben bestimmte Privilegien, da sie aus Akademiker-Haushalten stammen und einen bestimmten Habitus haben, also eine bestimmte Art zu sprechen, zu sein, sich zu kleiden, sich zu geben“, erklärt Sue. Derart privilegierte Menschen können Sprache anders nutzen, oft unverständlicher sprechen und viele Fachbegriffe verwenden, wodurch sie als intelligenter und kompetenter wahrgenommen werden.
Sue kämpft manchmal mit dem Impostor-Syndrom, das sie daran zweifeln lässt, ob sie ihren Erfolg wirklich verdient hat. Oft hat sie den Eindruck, dass sie Leistungen erbringen muss, um anderen etwas zu beweisen. Für sie war die Sprache ein wichtiger Hebel, denn mit ihrer Hilfe lassen sich Brücken bauen und Menschen zusammenbringen. „Meine Selbstwahrnehmung ist von der Überzeugung geprägt, dass ich durch meine Sprachkompetenz Brücken bauen und Menschen zusammenbringen kann,“ sagt Sue. Als DEI-Spezialistin bei der Organisation „The Dive“ fördert Sue nun Diversität, Gleichberechtigung und Inklusion in Organisationen.
Die Kraft der Sprache
Sue spricht offen über ihre schwierige Kindheit und ihr Studium, ihr Arbeitsleben, beschreibt sie zum Teil als Ursache für den Bezugsverlust zu ihren Wurzeln. „Ebenso wie Sprache Macht verleihen kann, kann sie diese auch einschränken – je nachdem, wer spricht und wer gehört wird.“
„Übt Ihre Tochter oder ihr Sohn eine geringfügige Beschäftigung aus?“ Vor einigen Jahren hat Sues Mutter in einem Antrag bei dieser Frage „Nein“ angekreuzt. Doch Sue hatte einen Minijob. „Meine Mutter kennt die Bezeichnung Mini-Job, aber sie kennt nicht den Begriff geringfügige Beschäftigung. Und das wurde als Betrug gewertet und deswegen wurde sie als Beschuldigte vorgeladen“, erinnert sie sich. Sues Mutter hatte eine Rechtsschutzversicherung, um sich gegen Probleme mit dem Jobcenter abzusichern. Eine Anwältin deckte auf, dass ein Freibetrag unrechtmäßig zurückgefordert wurde. Behördliche Schreiben, Anträge und Formulare beinhalten komplexe und unverständliche Sprache. Das erschwert die Verständlichkeit. Dieses Erlebnis mit der Vorladung verstärkte Sues Engagement und ihr Interesse an der Rolle und der Macht von Sprache als unerlässlichem Kommunikationsmittel.
Mit Nachdruck spricht sie auch über die Rolle von Sprache im Kontext der Weltgeschichte. Ihre Augen werden ernst, als sie beschreibt, wie Sprache benutzt wurde, um ganze Kulturen zu unterdrücken oder zu assimilieren. „Das Nutzen von Fachbegriffen und lateinischen Ausdrücken verleiht Sprechenden eine scheinbare Intelligenz und Kompetenz. Solchen Menschen wird eine größere Bedeutungshoheit zugesprochen, wodurch sie Debatten und Themen dominieren können. Wir haben gelernt, dass das Intelligenz ist, wir haben gelernt, dass das Kompetenz ist.“ Es ist eine Geschichte von Macht und Kontrolle, in der die dominante Sprache oft als Werkzeug der Unterdrückung eingesetzt wurde.
Diese Beispiele aus ihrem Leben und der Geschichte verdeutlichen, wie tiefgreifend und einschneidend der Einfluss der Sprache sein kann. Ein Buch, welches Sue geholfen hat, die Bedeutung von Sprache besser einzuordnen, ist „Sprache und Sein“ (2020) von Kübra Gümüşay.
Inzwischen spricht Sue offener über ihre Erfahrungen, denn sie möchte sie mit anderen Menschen teilen. Während ihres Bachelors hatte sie zwei Jobs und bezog BaföG, trotzdem konnte sie sich ihre Miete und die Lebenserhaltungskosten gerade so leisten. Für ihren Master hat sie einen Studienkredit aufgenommen, welchen sie bis heute abbezahlt.
„Entstigmatisierung und das Hinterfragen von Privilegien sind wichtig. Nur so können wir eine gerechtere Gesellschaft schaffen, in der alle Menschen gleiche Chancen haben. Es ist notwendig, dass wir uns unserer eigenen Vorurteile bewusst werden und aktiv daran arbeiten, diese zu überwinden. Wir wollen in einer demokratischen Gesellschaft leben und Demokratie bedeutet Teilhabe. Wir brauchen Teilhabe für eine Demokratie, Teilhabe wiederum braucht aber Verständlichkeit“, fasst Sue abschließend zusammen.
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„Sprache ist nicht nur ein Mittel der Kommunikation, sondern ein Schlüssel zur gesellschaftlichen Teilhabe“, betont Sue, die als DEI-Spezialistin bei der Organisation „The Dive“ Diversität, Gleichberechtigung und Inklusion in Organisationen fördert. Ihre eigene Kindheit war von Armut und der Herausforderung geprägt, sich in einer Gesellschaft hochzuarbeiten, die ihr oft fremd erschien. Sue kommt aus einem ehemaligen Hartz-IV-Haushalt, ihre Mutter bekommt inzwischen Bürgergeld. „Ich habe so ein schlechtes Gewissen, dass ich Armut stigmatisiert habe und habe nun aber auch mehr Mitgefühl mit mir selbst“, beschreibt sie rückblickend ihre Auseinandersetzung mit den Themen Armut und sozialem Aufstieg. Inzwischen hat sich ihre Sichtweise verändert.
