Es gibt wieder eine neue Portion Wissen zum Mitnehmen und Angeben. Wusstest du, dass viele ehemalige Kolonialmächte noch immer Überseegebiete haben?
Vom ausgehenden Mittelalter bis weit ins 20. Jahrhundert verfolgten viele europäische Länder imperialistische Motive und kolonialisierten weite Teile Afrikas, Asiens, der Karibik oder Südamerika – im Grunde sahen sich die europäischen Königreiche im Recht, die gesamte Welt unter sich aufzuteilen. Unterdrückung, Ausbeutung und Sklaverei waren die Folge für die Bevölkerungen in den Kolonien. Zu den größten Kolonialmächten gehörten Großbritannien, Frankreich und Spanien, aber auch die Niederlande, Portugal, Deutschland und später die USA.
Im Zuge der Dekolonisation erlangten mehr und mehr ehemalige Kolonien ihre Unabhängigkeit, beginnend mit vielen Ländern Südamerikas im 19. Jahrhundert. Mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs kam es zu einer weltweiten Welle von Unabhängigkeitsbestrebungen – und zu vielen gewaltsamen Auseinandersetzungen mit den Kolonialmächten. Im Jahr 1945 waren beispielsweise noch Indien, Indonesien, große Teile des Nahen Ostens und beinahe der gesamte afrikanische Kontinent kolonialisiert. Tatsächlich wurden viele Länder in Afrika und Lateinamerika erst in den 1970er-Jahren und frühen 1980er-Jahren unabhängig.
Auch wenn es heutzutage keine europäischen Kolonien im herkömmlichen Sinne mehr gibt, wollten viele ehemalige Kolonialmächte ihren Einfluss in anderen Teilen der Erde nicht vollständig aufgeben, da dieser häufig mit militärischen oder wirtschaftlichen Vorteilen einhergeht. Bis heute halten unter anderem die USA, Frankreich, Großbritannien und die Niederlande sogenannte Außen- oder Überseegebiete. Deren rechtlicher Status fällt sehr unterschiedlich aus und ist teilweise sehr kompliziert. Da verwundert es nicht, dass sie immer wieder Gegenstand von Konflikten sind. Für die einen gehören diese Gebiete – häufig handelte es sich um Inseln – wie selbstverständlich zum Staatsgebiet des „Mutterlandes“, für andere ist „Überseegebiet“ nur ein Euphemismus für Kolonie. Ein paar Beispiele:
Puerto Rico – Außengebiet der USA
Puerto Rico ist ein Inselstaat in der Karibik mit über 3 Millionen Einwohner:innen. Die ehemalige spanische Kolonie wurde 1898 von den USA im Zuge des Spanisch-Amerikanischen Krieges annektiert und gehört seitdem zum Territorium der Vereinigten Staaten. Das heißt, dass Puerto Rico zwar kein vollwertiger US-Bundesstaat ist – ein souveräner Staat ist es aber auch nicht. Die Puerto Ricaner:innen haben die amerikanische Staatsbürgerschaft, ihre Rechte sind gegenüber den US-Bürger:innen aber eingeschränkt. So dürfen sie etwa nicht an den US-Präsidentschaftswahlen teilnehmen. Puerto Rico hat eine eigene Verwaltung und entsendet einen Delegierten ins Repräsentantenhaus in Washington D.C., doch dieser hat im Kongress kein Stimmrecht. Für viele US-Unternehmen ist Puerto Rico hingegen eine bedeutende Steueroase. In den vergangenen zehn Jahren kam es wiederholt zu Referenden, bei denen die Puerto Ricaner:innen mit einer Mehrheit für die Umwandlung in einen US-Bundesstaat stimmten. Durchgesetzt wurden diese Forderungen nicht.
Zankapfel Falklandinseln
Ein weiteres berühmtes Beispiel sind die Falklandinseln, eine Inselgruppe vor der Küste Argentiniens im südlichen Atlantik – und britisches Überseegebiet. Die Falklandinseln haben zwar eine eigene Verfassung und ein Parlament, Staatsoberhaupt ist aber der britische König Charles III. Auch wenn auf den rund 200 Inseln nur etwa 3000 Menschen leben, sind die Falklandinseln seit sehr langer Zeit ein Streitpunkt zwischen Argentinien und Großbritannien. Bereits seit 1833 erhebt Argentinien Anspruch auf das Gebiet, bis heute formuliert die argentinische Regierung jedes Jahr aufs Neue diese Forderung aus. Im Jahr 1982 entlud sich diese Spannung im kurzen, aber blutigen Falklandkrieg, den die Briten für sich entscheiden konnten. Seither ist Großbritannien mit einer großen militärischen Präsenz auf den Inseln vertreten.
