Interview

Synchronsprecherin Maximiliane Häcke: „Ich glaube nicht, dass menschliche Stimmen komplett ersetzt werden“

Maximiliane Häcke
Maximiliane Häcke sammelte bereits als Kind erste Erfahrungen im Synchronsprechen.

Janna Kühne, funky-Redakteurin

Sucht man eine Gemeinsamkeit zwischen der ZDF-Kinderserie „Kikaninchen“, dem Arthouse-Film „Blau ist eine warme Farbe“ und der Zeichentrickserie „Dragon Ball“, so ist es Maximiliane Häcke, auch Maxi genannt. In allen Produktionen lieh die 36-jährige Synchronsprecherin einer Figur ihre Stimme. Überhaupt ist alles, was die Stimme angeht, Maxis Spezialgebiet, wie sie in ihren Podcasts „Feuer und Brot“ und „Rekorder – das Hörspielmagazin“ sowie zahlreichen Hörbüchern regelmäßig unter Beweis stellt. Im Interview spricht sie über die Entstehung einer Synchronaufnahme und erklärt, wieso die Synchronbranche durch die KI momentan vor einer großen Herausforderung steht.

Liebe Maxi, wie bist du Synchronsprecherin geworden?
Maximiliane Häcke: Ich habe schon als Kind angefangen. Es gibt immer Bedarf an Kinderstimmen, sei es für einzelne Sätze oder Hintergrundgeräusche – zum Beispiel Kinder, die auf einem Schulhof spielen. Ich erinnere mich auch an Aufnahmen für Horrorfilme, bei denen ich nicht auf den Bildschirm schauen durfte, weil es zu gruselig war. Mit elf Jahren hatte ich dann meine erste richtige Rolle in „Dragon Ball“ – und habe dabei wahnsinnig viel gelernt. In diesem Job wächst man ins Handwerk hinein. Während der Schulzeit hatte ich regelmäßig Synchronjobs, und nach dem Abi habe ich Schauspiel- und Gesangsunterricht genommen. Eigentlich wollte ich Schauspielerin werden, war auch kurz an einer Schauspielschule in Köln. Dann bekam ich eine große Synchronrolle in der Kindersendung Kikaninchen und zog deshalb nach Berlin. Seitdem mache ich genau das: Synchron, Hörbuch, Werbung – einfach alles, was mit Stimme zu tun hat.

Wie läuft eine Synchronaufnahme in der Regel ab?
In einem Synchronstudio. Wir sind in der Regel zu viert: Eine Person macht die Regie, eine andere sitzt am Mischpult und kümmert sich um die Tonqualität, und dann gibt es noch jemanden für den Schnitt, der darauf achtet, dass die Lippenbewegungen zur Aufnahme passen. Wir schauen uns gemeinsam kleine Filmabschnitte an, sogenannte Takes. Das kann ein ganzer Satz sein, manchmal aber auch nur ein Lachen oder ein Atemzug. Und dann muss alles sitzen – die Betonung, die Emotion, die Länge. Wenn’s schlecht läuft, haben alle etwas zu kritisieren und man muss noch mal ran. Besonders knifflig wird es, wenn alle unterschiedliche Dinge wollen: Der Cutter will mehr Länge, die Regie noch ein Wimmern, und die Tonmeisterin findet, es könnte lauter sein. Viele unterschätzen, wie viel Multitasking dieser Job erfordert.

Maximiliane Häcke

Wie lange dauert es, einen Take aufzunehmen?
Das ist unterschiedlich. Für einen Blockbuster wie „Fluch der Karibik“ feilt man ewig an den Dialogen, aber manchmal sitzt ein Take auch sofort. Es kommt auf die Rolle, die Sprache und die Erfahrung an. Englisch ist leichter als eine Sprache, die weit vom Deutschen entfernt ist, weil dann die Lippenbewegungen schwieriger sind. Im Schnitt macht man jeden Take dreimal. Ein ganzer Film dauert ungefähr drei Wochen. Manchmal geht es aber auch schneller oder dauert länger, je nach Dialoglastigkeit.

Liest du vorher das Drehbuch oder siehst dir den Film an?
Leider selten. Wir hätten ja auch gar keine Zeit, die ganzen Serien vorher zu schauen. Deswegen ist es wichtig, dass die Regie uns gut in die Szene einführt und erklärt, worauf es ankommt.

