Meinung

In verklärter Nostalgie: „Das Kanu des Manitu“ Rezension 

Eine Szene aus dem Film "Das Kanu des Manitu" mit den Schauspielern Michael Bully Herbig und Christian Tramitz.
Michael Bully Herbig und Christian Tramitz schlüpfen für „Das Kanu des Manitu“ wieder in alte Rollen.
Jan-Malte Wortmann, funky-Jugendreporter

Das Absurdeste an diesem Film ist, dass er überhaupt gedreht wurde. Michael Bully Herbigs „Der Schuh des Manitu“ lockte 2001 über 11 Millionen Menschen in die Kinos und ist damit bis heute der erfolgreichste deutsche Film aller Zeiten. Aus kommerzieller Sicht erscheint eine Fortsetzung also mehr als logisch.  Allerdings ist ein Vierteljahrhundert später so ziemlich alles daran aus der Zeit gefallen: weiße Menschen, die Native Americans persiflieren, ein versoffen-dümmlicher, stereotyper Grieche, dazu ein über die Maßen klischeebeladener schwuler Charakter mit rosa Federschmuck – zu Recht kann man der Komödie kulturelle Aneignung, Rassismus und Homophobie vorwerfen. 

Solche Problematiken waren mir, wie den meisten anderen auch, als Kind in den 2000er-Jahren kaum bewusst und so habe ich den Film unzählige Male gesehen. Und auch heute noch müsste ich wahrscheinlich zugeben, dass viele Gags aus „Der Schuh des Manitu“ auf einer handwerklichen Ebene gut geschrieben sind. Doch auch Michael Bully Herbig selbst erklärte in verschiedenen Interviews, dass er den Film heutzutage nicht mehr auf diese Weise drehen würde, unter anderem aus Angst vor einer vermeintlichen „Comedy-Polizei“. Die Verwirrung war dementsprechend groß, als mit „Das Kanu des Manitu“ nun doch ein zweiter Teil angekündigt wurde. Und es mehrten sich Befürchtungen: Wird das jetzt die anti-woke Kulturkampf-Komödie à la „Das wird man ja wohl noch sagen dürfen“

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Es geht stetig bergab – und rückwärts 

Die gute Nachricht: In diese reaktionäre Falle ist Herbig nicht getappt. Die schlechte: Wirklich lustig ist der Film trotzdem nicht – und alle Klischees hat er auch nicht abgelegt. Dabei muss ich zugeben, zumindest im ersten Drittel noch positiv überrascht gewesen zu sein. Der Look ist für eine deutsche Komödie ungewöhnlich hochwertig und über den ein oder anderen absurden Wortwitz oder den teilweise gut platzierten Slapstick musste ich dann doch schmunzeln. Lobend erwähnt werden muss unbedingt auch der fantastische Soundtrack von Ralf Wengenmayr, der zwar direkt aus dem ersten Teil übernommen wurde, aber eine tolle Stimmung transportiert und dessen Hauptthema mir seit Tagen nicht mehr aus dem Kopf geht. 

Über seine Laufzeit wird „Das Kanu des Manitu“ jedoch sukzessive immer alberner, bis der letzte Akt nur noch ausgemachter Quatsch ist. Bis dahin sind die besseren Gags noch stumpfer Klamauk, die schlechteren bewegen sich auf Grundschul-Niveau („Hihi, von Bohnen muss man pupsen“). Humoristisches Highlight ist noch Merlin Sandmeyer, der als jüngstes Mitglied der Verbrecherbande im Grunde seine Rolle als Jonas aus „Die Discounter“ wiederholt, aber immerhin ein wenig Frische in das staubige Drehbuch bringt. 

Merlin Sandmeyer als Wolfgang in „Das Kanu des Manitu“. (c) Constantin Film

Denn die meiste Zeit versucht „Das Kanu des Manitu“, genau wie bei der Musik, mit altbekannten Charakteren, Zitaten und ganzen Rückblicken aus dem ersten Teil den Nostalgie-Nerv des Publikums zu kitzeln. So ist alles „Neue“ an diesem Werk eine abgewandelte, nur teilweise noch hohlere Wiederholung von Versatzstücken des ersten Films: Der alte Schatz ist diesmal ein Kanu, das unsterblich macht, und die Ganoven, die unseren Helden stetig auf den Fersen sind, sind noch ein Stückchen dümmer. Dazwischen gibt es so manches Blödel-Lied, von denen aber keines an den schmissigen Hit „Super Perforator“ aus dem ersten Teil heranreicht.

Problem erkannt, aber mangelhaft gelöst 

Bleiben noch die offensichtlichen Ismen des Films. Derer scheinen sich Bully und Co. dieses Mal wenigstens bewusst gewesen zu sein und begegnen ihnen mit einer gewissen Selbstironie („Sagen’s bitte ned ,Indianer‘!“). So wird zumindest versucht, das Problem kultureller Aneignung einigermaßen sensibel zu lösen – die bessere Alternative wäre dennoch gewesen, den Film gar nicht erst zu produzieren.  

Auch gibt es dieses Mal keine Witze, die direkt auf Kosten der Native Americans gehen. Doch als man gerade denkt „Sieh an, sie schaffen es ja doch, ohne sich über Minderheiten lustig zu machen“, wird ein rassistischer Witz über Asiat:innen rausgehauen – betretenes Schweigen im Kinosaal. Auch am völlig verzerrten Rosa-Tutu-Klischee des Homosexuellen Winnetouch hat Bully Herbig überhaupt nichts verändert und ihm nur vorsichtshalber etwas weniger Leinwandzeit beschert. Und dass die Verbrecherbande dieses Mal von einer Frau angeführt wird, wirkt ebenfalls eher kalkuliert: Man mimt ein wenig Zeitgeist, scheint aber nicht besonders überzeugt davon. 

Am Ende von „Das Kanu des Manitu“ bleibt eine leise Erleichterung, dass der Film weniger diskriminierend ist als befürchtet und sich keinem konservativen Kulturkampf anbiedert – was zugegeben kein besonders hoher Anspruch ist. Dennoch bleibt der Film ein Paradebeispiel für kulturelle Rückwärtsgewandtheit, das sein Publikum mit Altbekanntem abzuholen versucht, anstatt irgendetwas Neues zu wagen oder sich kritisch mit der Gegenwart auseinanderzusetzen. Während sich viele nach vermeintlich simpleren Zeiten zurücksehnen, geht diese Strategie auch wunderbar auf: Der Film stieg in Deutschland und Österreich direkt auf Platz 1 der Kinocharts ein. Wer also tollpatschige Cowboys mit sächsischem Akzent und entblößtem Hinterteil zum Schießen komisch findet oder einfach so tun will, als wären die letzten zwei Jahrzehnte nie geschehen, hat mit „Das Kanu des Manitu“ sicherlich großen Spaß. Für alle anderen bleibt nach knapp eineinhalb Stunden Laufzeit vor allem eine Frage: Warum das Ganze? 

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