Die niederländische Karibik
Dass die verhältnismäßig kleinen Niederlande einmal die größte Wirtschaftsmacht der Welt waren, wird heute oft vergessen. Im 17. Jahrhundert eroberten sie zahlreiche Kolonien in Lateinamerika und Asien, errichteten überall Handelsstützpunkte und waren maßgeblich am Sklavenhandel beteiligt. Ihr größtes Kolonialreich war das heutige Indonesien, das erst 1949 unabhängig wurde. In der Karibik stehen hingegen nach wie vor gewisse Territorien unter niederländischem Einfluss, namentlich die Inseln Aruba, Bonaire, Curaçao, Saba, Sint Eustatius und Sint Maarten. Alle sechs Territorien gehören zum Königreich der Niederlande, der Grad ihrer Eigenständigkeit ist aber unterschiedlich. So gelten Aruba, Curaçao und Sint Maarten seit 2010 als „autonome Länder innerhalb des Königreichs“, sind jedoch keine souveränen Staaten. Währenddessen gehören Bonaire, Saba und Sint Eustatius als sogenannte „Besondere Gemeinden“ politisch zu den europäischen Niederlanden. Klingt kompliziert? Ist es auch.
Französische Überseegebiete
Ohne Reisepass in die Karibik reisen und vor Ort auch noch mit Euro bezahlen? Das geht – in den französischen Überseegebieten. Dazu gehören etwa Französisch-Guayana, Martinique oder Guadeloupe. Sie sind offiziell Teil des französischen Staatsgebietes und der EU und haben den Euro als Währung. Tatsächlich sind die rund 2,6 Millionen Bewohner:innen der Überseegebiete aber – im Gegensatz beispielsweise zu den Menschen aus Puerto Rico – sowohl für das französische als auch für das EU-Parlament wahlberechtigt.
Was deutlich geworden sein durfte: Die Kolonialzeit erscheint uns wie ein dunkles Kapitel aus längst vergangenen Zeiten – umso absurder ist es, dass so deutliche Relikte des europäischen Imperialismus wie die Überseegebiete heutzutage noch Realität sind. Für die „Mutterländer“ sind sie attraktive Militärstützpunkte, Steueroasen oder Tourismusziele, für die einheimische Bevölkerung gehen sie teilweise mit eingeschränkten Grundrechten und fehlender Souveränität einher. Ihr umstrittener politischer Status wird auch in Zukunft weiter ausgehandelt werden müssen.
Es gibt wieder eine neue Portion Wissen zum Mitnehmen und Angeben. Wusstest du, dass viele ehemalige Kolonialmächte noch immer Überseegebiete haben?
Vom ausgehenden Mittelalter bis weit ins 20. Jahrhundert verfolgten viele europäische Länder imperialistische Motive und kolonialisierten weite Teile Afrikas, Asiens, der Karibik oder Südamerika – im Grunde sahen sich die europäischen Königreiche im Recht, die gesamte Welt unter sich aufzuteilen. Unterdrückung, Ausbeutung und Sklaverei waren die Folge für die Bevölkerungen in den Kolonien. Zu den größten Kolonialmächten gehörten Großbritannien, Frankreich und Spanien, aber auch die Niederlande, Portugal, Deutschland und später die USA.
Im Zuge der Dekolonisation erlangten mehr und mehr ehemalige Kolonien ihre Unabhängigkeit, beginnend mit vielen Ländern Südamerikas im 19. Jahrhundert. Mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs kam es zu einer weltweiten Welle von Unabhängigkeitsbestrebungen – und zu vielen gewaltsamen Auseinandersetzungen mit den Kolonialmächten. Im Jahr 1945 waren beispielsweise noch Indien, Indonesien, große Teile des Nahen Ostens und beinahe der gesamte afrikanische Kontinent kolonialisiert. Tatsächlich wurden viele Länder in Afrika und Lateinamerika erst in den 1970er-Jahren und frühen 1980er-Jahren unabhängig.
Auch wenn es heutzutage keine europäischen Kolonien im herkömmlichen Sinne mehr gibt, wollten viele ehemalige Kolonialmächte ihren Einfluss in anderen Teilen der Erde nicht vollständig aufgeben, da dieser häufig mit militärischen oder wirtschaftlichen Vorteilen einhergeht. Bis heute halten unter anderem die USA, Frankreich, Großbritannien und die Niederlande sogenannte Außen- oder Überseegebiete. Deren rechtlicher Status fällt sehr unterschiedlich aus und ist teilweise sehr kompliziert. Da verwundert es nicht, dass sie immer wieder Gegenstand von Konflikten sind. Für die einen gehören diese Gebiete – häufig handelte es sich um Inseln – wie selbstverständlich zum Staatsgebiet des „Mutterlandes“, für andere ist „Überseegebiet“ nur ein Euphemismus für Kolonie. Ein paar Beispiele:
Puerto Rico – Außengebiet der USA
Puerto Rico ist ein Inselstaat in der Karibik mit über 3 Millionen Einwohner:innen. Die ehemalige spanische Kolonie wurde 1898 von den USA im Zuge des Spanisch-Amerikanischen Krieges annektiert und gehört seitdem zum Territorium der Vereinigten Staaten. Das heißt, dass Puerto Rico zwar kein vollwertiger US-Bundesstaat ist – ein souveräner Staat ist es aber auch nicht. Die Puerto Ricaner:innen haben die amerikanische Staatsbürgerschaft, ihre Rechte sind gegenüber den US-Bürger:innen aber eingeschränkt. So dürfen sie etwa nicht an den US-Präsidentschaftswahlen teilnehmen. Puerto Rico hat eine eigene Verwaltung und entsendet einen Delegierten ins Repräsentantenhaus in Washington D.C., doch dieser hat im Kongress kein Stimmrecht. Für viele US-Unternehmen ist Puerto Rico hingegen eine bedeutende Steueroase. In den vergangenen zehn Jahren kam es wiederholt zu Referenden, bei denen die Puerto Ricaner:innen mit einer Mehrheit für die Umwandlung in einen US-Bundesstaat stimmten. Durchgesetzt wurden diese Forderungen nicht.
