Paul Thomas Andersons Filme haben immer etwas Traumartiges, sie wirken wie eine leicht entrückte Version unserer Welt, in der den kleinen und großen Geschichten dieselbe tiefe Bedeutung zukommt. Sie zeigen Charaktere, die gleichermaßen vertraut und ausgefallen, menschlich und zerrissen sind – nicht zuletzt ist PTA, wie Film-Nerds den US-Amerikaner zu nennen pflegen, deshalb einer der meistgefeierten Regisseure des 21. Jahrhunderts, weil er seine Schauspielenden regelmäßig zu ihren Bestleistungen anspornt. Gemeinsam war seinen Werken bisher auch, dass sie entweder in der Vergangenheit (wie etwa „The Master“ oder „There Will Be Blood“) oder in einer surrealen, nicht näher definierten Zeitebene spielten (etwa „Punch-Drunk Love“ oder „Magnolia“). Dass sich sein zehnter Film nun so nah an unserer Gegenwart bewegt, verleiht ihm eine besondere Dringlichkeit.
(c) Warner Bros.
Im Zentrum von „One Battle After Another“ stehen „Ghetto Pat“ Calhoun (Leonardo DiCaprio), ein ehemaliger Widerstandskämpfer der militanten Gruppe „Fench 75“, und seine Tochter Willa (Chase Infiniti). Nachdem sich Willas Mutter Perfidia (Teyana Taylor), ebenfalls überzeugte „French 75“-Guerilla, nach Mexiko abgesetzt hat und Pat unter falschem Namen untertauchen musste, ist er paranoid und drogenabhängig geworden. In ständiger Panik um seine Tochter fürchtet er die Verfolgung durch Colonel Steven Lockjaw (Sean Penn), der von einem verbitterten Kampf gegen ehemalige „French 75“-Mitglieder besessen ist – und eine schräge Faszination für Perfidia entwickelt hat.
Doch die Prämisse dieses Epos lässt sich, wenn überhaupt, nur unzureichend beschreiben. Eigentlich stecken Ton und Dynamik bereits im Titel: Einen Kampf nach dem anderen haben unsere Protagonist:innen zu bestehen, von einer aussichtslosen Situation stolpern sie in die nächste. Die thematische Kulisse wirkt dabei wie einem aktuellen politischen Feuilleton entnommen: Hochmilitarisierte Polizeieinheiten, die Jagd auf Immigrant:innen machen; geheime Zirkel von „White Supremacy“-Superreichen; Autoritarismus in Verbindung mit fragilen Männeregos. Das mag wie eine plakative Skizze des Trumpschen Amerika und ein wenig all over the place klingen, doch wie in einem Uhrwerk greift hier alles ganz natürlich ineinander und schafft es dennoch, laufend zu überraschen. Und: Im Kern bleibt „One Battle After Another“ eine Vater-Tochter-Geschichte. Das ist ganz großes Drehbuchschreiben.
Dass in den zwei Stunden und 40 Minuten kein einziges Mal Langeweile aufkommt, liegt zudem auch daran, dass der Film auf einer handwerklichen Ebene rundum fantastisch ist: die Kamera, der Schnitt, der atemlose Soundtrack von Jonny Greenwood – man kann sich weder sattsehen noch -hören. Newcomerin Chase Infiniti überzeugt vom ersten Moment an mit ihrer Präsenz, genau wie Teyana Taylor. Sean Penn liefert eine Oscar-würdige Performance als ebenso beängstigender wie lächerlicher, zutiefst verunsicherter und von Hass zerfressener Oberbösewicht. Benicio del Toro ist sowieso immer toll. Und wenn Leonardo DiCaprio noch am wenigsten hervorsticht, mag das wirklich etwas heißen – obwohl er wieder einmal sein komödiantisches Talent unter Beweis stellt.
Benicio del Toro (r.) als Robin-Hood-artiger Karatelehrer ist nur eines der Highlights des Films.
Den gewaltsamen Widerstand zu glorifizieren, den die „French 75“ zu Beginn des Films verfolgt, scheint dabei keineswegs das Ziel von „One Battle After Another“ zu sein. Eindringlich zeigt er, wie Gewalt und Obsession einzelne Menschen und ganze Familien auseinanderreißen – und wie die euphorisierte Stimmung ganz schnell kippt, wenn es zu einem echten Gewaltakt kommt. Dennoch betont Paul Thomas Anderson die Notwendigkeit, aufrecht zu bleiben: sich Diskriminierung unerschrocken entgegenzustellen, Verantwortung zu übernehmen und den Schwachen zu helfen. Denn autoritäre Strukturen tragen immer auch das Potenzial ihrer Selbstzerstörung in sich.
Diese humanistische Botschaft – am schönsten verkörpert durch Benicio del Toros Charakter – und der stellenweise überraschend heitere Ton sorgen für einen Film, der wegen seiner offensichtlichen Parallelen zur Realität bedrückend ist, aber gleichzeitig Hoffnung und Rückgrat propagiert. Vor allem ist „One Battle After Another“ ein unglaublich gut inszenierter Thriller, eine herzzerreißende Familiengeschichte und ein Film, wie er nicht häufig erscheint.
