Warum es dringend eine Reform im Musikstreaming braucht

Durch das Musikstreaming verdienen viele Kunstschaffende kaum etwas.
Durch das Musikstreaming verdienen viele Kunstschaffende kaum etwas.

Jan-Malte Wortmann, funky-Jugendreporterin

Weniger als einen Euro pro Jahr: So wenig verdient ein Großteil deutscher Musikschaffender aktuell mit Streaming, sodass sie immer stärker auf das Engagement ihrer Fans angewiesen sind. Schuld ist vor allem die unfaire Vergütung durch Spotify und Co.

Es sind Zeiten großer Unsicherheit für Kunstschaffende, Musikerinnen und Musiker. Und das hat leider auch mit der Art zu tun, wie wir alle bevorzugt Musik konsumieren – mit dem Streaming. Vor allem junge Menschen zahlen zwar jeden Monat fließig ihren Spotify- oder Apple-Music-Beitrag, nur leider kommt davon in der Regel kaum etwas bei ihren Lieblingskünstler:innen an. Eine aktuelle Studie macht das wieder besonders deutlich. Daher setzen kleine, unabhängige Artists seit Jahren vermehrt auf das Live-Geschäft und werden immer abhängiger von der direkten Unterstützung ihrer Fans. Doch Clubsterben, Inflation und sinkende Besucher:innenzahlen auf Konzerten nehmen ihnen nach und nach die Möglichkeiten, mit ihrer Musik Geld zu verdienen. Außerdem geht das ständige Touren, das für regelmäßige Einnahmen notwendig wäre, mit erheblichen physischen und psychischen Anstrengungen einher, die vielen Künstler:innen einfach zu viel werden.

Eine Revolution des Musikmarktes

Bereits seit 2006 ist der schwedische Musikstreamingdienst Spotify online. Mit einem Marktanteil von über 30 Prozent ist die Plattform bis heute der unangefochtene Branchenriese. Und Spotify hat die Welt – oder zumindest die Art, wie wir Musik und andere Audioinhalte konsumieren – nachhaltig verändert. Nicht nur, dass den weltweit 675 Millionen Nutzenden jederzeit eine unvorstellbare Musik-Bibliothek zur Verfügung steht, auch für die Künstler:innen kam Streaming einer Demokratisierung des Musikmarktes gleich: Unabhängig von Labels, Verlagen oder Managementagenturen können Musikschaffende ihre Songs mit einer schier unendlichen Anzahl potenzieller Hörer:innen und Fans teilen. Das hat zweifellos für mehr Vielfalt gesorgt und auch vielen unabhängigen Artists völlig neue Möglichkeiten geschaffen.

Allerdings wird seit Jahren auch die Kritik an Spotify und Co. immer lauter – besonders an der Art, wie die Plattformen die Künstler:innen entlohnen. Eine Studie des Forschungsnetzwerk Digitale Kultur, gefördert von Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne), macht aktuell erneut auf die Missstände aufmerksam. Neben einer umfassenden Datenanalyse des deutschen Musikmarktes der vergangenen 20 Jahre, stützt sich die Studie auch auf die Befragung von rund 3000 deutschen Musikschaffenden. Dabei gaben mehr als 74 Prozent der Befragten an, mit dem Vergütungsmodell der Streamingdienste unzufrieden zu sein.

Kleine Künstler:innen gehen leer aus

Denn die Studie zeigt einige erschreckende Zahlen: 68 Prozent der Musikschaffenden verdienen durch Streaming weniger als einen Euro pro Jahr. Dahingegen gehen 75 Prozent der erzielten Umsätze an lediglich 0,1 Prozent der Künstler:innen. Schuld an diesem Ungleichgewicht ist vor allem das sogenannte Pro-Rata-System von Spotify. Das bedeutet, dass die Artists nicht nach ihren tatsächlich erzielten Streams bezahlt werden, sondern nach ihrem Anteil an der Gesamtheit der Streams. Die Folge ist, dass die vielgestreamten Künstler:innen ein deutlich größeres Stück vom Kuchen erhalten. Die kleinen Artists, die mit ihren Streams kaum gegen die Zahl der Superstars ankommen können, gehen dementsprechend leer aus.

Eine mögliche Lösung, die seit Jahren diskutiert und auch in der aktuellen Studie gefordert wird, wäre ein nutzerorientiertes Modell. Das würde bedeuten, dass die Gebühren, die Nutzende an die Streamingdienste zahlen, unter denjenigen Artists aufgeteilt würden, die sie tatsächlich hören. Somit würden Fans mit ihrem Abo-Beitrag ganz direkt ihre Lieblingskünstler:innen unterstützen – in den Augen vieler Kunstschaffender ein deutlich faireres Modell.

Doch nicht nur das Pro-Rata-System wird kritisiert. Hinzu kommt eine große Intransparenz, sodass Musiker:innen kaum nachvollziehen können, warum sie einen bestimmten Betrag erhalten. Das macht es für sie deutlich schwerer, ihre Ansprüche rechtlich geltend zu machen. Deshalb brauche es dringend eine EU-weite Regulierung des Musikstreaming-Marktes, damit Einnahmen fairer und nachvollziehbarer verteilt würden, fordert Kulturstaatsministerin Roth in der Pressemitteilung zu Studie.

Schwere Zeiten für Kunstschaffende

Es braucht also nicht nur dringend eine Reform des Musikstreamingmarktes, es wird einmal mehr deutlich, dass die Kulturbranche unbedingt strukturell gestärkt und mit entsprechenden Förderprogrammen unterstützt werden muss. Und sicher braucht es auch weiterhin das Engagement der Fans: Wer seine Lieblingskünstler:innen unterstützen möchte und es sich leisten kann, sollte im besten Fall Merch wie T-Shirts oder Schallplatten und vor allem Konzerttickets von ihnen kaufen – und somit zeigen, dass Kunst noch einen Wert hat. 

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Wir haben genug davon, dass die Geschichten immer nur von den Alten erzählt werden. Deswegen haben wir den Stift selbst in die Hand genommen, sind durch die Lande gezogen, haben Geschichten und Menschen gesucht, gefunden und alles aufgeschrieben, was uns untergekommen ist. Wir haben unsere Smartphones und Kameras gezückt und Fotos und Videos gemacht. Auf funky zeigen wir euch die Ergebnisse unserer Recherchen.