„Schon komisch, dass einem etwas wehtun kann, das gar nicht mehr da ist“: Es gibt diese Momente, in denen sich die Vergangenheit auf geisterhafte Weise zu wiederholen scheint. Erinnerungen, intrusive Gedanken, die plötzlich durch das Bewusstsein zucken, ohne ihren Ursprung zu verraten. Kinder, die sich an Geschehnisse und Gefühle erinnern, die sie nie erlebt haben. Diese vagen, scheinbar zwischenweltlichen Momente sind keine esoterische Idee: Längst wissen wir, dass etwa Traumata über Generationen weitervererbt werden können. Von all dem erzählt Mascha Schilinski in ihrem neuen Film „In die Sonne schauen“, der bei den Filmfestspielen von Cannes den Preis der Jury gewann.
Das epische Drama spielt auf einem alten Bauernhof in der Altmark im Norden Sachsen-Anhalts – und erzählt von vier Mädchen und jungen Frauen, die dort in vier verschiedenen Zeitebenen leben: Alma wächst zu Zeit des ersten Weltkrieges, Erika während des zweiten Weltkrieges auf. Angelika wiederum erlebt die deutsch-deutsche Teilung während der 1980er-Jahre, während Nelly und ihre ältere Schwester Lenka in unserer Gegenwart von Berlin aus in den alten, leerstehenden Hof ziehen. Die geschichtlichen Hintergründe werden dabei eher zu einer Randnotiz, während der Film ganz direkt aus dem Alltag der Protagonistinnen, aus ihrer Gedanken- und Gefühlswelt erzählt: Alma entwickelt eine diffuse Faszination für den eigenen Tod, Erika verliert sich in einer erotischen Neugierde auf ihren kriegsversehrten Onkel Fritz, während sie den Einmarsch der Roten Armee fürchten muss. Angelika wiederum will eigentlich nur ihrem provinziellen Dasein entfliehen, aber wird von ihrem Onkel Uwe – und von ihrem Cousin Rainer – sexuell ausgebeutet. Und Nelly? Ihre Eltern sind liebevoll, besonnen, eine scheinbar perfekte Familie. Und doch wird sie von Alpträumen und düsteren Gedanken verfolgt, die tief in den alten Mauern des Hofes verankert zu sein scheinen.
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„In die Sonne schauen“ folgt keiner narrativen Struktur, sondern beleuchtet die Schicksale seiner Figuren vielmehr in vignettenartigen Episoden, die zu einer einzigen Entität zerfließen. Dafür inszeniert der Film verschiedene Motive, die sich – mal mehr, mal weniger subtil – durch alle Leben ziehen. Auch die Kamera und besonders das Sounddesign werden zu erzählenden Subjekten, wenn etwa das intergenerationelle Trauma durch ein dröhnendes Rauschen symbolisiert wird, oder sich die Kamera wie ein Ungeheuer von hinten anschleicht. Und immer wieder verschwimmen die Bilder wie Träume, Erinnerungen oder alte Fotografien.
Schilinskis Ansatz ist dabei weniger, dem Publikum Antworten auf existenzielle Fragen zu liefern, als es mit noch mehr Fragen, Phänomenen und Geheimnissen zu konfrontieren. Was etwa ist das ursprüngliche Trauma, das diese Familie über Generationen verfolgt? Gibt es ein solches überhaupt? Oder wurzelt der Schmerz schlicht in den Entbehrungen und grausamen Bedingungen des Landlebens zu Zeiten der beiden Weltkriege – in denen das Dasein von Religion und Aberglauben geprägt war und ein Leben oder ein Körper, insbesondere von Frauen, nur wenig wert waren? Dies zumindest sind die Aspekte, die der Film besonders eindrucksvoll inszeniert.
Ohne Frage: Ein non-linearer Film, der über zweieinhalb Stunden von Tod, Trauma und sexualisierter Gewalt erzählt, und immer wieder einiges Unbehagen auslöst, ist ein ziemlicher Brocken. Doch gleichzeitig findet das Werk Bilder von traumhafter Schönheit und hinterlässt ein nur schwer zu beschreibendes Gefühl von Schwermut, Demut und Verlorenheit – in einer unheimlichen Welt, in der man sich seltsam geborgen fühlt. „In die Sonne schauen“ ist ein durchweg beeindruckender Film, der sich kaum mit anderen Dramen vergleichen lässt, und in jedem Fall lange in den Zuschauenden nachklingen wird.
„In die Sonne schauen“ läuft ab dem 11. September 2025 in den Kinos.