Paul Thomas Andersons Filme haben immer etwas Traumartiges, sie wirken wie eine leicht entrückte Version unserer Welt, in der den kleinen und großen Geschichten dieselbe tiefe Bedeutung zukommt. Sie zeigen Charaktere, die gleichermaßen vertraut und ausgefallen, menschlich und zerrissen sind – nicht zuletzt ist PTA, wie Film-Nerds den US-Amerikaner zu nennen pflegen, deshalb einer der meistgefeierten Regisseure des 21. Jahrhunderts, weil er seine Schauspielenden regelmäßig zu ihren Bestleistungen anspornt. Gemeinsam war seinen Werken bisher auch, dass sie entweder in der Vergangenheit (wie etwa „The Master“ oder „There Will Be Blood“) oder in einer surrealen, nicht näher definierten Zeitebene spielten (etwa „Punch-Drunk Love“ oder „Magnolia“). Dass sich sein zehnter Film nun so nah an unserer Gegenwart bewegt, verleiht ihm eine besondere Dringlichkeit.
Im Zentrum von „One Battle After Another“ stehen „Ghetto Pat“ Calhoun (Leonardo DiCaprio), ein ehemaliger Widerstandskämpfer der militanten Gruppe „Fench 75“, und seine Tochter Willa (Chase Infiniti). Nachdem sich Willas Mutter Perfidia (Teyana Taylor), ebenfalls überzeugte „French 75“-Guerilla, nach Mexiko abgesetzt hat und Pat unter falschem Namen untertauchen musste, ist er paranoid und drogenabhängig geworden. In ständiger Panik um seine Tochter fürchtet er die Verfolgung durch Colonel Steven Lockjaw (Sean Penn), der von einem verbitterten Kampf gegen ehemalige „French 75“-Mitglieder besessen ist – und eine schräge Faszination für Perfidia entwickelt hat.
Doch die Prämisse dieses Epos lässt sich, wenn überhaupt, nur unzureichend beschreiben. Eigentlich stecken Ton und Dynamik bereits im Titel: Einen Kampf nach dem anderen haben unsere Protagonist:innen zu bestehen, von einer aussichtslosen Situation stolpern sie in die nächste. Die thematische Kulisse wirkt dabei wie einem aktuellen politischen Feuilleton entnommen: Hochmilitarisierte Polizeieinheiten, die Jagd auf Immigrant:innen machen; geheime Zirkel von „White Supremacy“-Superreichen; Autoritarismus in Verbindung mit fragilen Männeregos. Das mag wie eine plakative Skizze des Trumpschen Amerika und ein wenig all over the place klingen, doch wie in einem Uhrwerk greift hier alles ganz natürlich ineinander und schafft es dennoch, laufend zu überraschen. Und: Im Kern bleibt „One Battle After Another“ eine Vater-Tochter-Geschichte. Das ist ganz großes Drehbuchschreiben.
Dass in den zwei Stunden und 40 Minuten kein einziges Mal Langeweile aufkommt, liegt zudem auch daran, dass der Film auf einer handwerklichen Ebene rundum fantastisch ist: die Kamera, der Schnitt, der atemlose Soundtrack von Jonny Greenwood – man kann sich weder sattsehen noch -hören. Newcomerin Chase Infiniti überzeugt vom ersten Moment an mit ihrer Präsenz, genau wie Teyana Taylor. Sean Penn liefert eine Oscar-würdige Performance als ebenso beängstigender wie lächerlicher, zutiefst verunsicherter und von Hass zerfressener Oberbösewicht. Benicio del Toro ist sowieso immer toll. Und wenn Leonardo DiCaprio noch am wenigsten hervorsticht, mag das wirklich etwas heißen – obwohl er wieder einmal sein komödiantisches Talent unter Beweis stellt.
Den gewaltsamen Widerstand zu glorifizieren, den die „French 75“ zu Beginn des Films verfolgt, scheint dabei keineswegs das Ziel von „One Battle After Another“ zu sein. Eindringlich zeigt er, wie Gewalt und Obsession einzelne Menschen und ganze Familien auseinanderreißen – und wie die euphorisierte Stimmung ganz schnell kippt, wenn es zu einem echten Gewaltakt kommt. Dennoch betont Paul Thomas Anderson die Notwendigkeit, aufrecht zu bleiben: sich Diskriminierung unerschrocken entgegenzustellen, Verantwortung zu übernehmen und den Schwachen zu helfen. Denn autoritäre Strukturen tragen immer auch das Potenzial ihrer Selbstzerstörung in sich.
Diese humanistische Botschaft – am schönsten verkörpert durch Benicio del Toros Charakter – und der stellenweise überraschend heitere Ton sorgen für einen Film, der wegen seiner offensichtlichen Parallelen zur Realität bedrückend ist, aber gleichzeitig Hoffnung und Rückgrat propagiert. Vor allem ist „One Battle After Another“ ein unglaublich gut inszenierter Thriller, eine herzzerreißende Familiengeschichte und ein Film, wie er nicht häufig erscheint.
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