Eine Frau mit Verletzungen im Gesicht.
5 funky facts

Fünf Dinge, die andere Länder beim Schutz von Frauen vor Gewalt besser machen

Celina Thümen, funky-Jugendreporterin

Die Zahlen sind erschütternd: Laut dem „Monitor Gewalt gegen Frauen“ werden in Deutschland jeden Tag 367 Frauen Opfer von Partnerschaftsgewalt. Und fast täglich endet Gewalt gegen Frauen in Deutschland tödlich: Das „Lagebild geschlechtsspezifisch gegen Frauen gerichtete Straftaten“ dokumentiert über 360 Femizide im Jahr 2023. Trotz dieser Realität fehlt in Deutschland eine entschlossene, umfassende Strategie, um Betroffenen zu helfen. Schutz ist oft Glückssache – abhängig von den verfügbaren Beratungsstellen am Wohnort, der Einschätzung der lokalen Polizei oder den äußerst begrenzten Kapazitäten der Frauenhäuser.  Andere Länder machen es besser: mit klaren Gesetzen, nationalen Anstrengungen, gebündelten Hilfen oder digitaler Überwachung. Diese fünf Beispiele zeigen, was Deutschland bisher versäumt.

1. Spanien: Elektronische Fußfessel für Täter
In Spanien wird geschlechtsspezifische Gewalt besonders konsequent durch die Regierung bekämpft, das Land ist diesbezüglich europaweit vorbildlich. Eine der zentralen Maßnahmen ist seit 2009 die elektronische Fußfessel für Täter. Sie kommt in Hochrisikofällen zum Einsatz, etwa wenn eine Frau von ihrem Ex-Partner bedroht oder gestalkt wird. Der Täter wird per GPS überwacht, während die betroffene Frau ein Empfangsgerät bei sich trägt. Nähert sich der Täter einem definierten Schutzbereich, schlägt das Gerät Alarm – sowohl bei der Frau als auch direkt bei der Polizei. Die Wirkung ist deutlich: In mehr als 13.000 Fällen wurde das System bisher eingesetzt. Keine der Frauen wurde getötet. Auch in Deutschland soll die elektronische Fußfessel für Gewalttäter künftig endlich bundesweit zur Anwendung kommen – die Innenminister von Bund und Ländern wollen dazu bis Ende des Jahres eine gesetzliche Grundlage im Gewaltschutzgesetz schaffen.

2. Vereinigtes Königreich: Clare’s Law – das Recht auf Auskunft
Das sogenannte „Clare’s Law“ gibt Menschen in England, Wales, Schottland und Nordirland das Recht, bei der Polizei Informationen über einen (Ex-)Partner einzuholen, wenn sie befürchten, dass von dieser Person ein Risiko ausgeht. Auch Angehörige oder Freund:innen können eine Anfrage stellen, wenn sie sich Sorgen machen. Grundlage ist die „right to ask“-Regelung: Die Polizei prüft auf Antrag, ob es in der Vergangenheit Vorfälle von Gewalt gab. Gleichzeitig besteht ein „right to know“: Wenn die Polizei feststellt, dass jemand gefährdet sein könnte, darf sie Betroffene auch ungefragt warnen. Benannt ist das Gesetz nach Clare Wood, die 2009 von ihrem Ex-Partner ermordet wurde. Erst nach ihrem Tod stellte sich heraus, dass er bereits wegen Gewalttaten an mehreren Frauen vorbestraft war – doch Clare wurde nicht informiert. Clares Vater kämpfte jahrelang für eine Gesetzesänderung, die schließlich 2014 zuerst in England und Wales umgesetzt wurde.

3. Frankreich: Eine nationale Strategie gegen Gewalt an Frauen
Mit dem „Grenelle contre les violences conjugales“ hat Frankreich 2019 eine nationale Kraftanstrengung gestartet, um Gewalt gegen Frauen systematisch zu bekämpfen. Im Rahmen der Initiative wurden insgesamt 46 konkrete Maßnahmen beschlossen. Dazu gehören verpflichtende Fortbildungen für Polizei, Justiz und medizinisches Personal, Früherkennungssysteme in Kliniken und Schulen sowie priorisierte Strafverfahren bei häuslicher Gewalt. In vielen Krankenhäusern gibt es inzwischen spezialisierte Einheiten, die betroffene Frauen rund um die Uhr medizinisch und psychologisch betreuen. Sie erhalten außerdem bevorzugten Zugang zu Notunterkünften und sozialem Wohnraum. Gleichzeitig wurden sogenannte „Täterhäuser“ eingeführt: Unterkünfte, in die gewalttätige Männer umgesiedelt werden, damit die Frauen in ihrer Wohnung bleiben können.

4. Italien: Femizid als eigener Straftatbestand
In Italien sollen Femizide – also die Tötungen von Frauen, weil sie Frauen sind – künftig als eigenständiger Straftatbestand im Gesetz verankert werden. Für Femizide ist demnach grundsätzlich eine lebenslange Freiheitsstrafe vorgesehen, statt dazu mühsam nachweisen zu müssen, ob die Tat etwa „besonders grausam“ oder „heimtückisch“ war. Auch Strafen für sexualisierte Gewalt, Stalking oder Drohungen sollen verschärft werden. Obwohl Italien in Fragen der Gleichstellung bisweilen kritisch beäugt wird, liegt die Anzahl der Femizide dort bereits jetzt erheblich unter der in Deutschland: 2023 zählte das Land rund 120 Fälle.

5. Island: Umfassende Hilfe unter einem Dach
Wer in Island wegen häuslicher Gewalt die Polizei ruft, bekommt sofort Beistand von einem ganzen Team: Neben Polizist:innen kümmern sich auch Sozialarbeiter:innen, Ärzte und Ärztinnen sowie Jurist:innen um die Betroffenen. Ziel ist es, die Frauen umfassend in dem Moment zu erreichen, in dem sie am ehesten bereit sind, Unterstützung anzunehmen – unmittelbar nach einem Übergriff. In Reykjavik wurde außerdem das Zentrum „Bjarkarhlíð“ aufgebaut: Ein Ort, an dem gewaltbetroffene Frauen alles Nötige erhalten – ohne weitervermittelt zu werden oder ihre Geschichte mehrfach erzählen zu müssen. Rechtliche Beratung, medizinische Hilfe, psychologische Betreuung: alles unter einem Dach. Diese gebündelte Struktur senkt die Hemmschwelle, sich Hilfe zu suchen.

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Wir haben genug davon, dass die Geschichten immer nur von den Alten erzählt werden. Deswegen haben wir den Stift selbst in die Hand genommen, sind durch die Lande gezogen, haben Geschichten und Menschen gesucht, gefunden und alles aufgeschrieben, was uns untergekommen ist. Wir haben unsere Smartphones und Kameras gezückt und Fotos und Videos gemacht. Auf funky zeigen wir euch die Ergebnisse unserer Recherchen.