Meinung

Dark Romance: düster, erotisch … grenzüberschreitend?

Eine junge Frau sitzt in einem düsteren Raum und liest in einem schwarzen Buch, das sie von unten anzuleuchten scheint.
Dark Romance scheint bei jungen Lesenden einen besonderen Nerv zu treffen. Aber ist das Genre problematisch?
Jule Noike, funky-Jugendreporterin

Bücher mit schwarzen Covern, oft verziert mit Rosen, Totenköpfen oder männlichen Oberkörpern, füllen längst eine ganze Regalwand in vielen Buchhandlungen. Die „Dark Romance“-Geschichten, die sich dahinter verbergen, sind derzeit besonders bei jungen Lesenden sehr beliebt. Doch dieser Trend ist nicht ausschließlich positiv zu sehen.

Wer sich auf TikTok oder Instagram umschaut, findet zahlreiche Accounts mit teilweise Tausenden Followern, auf denen junge Menschen Leseempfehlungen teilen. Besonders häufig halten die Lesenden hierbei „Dark Romance“-Bücher in die Kamera. Diese Liebesgeschichten zeichnen sich durch moralisch fragwürdige Charaktere, Erotik und Themen wie Gewalt, Missbrauch und Traumata aus.

Aufgrund expliziter Szenen der angesprochenen Themen sind junge Erwachsene zwischen 18 und 30 Jahre die Zielgruppe des Genres. Und dank der unübersehbaren Präsenz in den sozialen Medien greifen diese tatsächlich immer öfter zu Dark Romance-Büchern. Schließlich ist im Zeitalter des ständigen Daddelns am Handy jeder Griff zum Buch statt zum Handy ein Erfolg – oder?

So erfreulich dieser Trend, zum Buch zu greifen, auch ist: Ganz egal ist die Auswahl der Lektüre dann doch nicht. Kritikerinnen und Kritiker des Genres werfen Dark Romance-Autorinnen und -Autoren vor, in ihren Büchern toxische Beziehungen und Gewalt zu verherrlichen. Fans der Bücher argumentieren, dass am Anfang der Geschichten eine Triggerwarnung stehe, die auf grenzwertige und somit potenziell triggernde Inhalte aufmerksam mache. Doch abgesehen von der Tatsache, dass längst nicht in jedem Dark Romance-Buch eine Triggerwarnung zu finden ist, sucht man hier ebenfalls vergeblich nach Hinweisen zu Stereotypen oder unrealistischen Schönheitsidealen. In vielen der Dark Romance-Bücher wird das Klischee „Junge, naive Frau verliebt sich in starken Mann“ bedient und kann ebenso ein Trigger für das Selbstwertgefühl der Lesenden sein, wie das Thematisieren von Gewalt eine mögliche Belastung darstellt.

Grundsätzlich ist es wichtig, Tabuthemen wie toxischen Beziehungen mehr Aufmerksamkeit zu widmen. Schließlich kann man niemanden davor warnen, ein solches Verhältnis einzugehen, wenn die meisten Menschen kaum über die Anzeichen einer ungesunden Beziehung aufgeklärt sind.

Ein weiterer Kritikpunkt: Die „Dark Romance“-Bücher gelangen zunehmend in die Hände von Jugendlichen, die selbst vielleicht noch nie eine Beziehung geführt haben, zu der sie die gelesenen Inhalte in Relation setzen könnten. Viele Buchhandlungen berichten von 12- bis 14-Jährigen, die sich besonders für dieses Genre interessieren. Eignen sich Geschichten über Männer, die ihre Partnerinnen für „Ungehorsam“ mit Schlägen bestrafen, als prägende literarische Erfahrung mit der romantischen Liebe? Sollten Gewalt und die stereotypische Rollenverteilungen für Jugendliche zum Maßstab für eine gesunde Beziehung werden? Wohl kaum.     

Der Dark Romance-Community zufolge ist es entscheidend, Fiktion und Realität zu trennen. Allerdings ist es mehr als fraglich, inwiefern die Zwölfjährige, die vor meinen Augen in der Buchhandlung auch nach wiederholten Hinweisen der Buchhändlerin bezüglich der Altersempfehlung ein Dark Romance-Buch gekauft hat, diese Trennung vollzieht.

Die Suche nach einem Verantwortlichen dafür, dass Dark Romance nicht mehr nur von der eigentlichen Zielgruppe gekauft und gelesen wird, gestaltet sich schwierig.

Tragen die Verlage die Hauptschuld, weil sie die sozialen Netzwerke bewusst nutzen, um ihre Reichweite zu vergrößern? Oder die Buchhandlungen, in denen die Büchertische mit Dark Romance-Büchern teils direkt neben der Jugendbuchabteilung aufgebaut sind? Oder doch die Lesenden selbst, die Altersempfehlungen und Triggerwarnungen ignorieren?

Fakt ist, dass auch erwachsene Leserinnen und Leser des Genres durch immer lebensechtere Charakterkarten und Hörbücher dazu verleitet werden, die häufig toxischen Geschichten mit der Wirklichkeit zu vermischen – und somit zu vergessen, dass Dark Romance-Bücher trotz der moralischen Grenzüberschreitungen eine Grenze niemals überschreiten sollten: Teil der Realität zu werden.

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Wir haben genug davon, dass die Geschichten immer nur von den Alten erzählt werden. Deswegen haben wir den Stift selbst in die Hand genommen, sind durch die Lande gezogen, haben Geschichten und Menschen gesucht, gefunden und alles aufgeschrieben, was uns untergekommen ist. Wir haben unsere Smartphones und Kameras gezückt und Fotos und Videos gemacht. Auf funky zeigen wir euch die Ergebnisse unserer Recherchen.