Meinung

Hohle Phrasen, schiefe Rhetorik: Friedrich Merz möchte „Klimaschutz, aber ideologiefrei“

Ein Hügel mit mehreren Windrädern. Im Vordergurnd ist eine Straße und ein paar Häuser zu sehen.
Friedrich Merz will den Klimaschutz „ideologiefrei“ vorantreiben – wie das gehen soll, verrät er nicht.
Jan-Malte Wortmann, funky-Jugendreporter

Friedrich Merz meint es ernst mit dem Klimaschutz. Nee, wirklich! Aber bitte, ohne der Wirtschaft oder sonst wem irgendetwas zuzumuten – und vor allem bitte, bitte ohne diese furchtbare grüne Ideologie! Na schön, und wie soll das gehen, Herr Bundeskanzler?

Am 15. Mai saß Merz zum großen Amtsantritts-Talk bei Maybrit Illner im ZDF. Das heißt, er gab sich vor allem als großer Kenner der zahlreichen Herausforderungen, unter denen Deutschland aktuell zu ächzen hat. Dabei war er sich nicht zu schade, an der ein oder anderen Stelle zuzugeben, dass er jetzt auch nicht für alles eine Lösung parat habe: „Ich will gar nicht verhehlen, dass ich noch keine abschließende Antwort habe, weder für die Rentenversicherung noch für die Kranken- und Pflegeversicherung.“ Er ist einfach eine ehrliche sauerländische Haut, unser Bundeskanzler!

An anderer Stelle hingegen ist Friedrich Merz sich seiner Sache sicher, etwa bei der Frage, wie genau Deutschland die geplante Klimaneutralität bis 2045 erreichen wolle: „Wir gehen an dieses Thema anders heran. Wir gehen vor allen Dingen nicht mit dem erhobenen Zeigefinger durchs Land und erklären den Leuten, wie sie heizen müssen, wie sie Autofahren müssen und was sie essen dürfen. Sondern wir sagen: Wir wollen versuchen, dies mit Technologieoffenheit zu begleiten.“ Na super.

Immer schön offenbleiben, Herr Merz

Statt konkreter Ideen gibt es also eine Rutsche Grünen-Bashing und die wohl hohlste aller Phrasen: „Technologieoffenheit“ – was soll das überhaupt bedeuten? Abwarten, bis Carbon Capture and Storage oder die Kernfusion uns alle retten werden? Atomkraft, ja bitte? Oder nochmal evaluieren, ob der gute alte Verbrennungsmotor wirklich so klimaschädlich ist, wie alle sagen? Seit Jahren wird die sogenannte Technologieoffenheit als Lösungsansatz beschworen, ohne jemals zu benennen, für welche Technologien wir denn jetzt bitteschön offen sein sollen. In Merz’ Ausführungen scheint sie vor allem zu bedeuten: Offen bleiben für Altbewährtes.

Hinzu kommt diese Positionierung gegen die vermeintliche Zeigefinger-Mentalität von Klimaschützer:innen, die allen Menschen ihren Lebensstil versauen und all das wegnehmen wollen, was Spaß macht. Diese Einstellung klammert mit den Unternehmen (und den Superreichen) diejenigen aus, die die meisten Treibhausgasemissionen verursachen. Der Wirtschaft soll es schließlich wieder gut gehen unter Merz! Da kann sie doch keine lästigen Vorgaben zum Klimaschutz gebrauchen. Also wird die Klimakrise lieber als Problem der Endverbraucher:innen dargestellt. Und doch hat Merz in einem Punkt Recht: Effektiver Klimaschutz kann nur funktionieren, wenn alle mitgenommen werden. Aber wie soll das gehen, wenn man bloß niemanden mit irgendwelchen Regeln und Gesetzen belästigen will? Einzig auf die Eigenverantwortung von Unternehmen und Bürger:innen zu setzen ist in den vergangenen Jahrzehnten schließlich nicht aufgegangen.

Ideologie? Welche Ideologie?

Es sind Parteien wie die Union, AfD und FDP, die in ihrer Rhetorik Klimaschutz immerzu mit angeblicher Verbotspolitik gleichsetzen. Also lautet ihr Gegenentwurf: Erstmal abwarten und im Zweifel gar nichts machen. Anstatt den Bürger:innen etwas zuzutrauen und ihnen fundiert zu erklären, warum es etwas Gutes ist, manche Dinge heute anders anzugehen als in der Bundesrepublik der 1980er-Jahre, schürt dieses reaktionäre Pochen auf die angeblich ideologische Verbotsdoktrin des politischen Gegners nur weitere Ressentiments gegen jedwede Klimapolitik. Ein schwerwiegender Verdacht: Ist dieses Hetzen gegen grüne Politik womöglich ideologisch fundiert?

Friedrich Merz – oder zumindest sein Social Media-Team – fand sein inhaltsleeres Klima-Statement offenbar so stark, dass es noch einmal auf dem X-Konto des Bundeskanzlers unter der Überschrift „Wir müssen die Klimaziele erreichen. Aber wir machen Klimaschutz ideologiefrei“ geteilt wurde. Wie wichtig ihm diese Ideologiefreiheit ist, hat Merz lang und breit erklärt. Wie ideologiefreier Klimaschutz konkret aussehen soll, nicht. Und dass das Klima eher physikalischen Gesetzen als Ideologien folgt, spielt in derart aufgeblähten Debatten ohnehin keine Rolle mehr.

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