Zankapfel Falklandinseln
Ein weiteres berühmtes Beispiel sind die Falklandinseln, eine Inselgruppe vor der Küste Argentiniens im südlichen Atlantik – und britisches Überseegebiet. Die Falklandinseln haben zwar eine eigene Verfassung und ein Parlament, Staatsoberhaupt ist aber der britische König Charles III. Auch wenn auf den rund 200 Inseln nur etwa 3000 Menschen leben, sind die Falklandinseln seit sehr langer Zeit ein Streitpunkt zwischen Argentinien und Großbritannien. Bereits seit 1833 erhebt Argentinien Anspruch auf das Gebiet, bis heute formuliert die argentinische Regierung jedes Jahr aufs Neue diese Forderung aus. Im Jahr 1982 entlud sich diese Spannung im kurzen, aber blutigen Falklandkrieg, den die Briten für sich entscheiden konnten. Seither ist Großbritannien mit einer großen militärischen Präsenz auf den Inseln vertreten.
Die niederländische Karibik
Dass die verhältnismäßig kleinen Niederlande einmal die größte Wirtschaftsmacht der Welt waren, wird heute oft vergessen. Im 17. Jahrhundert eroberten sie zahlreiche Kolonien in Lateinamerika und Asien, errichteten überall Handelsstützpunkte und waren maßgeblich am Sklavenhandel beteiligt. Ihr größtes Kolonialreich war das heutige Indonesien, das erst 1949 unabhängig wurde. In der Karibik stehen hingegen nach wie vor gewisse Territorien unter niederländischem Einfluss, namentlich die Inseln Aruba, Bonaire, Curaçao, Saba, Sint Eustatius und Sint Maarten. Alle sechs Territorien gehören zum Königreich der Niederlande, der Grad ihrer Eigenständigkeit ist aber unterschiedlich. So gelten Aruba, Curaçao und Sint Maarten seit 2010 als „autonome Länder innerhalb des Königreichs“, sind jedoch keine souveränen Staaten. Währenddessen gehören Bonaire, Saba und Sint Eustatius als sogenannte „Besondere Gemeinden“ politisch zu den europäischen Niederlanden. Klingt kompliziert? Ist es auch.
Französische Überseegebiete
Ohne Reisepass in die Karibik reisen und vor Ort auch noch mit Euro bezahlen? Das geht – in den französischen Überseegebieten. Dazu gehören etwa Französisch-Guayana, Martinique oder Guadeloupe. Sie sind offiziell Teil des französischen Staatsgebietes und der EU und haben den Euro als Währung. Tatsächlich sind die rund 2,6 Millionen Bewohner:innen der Überseegebiete aber – im Gegensatz beispielsweise zu den Menschen aus Puerto Rico – sowohl für das französische als auch für das EU-Parlament wahlberechtigt.
Was deutlich geworden sein durfte: Die Kolonialzeit erscheint uns wie ein dunkles Kapitel aus längst vergangenen Zeiten – umso absurder ist es, dass so deutliche Relikte des europäischen Imperialismus wie die Überseegebiete heutzutage noch Realität sind. Für die „Mutterländer“ sind sie attraktive Militärstützpunkte, Steueroasen oder Tourismusziele, für die einheimische Bevölkerung gehen sie teilweise mit eingeschränkten Grundrechten und fehlender Souveränität einher. Ihr umstrittener politischer Status wird auch in Zukunft weiter ausgehandelt werden müssen.
Du willst mehr? Du bekommst mehr!
Der Verein Ossara e.V. bietet Veranstaltungen an, die spannende Ansätze zur Dekolonisierung liefern. Unsere Jugendreporterin…
Raubkunst zeigt, dass Kolonialismus bis heute nicht aufgearbeitet ist. Doch die Kunst ist auch identitätsstiftend…
Last Chance Tourism meint das Reisen an Orte, die wegen der Klimakrise zu verschwinden drohen.…
Starke Frauen, rührende Schicksale und historische Ereignisse – das behandelt Leonie Schöler ("heeyleonie") auf ihren…