funky-Jobkompass | Frittenfett und Ohrenschwirren: Sommerjob in einer Fast-Food-Kette

Ein Burger und Pommes Frites auf einem roten Untergrund.
Bei Fast Food liegt die Betonung auf ‚fast‘: Ungeduldige Kundschaft und mahnende Chef*innen gehören zum Tagesgeschäft.

Alle wollen sie, nicht jeder genießt sie: Die berühmte erste Arbeitserfahrung. In dieser Rubrik berichten junge Menschen von inspirierenden, skurrilen und unschönen Praktikums- und Nebenjoberfahrungen. Der Sommerjob in einer Fast-Food-Kette hat die Abiturientin Clara ordentlich abgebrüht.

Lena Enders, funky-Jugendreporterin

„Hallo und herzlich willkommen, Ihre Bestellung bitte?“, fragt Clara aufgesetzt fröhlich in den Drive-In-Kopfhörer. Die Bestellung folgt prompt. Von diesem Zeitpunkt an haben die Mitarbeitenden genau zwei Minuten, bis die Bestellung aus dem Fenster in das Auto gereicht werden muss. Wenn die Zeit überschritten wird, schallt ein nervtötendes Piepen durch den Kopfhörer, um zur Eile zu ermahnen.

Direkt nach dem Abitur fing Clara an, bei einer Fast-Food-Kette zu arbeiten, um Geld für eine größere Reise zusammenzusparen. Insgesamt drei Monate hat sie in Tag- und Nachtschichten in der Filiale in einem Gewerbegebiet gearbeitet. An ihrem ersten Tag begrüßt sie der Sohn des Chefs mit den Worten: „Wir sind hier also die einzigen Leute mit Abi.“ Was für ein herablassender Kommentar für alle anderen Mitarbeitenden, dachte Clara. Ihr wurden zwei Polo-Shirts, eine Kappe und eine Schürze in die Hand gedrückt, die von nun an ihre Arbeitskleidung sein würden. Eine Tagschicht bestand aus sechs Arbeitsstunden und einer halben Stunde Pause, die Nachtschichten waren mit zwölf Stunden besonders lang. Wenn man Raucher*in war, hatte man unter der Hand einiges mehr an Pausenzeit, Pech für Clara, denn sie raucht nicht.

In der Küche im Hinterraum gab es neben dem Burger-Board das Chicken-Board für alle Hühnchenprodukte und die Fritteuse. Hier war es nicht nur unglaublich heiß, da die Küche im Gegensatz zum Gästeraum nicht klimatisiert wird, sondern vor allem laut. Hier herrscht ein irrer Geräuschpegel: Durchgehend piepen die Geräte, die Drive-Bestellungen werden per Lautsprecher in der Küche ausgerufen und im Vorderraum dudeln die neusten Charts rauf und runter. „Das Piepen der Fritteuse hat puren Stress ausgelöst und mich bis in meine Träume verfolgt“, erzählt Clara. Im Gästeraum stand sie entweder hinter der Theke – teilweise gleichzeitig mit dem Drive-Kopfhörer auf den Ohren – oder musste den Gästeraum und die Toiletten aufräumen, putzen und Fächer auffüllen.  Schnell begriff sie, dass es vielmehr darum geht, geschäftig zu wirken, als um die Notwendigkeit dieser Aufgaben.

Wenn ein Auto in den Drive-In fährt und du in der Rutsche gefangen bist, hat keiner etwas davon.

Clara

Darüber hinaus gab es eine Liste mit Extra-Aufgaben, die jeden Morgen aufgehängt wurde. „Wenn du neu bist, oder dich mit dem*der Schichleiter*in nicht verstehst, kriegst du die unbeliebten und ekligen Aufgaben zugeteilt“, berichtet Clara. An manchen Tagen kratzte sie Kaugummis vom Parkplatz und nahm zeitgleich Bestellungen über den Drive-Kopfhörer an. Schnell rannte sie hinein, wusch die Hände, bearbeitete die Bestellung und ging danach wieder zurück auf den Parkplatz der Fast-Food-Kette. Es gab Ärger, wenn man die zusätzlichen Aufgaben in der Schicht nicht schaffte – ganz egal, ob man alleine im Verkauf und am Drive war – durch Zauberhand hätte eigentlich noch der Kinderspielplatz aufgeräumt werden sollen. „Wenn ein Auto in den Drive-In fährt und du in der Rutsche gefangen bist, hat keiner etwas davon“, kommentiert Clara sarkastisch.