„Schon komisch, dass einem etwas wehtun kann, das gar nicht mehr da ist“: Es gibt diese Momente, in denen sich die Vergangenheit auf geisterhafte Weise zu wiederholen scheint. Erinnerungen, intrusive Gedanken, die plötzlich durch das Bewusstsein zucken, ohne ihren Ursprung zu verraten. Kinder, die sich an Geschehnisse und Gefühle erinnern, die sie nie erlebt haben. Diese vagen, scheinbar zwischenweltlichen Momente sind keine esoterische Idee: Längst wissen wir, dass etwa Traumata über Generationen weitervererbt werden können. Von all dem erzählt Mascha Schilinski in ihrem neuen Film „In die Sonne schauen“, der bei den Filmfestspielen von Cannes den Preis der Jury gewann.
Das epische Drama spielt auf einem alten Bauernhof in der Altmark im Norden Sachsen-Anhalts – und erzählt von vier Mädchen und jungen Frauen, die dort in vier verschiedenen Zeitebenen leben: Alma wächst zu Zeit des ersten Weltkrieges, Erika während des zweiten Weltkrieges auf. Angelika wiederum erlebt die deutsch-deutsche Teilung während der 1980er-Jahre, während Nelly und ihre ältere Schwester Lenka in unserer Gegenwart von Berlin aus in den alten, leerstehenden Hof ziehen. Die geschichtlichen Hintergründe werden dabei eher zu einer Randnotiz, während der Film ganz direkt aus dem Alltag der Protagonistinnen, aus ihrer Gedanken- und Gefühlswelt erzählt: Alma entwickelt eine diffuse Faszination für den eigenen Tod, Erika verliert sich in einer erotischen Neugierde auf ihren kriegsversehrten Onkel Fritz, während sie den Einmarsch der Roten Armee fürchten muss. Angelika wiederum will eigentlich nur ihrem provinziellen Dasein entfliehen, aber wird von ihrem Onkel Uwe – und von ihrem Cousin Rainer – sexuell ausgebeutet. Und Nelly? Ihre Eltern sind liebevoll, besonnen, eine scheinbar perfekte Familie. Und doch wird sie von Alpträumen und düsteren Gedanken verfolgt, die tief in den alten Mauern des Hofes verankert zu sein scheinen.
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„In die Sonne schauen“ folgt keiner narrativen Struktur, sondern beleuchtet die Schicksale seiner Figuren vielmehr in vignettenartigen Episoden, die zu einer einzigen Entität zerfließen. Dafür inszeniert der Film verschiedene Motive, die sich – mal mehr, mal weniger subtil – durch alle Leben ziehen. Auch die Kamera und besonders das Sounddesign werden zu erzählenden Subjekten, wenn etwa das intergenerationelle Trauma durch ein dröhnendes Rauschen symbolisiert wird, oder sich die Kamera wie ein Ungeheuer von hinten anschleicht. Und immer wieder verschwimmen die Bilder wie Träume, Erinnerungen oder alte Fotografien.
Schilinskis Ansatz ist dabei weniger, dem Publikum Antworten auf existenzielle Fragen zu liefern, als es mit noch mehr Fragen, Phänomenen und Geheimnissen zu konfrontieren. Was etwa ist das ursprüngliche Trauma, das diese Familie über Generationen verfolgt? Gibt es ein solches überhaupt? Oder wurzelt der Schmerz schlicht in den Entbehrungen und grausamen Bedingungen des Landlebens zu Zeiten der beiden Weltkriege – in denen das Dasein von Religion und Aberglauben geprägt war und ein Leben oder ein Körper, insbesondere von Frauen, nur wenig wert waren? Dies zumindest sind die Aspekte, die der Film besonders eindrucksvoll inszeniert.
Ohne Frage: Ein non-linearer Film, der über zweieinhalb Stunden von Tod, Trauma und sexualisierter Gewalt erzählt, und immer wieder einiges Unbehagen auslöst, ist ein ziemlicher Brocken. Doch gleichzeitig findet das Werk Bilder von traumhafter Schönheit und hinterlässt ein nur schwer zu beschreibendes Gefühl von Schwermut, Demut und Verlorenheit – in einer unheimlichen Welt, in der man sich seltsam geborgen fühlt. „In die Sonne schauen“ ist ein durchweg beeindruckender Film, der sich kaum mit anderen Dramen vergleichen lässt, und in jedem Fall lange in den Zuschauenden nachklingen wird.
„In die Sonne schauen“ läuft ab dem 11. September 2025 in den Kinos.
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