Interview

Nyke Slawik: „Wir brauchen junge Menschen, die sich der Klimakrise entgegenstellen“

Nyke Slawik
„Viele junge Menschen sind demotiviert, weil sie befürchten, dass nach dem Abriss Lützeraths der Kampf um die 1,5-Grad-Grenze verloren sei.“ - Nyke Slawik
Amelie Bahlert, funky-Jugendreporterin
Ein Porträt von Nike Slawin
Nyke Slawik
© Leonie Braunschweig

Nyke Slawik ist 29 Jahre alt und gehört zu den 50 jüngsten Abgeordneten im deutschen Parlament. Nyke kommt aus Nordrhein-Westfalen, um genau zu sein aus dem Wahlkreis Leverkusen/Köln-Mülheim. Bei ihrer Arbeit im Bundestag für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen beschäftigt sie sich insbesondere mit der Verkehrs- und Klimapolitik. Außerdem ist Nyke als eine der ersten offenen trans Personen in den Bundestag eingezogen und setzt sich dort für die Gleichberechtigung von queeren Menschen ein.

Nyke, Anfang diesen Jahres hast du viel mediale Aufmerksamkeit erhalten, weil du dich gegen den Abriss des Dorfs Lützerath zugunsten des Braunkohle-Abbaus positioniert hast. Warum hast du an den Protesten teilgenommen? 
Nyke Slawik: Weil ich es richtig fand, dass die Klimabewegung ein Zeichen setzt und darauf aufmerksam macht, dass die Bundesregierung aktuell nicht genug für den Klimaschutz tut. Da ich in den letzten Jahren mehrmals in Lützerath vor Ort war, war es mir besonders wichtig, für die Menschen dort ansprechbar zu sein. Das war nicht einfach und ich habe mir vor Ort viel anhören müssen.

Wenn wir gesamtgesellschaftlich vorankommen und den Klimaschutz auf allen Ebenen durchboxen, dann können wir noch ganz viel retten.

Kann die Menge an Braunkohle, die unter Lützerath gefördert werden soll, jetzt noch durch die Politik begrenzt werden? 
Wir sind der Gesetzgeber, das heißt, wir haben nach wie vor die Möglichkeit, den Tagebau zu begrenzen. Das wird auch notwendig sein, wenn Deutschland seine Klimaziele einhalten möchte. Ich glaube, viele junge Menschen sind demotiviert, weil sie befürchten, dass nach dem Abriss Lützeraths der Kampf um die 1,5-Grad-Grenze verloren sei. In eine düstere Zukunft zu blicken, ist jedoch die falsche Botschaft. Wir dürfen wichtige Klimafragen nicht auf einen Ort verengen, denn wir werden immer wieder Situationen haben, wo wir einzelne Kämpfe aus einer Klimaperspektive heraus verlieren. Das darf die Debatte jedoch nicht beenden. Damit so viel Kohle im Boden bleibt wie möglich, müssen wir jetzt die Erneuerbaren Energien so schnell wie möglich ausbauen und dafür sorgen, dass die Kohle unrentabel wird. Wenn wir gesamtgesellschaftlich vorankommen und den Klimaschutz auf allen Ebenen durchboxen, dann können wir noch ganz viel retten.

Dabei bleibt die Frage offen, wie man die Kämpfe im Namen des Klimaschutzes am besten austrägt. Die Letzte Generation ist dabei ein polarisierendes Beispiel: Wie positionierst du dich zu den Protestaktionen der Letzten Generation? Ist die Art des Protests legitim und sinnvoll?
Ich finde es schwierig, wenn man – wie ich selbst – politisch aktiv ist, zu beurteilen, wie sinnvoll eine andere Form der politischen Aktivität ist. Dennoch kann ich sagen, dass ich den Protest als legitim und den Menschen der Letzten Generation gegenüber auch große Empathie empfinde. Wir haben ein Klimaschutzgesetz, weil die kommenden Generationen auch ein Anrecht auf Freiheit und einen lebenswerten Planeten haben. Der letzte IPCC-Bericht liest sich dramatisch und die wissenschaftliche Vehemenz bezüglich des Klimaschutzes ist sehr deutlich. Außerdem haben sich alle demokratischen Parteien zur Einhaltung der Pariser Klimaziele verpflichtet und Teile unserer Bundesregierung betreiben bei den Klimazielen ArbeitsverweigerungDas sorgt für sehr viel Ohnmachtsgefühl und Verunsicherung. Deswegen kann ich verstehen, dass einzelne Menschen zu Mitteln des zivilen Ungehorsams greifen, um auf die Dramatik dieser Lage aufmerksam zu machen. 