Die Nachtschichten in der Fast-Food-Kette waren besonders abenteuerlich: Am frühen Abend kommen noch die Gäste aus dem Kino nebenan vorbei, mal ein datendes Pärchen oder eine Gruppe Jugendlicher, doch je weiter der Abend fortschreitet, desto mehr wandelt sich das Klientel. In den frühen Morgenstunden stolperten aus der benachbarten Großraumdisco zombiemäßig die Betrunkenen herein, um sich vor dem Heimweg noch einen Burger reinzuschieben. Nach einiger Zeit kannte Clara die Stammgäste des Clubs: Leute, die so häufig kamen, dass sie bereits beim Betreten der Filiale ihre Bestellungen und Extrawünsche kannte. Jede Schicht wurde wiederum mit Aufräumen, Putzen und dem Leeren der Kasse beendet. Die Freude war groß, endlich nach Hause zu kommen und zu duschen. Der Geruch der Fritteuse ging wochenlang nicht mehr aus den Klamotten raus.

An den Wochenenden war immer ein Security-Mann anwesend, da es mit den alkoholisierten Club-Besucher*innen hin und wieder Tumult gab. Einmal wurde er von einem Betrunkenen angegriffen, jener hat nicht lange gefackelt und den Gast gegen die Glastür gedrückt, woraufhin sie sprang. Clara erzählt, sie sei dabei richtig erschrocken: „Da ist mir ist klar geworden, wie spät nachts ich arbeite und welche zwielichtigen Gestalten um diese Uhrzeit unterwegs sind.“

Wie überarbeitet Clara ausgesehen haben muss, ist ihr bewusst geworden, als ein Kunde eines Tages zwei Menüs bestellte, eins für sich selbst und eins für die Mitarbeiterin. Mit den Worten „Du siehst so angestrengt aus“ reichte er ihr die Tüte zurück. Nett gemeint, aber auch mehr als übergriffig – zumal Clara in den Mittagspausen ein kostenloses Menü bekam. Das Fast Food konnte sie allerdings nach ein paar Wochen nicht mehr sehen.

Wenn ich gerade nichts von den Gästen abbekam, kam es vor, dass der Schichtleiter mich vorführte, sobald er merkte, dass ich die Gäste privat kenne.

Clara

Bei Fast Food liegt die Betonung auf ‚fast‘. Es wird erwartet, dass alles, was die Mitarbeitenden tun, so schnell wie möglich abläuft. Man hat genau zwei Minuten für die Bearbeitung einer Bestellung des Drive-Ins bevor das Piepen auf den Kopfhörern losgeht, was nicht gerade dazu führt, dass man schneller arbeitet. Am Ende des Monats wird die Durchschnittszeit berechnet und besonders schnelle Mitarbeiter*innen wurden für ihren Job ausgezeichnet, doch wer der Zeit nicht entsprach, wurde vom Chef angesprochen. ‚Fast‘ bedeutet auch, dass ungeduldige Kund*innen zum Tagesgeschäft eines Fast-Food-Kette gehören: Es ist keine Seltenheit, Sätze wie „Wenn man halt sonst nichts kann, landet man bei Burger King“ zu hören zu kriegen. „Wenn ich gerade nichts von den Gästen abbekam, kam es vor, dass der Schichtleiter mich vorführte, indem er vor der Kundschaft an meine Extra-Aufgaben erinnerte, sobald er merkte, dass ich die Gäste privat kenne“, erinnert sich Clara.

Trotz all dem betont Clara, dass sie mit einer Menge sehr netter Leute gearbeitet hat. Sie hatte Kontakt mit Menschen, mit denen sie im Alltag sonst wenig Berührungspunkte hat, und das war spannend. Zusammenfassend sagt sie: „Ich habe unglaublichen Respekt vor all denjenigen, die diese Arbeit langfristig machen oder zusätzlich zu ihrem Hauptjob noch Wochenendschichten in der Fast Food-Kette übernehmen. Es war wichtig, diese Erfahrung gemacht zu haben, um zu sehen, wie wenig Handlungsspielraum manche Berufe haben, wie weisungsabhängig oder abhängig du von der Gunst deiner*s Schichtleiter*in sein kannst.“

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