Welche Rolle hast du besonders gern gesprochen?
Mein Kikaninchen! Das ist ein echtes Herzensprojekt. Von meinen Synchronrollen mochte ich „Derby Girl“ sehr, weil die Serie einfach lustig ist. Aber auch große Kinofilme machen Spaß. In „Bridgerton“ habe ich Eloise gesprochen, in „Black Panther“ Shuri. Und „Blau ist eine warme Farbe“ war für mich ein Schlüsselmoment, weil ich damals neu in Berlin war und mit dieser Rolle zeigen konnte, was ich kann.

Setzt du deine Synchronstimmen auch privat ein?
Manchmal. Mein kleiner Sohn bekommt hier und da die Kikaninchen-Stimme zu hören – aber ich glaube, er hat noch nicht gecheckt, dass ich das bin.

Wie beeinflusst KI die Synchronbranche? Ist sie eine Bedrohung?
Definitiv. Es ist unklar, ob es in ein paar Jahren überhaupt noch genug Jobs für Synchronsprecherinnen und Synchronsprecher gibt. Große Streamingdienste wollen Geld sparen, wie es überall der Fall ist. Manche Firmen drängen Leute, ihre Stimme für KI-Trainings herzugeben. Auch in der Gamingbranche passiert das schon. Die Technik ist noch nicht perfekt, aber sie entwickelt sich schnell. Eine KI kann zwar einen Text sprechen, aber Emotionen, Nuancen und echte Gefühle fehlen. Trotzdem setzen einige Unternehmen sie bereits ein. Vor Kurzem gab es eine KI-synchronisierte Serie, „Murderesses“, die nach Kritik an der schlechten Qualität wieder aus dem Programm genommen wurde. Das zeigt: Wenn Menschen sich beschweren, kann das einen Unterschied machen.

Was kann eine Synchronsprecherin oder ein Synchronsprecher gegen die KI unternehmen?
Zusammenhalten – auch international. Und die Zuschauenden sollten sich bewusst für von Menschen synchronisierte Inhalte entscheiden. Wenn eine KI-Synchro schlecht ist, sollte man das dem Anbieter mitteilen. Zudem sollten wir uns breiter aufstellen und andere Bereiche der Stimmarbeit mitdenken, um nicht von einer Technik verdrängt zu werden, die sich rasant entwickelt.

Hast du ein Ritual zur Stimmregeneration?
Ganz simpel: Ich halte die Klappe! Außerdem gibt es Entspannungsübungen, die helfen. Aber mit einem anderthalbjährigen Kind singe ich den ganzen Morgen – mein Tag fängt sowieso früh an!

Kannst du als Synchronsprecherin gut Lippen lesen?
Ja, total! Ich kann oft erraten, was Leute im Fernsehen sagen, wenn der Ton aus ist. Beim Fußball ist das zum Beispiel superpraktisch!

Was ist das Schwierigste beim Hörbuchsprechen?
Dranbleiben und lange konzen­triert sprechen. Man redet sich wirklich den Mund fusselig. Wichtig ist auch, beim Sprechen einen schönen Flow zu finden, damit es sich gut anhört.

Was rätst du jemandem, der Synchronsprecherin oder Synchronsprecher werden möchte?
Der Job ist toll, aber gerade eine Herausforderung. Wer es versuchen will, sollte über die Schauspielerei einsteigen. Eine schöne Stimme allein reicht nicht – man braucht Musikalität, Rhythmusgefühl und ein gutes Sprachgefühl. Und: Viel lesen! Ich glaube nicht, dass menschliche Stimmen komplett ersetzt werden, aber es ist klug, sich breiter aufzustellen und verschiedene Möglichkeiten der Stimmarbeit auszuprobieren.

Du willst mehr? Du bekommst mehr!

Wir haben genug davon, dass die Geschichten immer nur von den Alten erzählt werden. Deswegen haben wir den Stift selbst in die Hand genommen, sind durch die Lande gezogen, haben Geschichten und Menschen gesucht, gefunden und alles aufgeschrieben, was uns untergekommen ist. Wir haben unsere Smartphones und Kameras gezückt und Fotos und Videos gemacht. Auf funky zeigen wir euch die Ergebnisse unserer Recherchen.