Meinung

Jüdisches Leben ist durch Unwissen bedroht

Wie sicher ist jüdisches Leben in Deutschland?
Wie sicher ist jüdisches Leben in Deutschland?
Celina Otto, funky-Jugendreporterin

Am 8. Mai 2025 jährte sich das Ende des Zweiten Weltkrieges zum 80. Mal. Doch gleichzeitig zeigt sich ein beunruhigender Trend: Das Wissen über den Holocaust nimmt ab – besonders unter jungen Menschen. Eine internationale Umfrage der Jewish Claims Conference ergab, dass in Deutschland fast 40 Prozent der 18- bis 29-Jährigen nicht wissen, dass etwa sechs Millionen Jüdinnen und Juden von den Nationalsozialisten ermordet wurden. 15 Prozent schätzten die Zahl auf unter zwei Millionen und zwei Prozent meinten gar, der Holocaust habe überhaupt nicht stattgefunden. Auch der Vorsitzende des Verbands der Geschichtslehrerinnen und -lehrer, Niko Lamprecht, warnte kürzlich in einem Interview mit der Katholischen Nachrichten-Agentur, dass viele junge Menschen kaum noch Berührungspunkte mit der NS-Zeit hätten – weder durch die Literatur, noch durch Gespräche mit Zeitzeugen und Zeitzeuginnen. Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, sieht in dieser Unkenntnis einen Nährboden für Antisemitismus: „Der besorgniserregende Anstieg antisemitischer verbaler und körperlicher Gewalt hat seine Wurzeln zu einem großen Teil in der Desinformation und dem Mangel an Informationen über den Holocaust“, sagte er.

Tatsächlich haben antisemitische Straftaten in Deutschland in den vergangenen Jahren massiv zugenommen. Im Jahr 2023 wurden 5.164 antisemitische Delikte registriert – darunter 91 Körperverletzungen. 2024 fielen die Zahlen ähnlich hoch aus. Dies ist beinahe eine Verdoppelung gegenüber 2022. Insbesondere nach dem Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 explodierten die antisemitischen Vorfälle in Deutschland regelrecht. Auf Demonstrationen wird Hass verbreitet, Gedenkstätten geschändet und jüdische Menschen bedroht. Ein besonders schockierender Fall ist der des jüdischen Studenten Lahav Shapira, der Anfang 2024 in Berlin-Mitte aus antisemitischer Gesinnung heraus von einem Kommilitonen niedergeschlagen und schwer verletzt wurde.

Dabei ist jüdisches Leben seit mehr als 1.700 Jahren ein Teil der deutschen Geschichte. Seit dem Jahr 321 leben Jüdinnen und Juden nachweislich in Aschkenas, wie das Gebiet des heutigen Deutschlands ursprünglich auf Hebräisch heißt. Über viele Jahrhunderte prägten sie Kunst, Wissenschaft, Kultur und Wirtschaft – trotz wiederholter Ausgrenzung und Verfolgung. Mit dem systematischen Mord an Jüdinnen und Juden im Zweiten Weltkrieg wurde ein Zivilisationsbruch begangen, der niemals vergessen werden darf. Heute leben wieder fast hunderttausend jüdische Menschen in Deutschland. Es sollte selbstverständlich sein, dass sie zur Gegenwart und Zukunft dieses Landes gehören.

Doch „… das Zeitfenster für jüdisches Leben in Deutschland wird sich schließen“, wie Uwe Becker, Staatssekretär und Beauftragter der Hessischen Landesregierung für Jüdisches Leben und den Kampf gegen Antisemitismus, bei einer Veranstaltung der Evangelischen Allianz kürzlich sagte: „Es ist nicht fünf vor zwölf, es ist bereits zehn nach zwölf!“ Wir dürfen nicht zulassen, dass Desinteresse und Unwissen den Boden für neuen Hass bereiten. Jüdisches Leben in Deutschland muss geschützt und gefördert werden. Es reicht nicht, „nie wieder“ zu sagen – wir müssen es leben. In den Schulen, in den Medien, in der politischen Bildung und im Alltag. Wir alle – als Gesellschaft – stehen in der Pflicht, Antisemitismus, Geschichtsvergessenheit und Gleichgültigkeit entschieden entgegenzutreten.

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Wir haben genug davon, dass die Geschichten immer nur von den Alten erzählt werden. Deswegen haben wir den Stift selbst in die Hand genommen, sind durch die Lande gezogen, haben Geschichten und Menschen gesucht, gefunden und alles aufgeschrieben, was uns untergekommen ist. Wir haben unsere Smartphones und Kameras gezückt und Fotos und Videos gemacht. Auf funky zeigen wir euch die Ergebnisse unserer Recherchen.