Ein prägendes Beispiel für die Macht der Sprache war der Umgang mit behördlichen Briefen. Schon als Kind musste Sue Anträge und Briefe für ihre Mutter ausfüllen, die Arbeitslosengeld II (inzwischen: Bürgergeld) erhielt. Diese Verantwortung belastete sie sehr und führte zu Ängsten, etwas falsch zu machen und dafür bestraft zu werden.
Nicht nur Anpassung
Früher dachte Sue, sie müsse sich anpassen und „white and privileged“ (dt: weiß und privilegiert) werden, um Erfolg zu haben. Die letzten Jahre haben sie erkennen lassen, dass sie auf keinen Fall ignorant und unsolidarisch sein möchte. „Menschen, die aus dem Bildungsbürgertum kommen, haben bestimmte Privilegien, da sie aus Akademiker-Haushalten stammen und einen bestimmten Habitus haben, also eine bestimmte Art zu sprechen, zu sein, sich zu kleiden, sich zu geben“, erklärt Sue. Derart privilegierte Menschen können Sprache anders nutzen, oft unverständlicher sprechen und viele Fachbegriffe verwenden, wodurch sie als intelligenter und kompetenter wahrgenommen werden.
Sue kämpft manchmal mit dem Impostor-Syndrom, das sie daran zweifeln lässt, ob sie ihren Erfolg wirklich verdient hat. Oft hat sie den Eindruck, dass sie Leistungen erbringen muss, um anderen etwas zu beweisen. Für sie war die Sprache ein wichtiger Hebel, denn mit ihrer Hilfe lassen sich Brücken bauen und Menschen zusammenbringen. „Meine Selbstwahrnehmung ist von der Überzeugung geprägt, dass ich durch meine Sprachkompetenz Brücken bauen und Menschen zusammenbringen kann,“ sagt Sue. Als DEI-Spezialistin bei der Organisation „The Dive“ fördert Sue nun Diversität, Gleichberechtigung und Inklusion in Organisationen.
Die Kraft der Sprache
Sue spricht offen über ihre schwierige Kindheit und ihr Studium, ihr Arbeitsleben, beschreibt sie zum Teil als Ursache für den Bezugsverlust zu ihren Wurzeln. „Ebenso wie Sprache Macht verleihen kann, kann sie diese auch einschränken – je nachdem, wer spricht und wer gehört wird.“
„Übt Ihre Tochter oder ihr Sohn eine geringfügige Beschäftigung aus?“ Vor einigen Jahren hat Sues Mutter in einem Antrag bei dieser Frage „Nein“ angekreuzt. Doch Sue hatte einen Minijob. „Meine Mutter kennt die Bezeichnung Mini-Job, aber sie kennt nicht den Begriff geringfügige Beschäftigung. Und das wurde als Betrug gewertet und deswegen wurde sie als Beschuldigte vorgeladen“, erinnert sie sich. Sues Mutter hatte eine Rechtsschutzversicherung, um sich gegen Probleme mit dem Jobcenter abzusichern. Eine Anwältin deckte auf, dass ein Freibetrag unrechtmäßig zurückgefordert wurde. Behördliche Schreiben, Anträge und Formulare beinhalten komplexe und unverständliche Sprache. Das erschwert die Verständlichkeit. Dieses Erlebnis mit der Vorladung verstärkte Sues Engagement und ihr Interesse an der Rolle und der Macht von Sprache als unerlässlichem Kommunikationsmittel.
Mit Nachdruck spricht sie auch über die Rolle von Sprache im Kontext der Weltgeschichte. Ihre Augen werden ernst, als sie beschreibt, wie Sprache benutzt wurde, um ganze Kulturen zu unterdrücken oder zu assimilieren. „Das Nutzen von Fachbegriffen und lateinischen Ausdrücken verleiht Sprechenden eine scheinbare Intelligenz und Kompetenz. Solchen Menschen wird eine größere Bedeutungshoheit zugesprochen, wodurch sie Debatten und Themen dominieren können. Wir haben gelernt, dass das Intelligenz ist, wir haben gelernt, dass das Kompetenz ist.“ Es ist eine Geschichte von Macht und Kontrolle, in der die dominante Sprache oft als Werkzeug der Unterdrückung eingesetzt wurde.
Diese Beispiele aus ihrem Leben und der Geschichte verdeutlichen, wie tiefgreifend und einschneidend der Einfluss der Sprache sein kann. Ein Buch, welches Sue geholfen hat, die Bedeutung von Sprache besser einzuordnen, ist „Sprache und Sein“ (2020) von Kübra Gümüşay.
Inzwischen spricht Sue offener über ihre Erfahrungen, denn sie möchte sie mit anderen Menschen teilen. Während ihres Bachelors hatte sie zwei Jobs und bezog BaföG, trotzdem konnte sie sich ihre Miete und die Lebenserhaltungskosten gerade so leisten. Für ihren Master hat sie einen Studienkredit aufgenommen, welchen sie bis heute abbezahlt.
„Entstigmatisierung und das Hinterfragen von Privilegien sind wichtig. Nur so können wir eine gerechtere Gesellschaft schaffen, in der alle Menschen gleiche Chancen haben. Es ist notwendig, dass wir uns unserer eigenen Vorurteile bewusst werden und aktiv daran arbeiten, diese zu überwinden. Wir wollen in einer demokratischen Gesellschaft leben und Demokratie bedeutet Teilhabe. Wir brauchen Teilhabe für eine Demokratie, Teilhabe wiederum braucht aber Verständlichkeit“, fasst Sue abschließend zusammen.
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