Besserwisserwissen: Wie funktioniert ein Misstrauensvotum?

Im Deutschen Bundestag kann ein Antrag auf ein Misstrauensvotum gestellt werden.
Im Deutschen Bundestag kann ein Antrag auf ein Misstrauensvotum gestellt werden.
Alicia Homann, funky-Jugendreporterin

Über sechzehn Jahre hatten wir in Deutschland die gleiche Kanzlerin, auch liebevoll Mutti Merkel genannt. Einige Jugendliche haben bis Scholz noch nie eine andere Person in dem Amt erlebt. Nun haben wir mit der Ampel-Koalition eine komplett neue Situation, mit der viele nicht gerade zufrieden sind: Insbesondere Scholz‘ Handeln im Zusammenhang mit dem Krieg Russlands gegen die Ukraine sorgt bei vielen für Unmut. Doch wann besteht eigentlich die Möglichkeit, eine Regierung abzusetzen?

Das Misstrauensvotum ist in demokratischen Staaten ein Mittel, um Minister*innen oder eine Regierung abzusetzen. Wenn also im Parlament der Eindruck entsteht, dass eine Regierung oder einzelne Minister*innen ihre Arbeit nicht gut machen, kann man sein Misstrauen aussprechen. Dieser Antrag muss von einem Viertel der Abgeordneten unterstützt werden. Anschließend folgt nach 48 Stunden die alles entscheidende Abstimmung. Wenn zu wenige ihr Vertrauen in Form einer Jastimme aussprechen, müssen der Minister oder die Regierung zurücktreten.

Konstruktives Misstrauensvotum in Deutschland

In Deutschland gibt es im Grundgesetz ein konstruktives Misstrauensvotum nach Artikel 67. Das heißt, auf die Abwahl einer Regierung muss direkt eine Neuwahl erfolgen. Der Fall, dass es für einen Zeitraum keine Regierung gibt, soll dadurch vermieden werden. Wir haben hier aus den Fehlern der Weimarer Republik gelernt, zu der Zeit gab es ein destruktives Misstrauensvotum. Dadurch regierte der Reichspräsident oft durch die Notstandsverordnung und umging den demokratischen Gesetzgebungsweg.

Ein konstruktives Misstrauensvotum ist aufbauend, das heißt, es soll nicht nur etwas abgewählt werden, sondern auch entstehen: eine neue Regierung. Außerdem können nicht einzelne Minister*innen oder der Regierungschef selbst abgewählt werden, sondern die Regierungs muss geschlossen zurücktreten.

Nach einer zwei Drittel Mehrheit ist das Misstrauensvotum durchgesetzt und die Regierung genießt nicht mehr das Vertrauen des Parlaments. Enthaltungen und Nicht-Teilnahmen an der Abstimmung werden dabei als Neinstimme gewertet. Anschließend entlässt der Bundespräsident den Bundeskanzler in reiner Förmlichkeit – denn ein Einspruchsrecht hat er nicht.

Misstrauensvotums in Deutschland

Das erste Misstrauensvotum in Deutschland erfolgte 1972 gegen Willy Brandt, aufgrund der allgemeinen Unzufriedenheit im Parlament mit den Ostverträgen. Mehrere Abgeordnete der FDP und SPD wechselten in die CDU. Der Oppositionsführer Rainer Barzel sah darin die Möglichkeit für einen Regierungswechsel und stellte am 24. April 1972 einen Antrag auf ein Misstrauensvotum. Vor der Abstimmung hatten beide Seiten die Möglichkeit sich zu erklären und verteidigen. 247 Abgeordnete stimmten für den Antrag – 249 wären nötig gewesen, um ihn durchzusetzen. Somit ist das Misstrauensvotum gescheitert und Willy Brandt blieb im Amt.

Genau 10 Jahre später, im Jahr 1982, folgte das zweite Misstrauensvotum in Deutschland gegen Helmut Schmidt. Grund war die Erklärung der FDP, dass sie die Koalition mit der SPD verlassen wollten. Vor allem in der Wirtschaftspolitik herrschte Uneinigkeit darüber, warum vier Minister der FDP das Kabinett verließen. Am ersten Oktober 1982 fand die Abstimmung nach sechsstündiger Debatte statt. Der Gegenkandidat von Helmut Schmidt, Helmut Kohl, gewann und wurde neuer Kanzler.

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