Kommen wir zu deinen weiteren Tätigkeiten. Du bist stellvertretende Vorsitzende im Verkehrsausschuss. Was sind deine Aufgaben? 
Als Bundestag sind wir ein Arbeitsparlament und ich sitze als Fachabgeordnete im Ausschuss für Verkehr. Unsere Hauptaufgabe ist es, alle Gesetze, die schwerpunktmäßig mit Verkehrspolitik zu tun haben, zu begleiten. Unsere Kritik an der bestehenden Verkehrspolitik ist, dass keine ausreichenden Maßnahmen vorgenommen werden, die die Einhaltung der Klimaziele garantieren würden. 

Was wären deiner Meinung nach die Top 3 der effektivsten Maßnahmen zur CO2-Einsparung im Verkehrssektor?
Das einfachste und billigste wäre das Tempolimit. Es ist nur eine Verwaltungssache, die uns kaum etwas kostet. Wir müssten nur Schilder austauschen und es gäbe direkt messbare Auswirkungen. Als zweites wäre es wichtig, eine Trendwende beim Thema Straßenbau einzuleiten, da die Flächenversieglung sowie der Asphalt nicht gut für unsere CO2-Bilanz sind. Dennoch sind in Deutschland immer noch hunderte Kilometer Straßenausbau geplant. Davon müssten wir wegkommen und uns mehr auf Sanierungen konzentrieren. Auf Platz drei konkurrieren für mich die Abschaffung klimaschädlicher Subventionen mit einer Reform der Straßenverkehrsordnung. Letztere soll Kommunen handlungsfähiger machen, damit sie beispielsweise mehr Tempo-30-Zonen anordnen dürfen. Für diese Dinge herrschen aktuell von der Bundesebene sehr viele Einschränkungen, die wir als Bundesgesetzgeber vereinfachen sollten. 

Man muss sich darauf einstellen, dass ein langer Atem vonnöten ist.

Wie setzt du dich konkret für junge Menschen ein? Was machst Du, um sie politisch zu vertreten?
Als immer noch junge Politikerin versuche ich in allen Themenbereichen, in denen ich aktiv bin, die Sichtweise junger Menschen miteinzubeziehen. Zuletzt habe ich mich für die Vergünstigung des Deutschlandtickets für Studierende eingesetzt. Ansonsten ist das Engagement für radikalen Klimaschutz sehr im Interesse der Jüngeren. Mein anderer großer Themenbereich ist die Queer-Politik: Ich versuche ansprechbar für queere Jugendliche zu sein. Zum Beispiel arbeite ich mit dem Jugendzentrum ‚anyway‘ zusammen, die Anlaufstelle für queere Jugendliche im Kölner Raum sind. 

Du bist bereits mit 15 Jahren in die Politik gegangen. Was würdest du Personen im ähnlichen Alter heute raten, die sich politisch engagieren möchten? 
Ich kann allen Menschen nur dazu raten, sich politisch zu engagieren, weil man tolle Mitstreitende kennenlernt und viel über seine Mitmenschen lernt. Man musssich jedoch darauf einstellen, dass ein langer Atem vonnöten ist. Es kann frustrierend sein, wenn man das eigene politische Wirken nur am Hier und Jetzt bemisst. Wenn ich jedoch zurückdenke, als ich mit 15 Jahren in die Grüne Jugend eingetreten bin, gab es noch keine Ehe für alle und in NRW wollte man nicht über einen Kohleausstieg sprechen. Wenn man mehrere Jahre politisch aktiv ist, erlebt man durchaus Erfolgserlebnisse. Besonders in den aktuellen Krisenzeiten – allen voran der Klimakrise – brauchen wir engagierte, junge Menschen, die sich ihr entgegenstellen.

funky-instagram-banner

Du willst mehr? Du bekommst mehr!

Wir haben genug davon, dass die Geschichten immer nur von den Alten erzählt werden. Deswegen haben wir den Stift selbst in die Hand genommen, sind durch die Lande gezogen, haben Geschichten und Menschen gesucht, gefunden und alles aufgeschrieben, was uns untergekommen ist. Wir haben unsere Smartphones und Kameras gezückt und Fotos und Videos gemacht. Auf funky zeigen wir euch die Ergebnisse unserer Recherchen.