Jule Noike, funky-Jugendreporterin
Im Zeitalter der sozialen Medien ist Lesen längst kein einsames Hobby mehr. Auf Instagram und TikTok gibt es eigene Communitys („Bookstagram“ und „BookTok“), in der Lesende über Bücher bloggen. Fester Bestandteil vieler Accounts: perfekt inszenierte Fotos, Reels von Leseabenden und die Challenge, jeden Monat eine bestimmte Anzahl Bücher zu lesen. Bei all der Ästhetik kommt die Frage auf, wie sehr es auf Bookstagram noch um das geht, was hinter den pastellfarbenen Buchcovern steckt. Julia Holz zählt mit ihrem Account @julezreads zu den größten deutschsprachigen Buchbloggerinnen und spricht im Interview über Farbschnitte, Hypes und Leseziele.
Liebe Julia, was war deine erste Berührung mit Bookstagram?
Julia Holz: In meiner Erinnerung habe ich schon immer gelesen und selbst als ich es nicht konnte, habe ich mir Geschichten ausgedacht. Das Lesen war nie aus meinem Leben wegzudenken. Dennoch hatte ich zuerst keinerlei Berührungspunkte mit der Online-Buch-Bubble – ich wusste schlicht nicht, dass sie existiert. Bis meine Mama mir Heiligabend 2019 ein Foto von einem bunten Bücherregal zeigte und sagte: „Schau mal, hier gibt es ganz viele Leute, die über Bücher bloggen. Wäre das nicht was für dich?“
Und was hat dich dazu gebracht, deinen eigenen Account ins Leben zu rufen?
Es war tatsächlich eine sehr spontane Entscheidung, den Account zu gründen. Am gleichen Tag noch habe ich mir ein Profil angelegt. Damals hatte ich noch keine Ahnung, wie mein Content eigentlich aussehen sollte. Ich wusste nicht, wie man fotografiert oder Fotos belichtet und bearbeitet. Ich wollte einfach nur Teil der Community sein!
Als du mit dem Bloggen begonnen hast, stand auch Bookstagram noch am Anfang. Was hat sich auf der Plattform seitdem verändert?
So einiges hat sich verändert. Ich beobachte ganz glücklich, wie viel größer die Community geworden ist, wie viele Leute scheinbar das Lesen für sich entdecken. Zu Schulzeiten war es für mich ein Hobby, das Mitschüler eher belächelt haben. Jetzt gibt es da so viele Menschen, die die gleiche Leidenschaft teilen und richtig stolz darauf sind. Durch die Flut an Inhalten – gerade auch durch die Instagram-Reels – ist der Austausch für mein Empfinden jedoch etwas weniger und dafür schnelllebiger geworden, was ich persönlich sehr schade finde.
Du hast gerade die Instagram-Reels angesprochen. Siehst du darin ein Problem, gerade für Buchblogger:innen, die überwiegend Bilder teilen?
Lange Zeit habe ich die Reels schon als Bedrohung für die Community wahrgenommen. Als ich beispielsweise damals, als die Funktion neu war, ein Reel teilte, das viral ging, kamen viele neue, auch internationale Personen auf meinen Account. Schnell hatte ich das Gefühl, viele davon waren gar nicht für das Bücher-Thema oder den Austausch da. Das fand ich so beängstigend, dass ich erstmal gänzlich mit Reels aufgehört habe. Mittlerweile sehe ich es eher als Chance, um noch mehr Personen mit Buchtipps zu erreichen. Dennoch stehe ich der Schnelllebigkeit des Formats kritisch gegenüber.
In den letzten Jahren sind „Goodies“, also kleine Extras die einem Buch beiliegen, zur Normalität geworden. Am beliebtesten sind Farbschnitte und Charakterkarten. Was hat man sich darunter vorzustellen?
Man bezeichnet es als „Farbschnitt“, wenn der Buchschnitt, das heißt die Buchseiten, die man von einem zugeklappten Buch seitlich sieht, bunt gestaltet sind. Das kann einfarbig oder gemustert sein. „Charakterkarten“ sind kleine Karten, auf denen die Hauptfiguren der Geschichte künstlerisch hochwertig dargestellt werden.
Wie stehst du zu diesem Thema?
Es ist vielleicht eine unbeliebte Meinung, aber ich persönlich bräuchte solche Goodies nicht unbedingt. Klar, eine hübsche Gestaltung spricht mich an und Charakterkarten finde ich meistens sehr schön. Ausschlaggebend für den Kauf eines Buches bleibt für mich aber definitiv der Klappentext, also der Inhalt.
Social Media steht für Aktualität und Schnelllebigkeit. Auch auf Bookstagram liegt der Fokus stets auf Neuerscheinungen. Fühlst du dich als Buchbloggerin unter Druck gesetzt, die aktuellsten Bücher lesen zu müssen?
Ja, in gewisser Weise schon. Als Buchbloggerin sehe ich es ein wenig als meine Pflicht an, „up to date“ zu bleiben und eben gerade die Bücher zu besprechen, für die die Leute sich aktuell interessieren. Andererseits ist das für mich nichts Negatives, denn meistens bin ich ebenso aufgeregt auf die Neuerscheinungen.
Was machst du, wenn ein viel diskutiertes Buch dich nicht anspricht? Liest du es trotzdem, um mitreden zu können?
Wenn ein Buch viel besprochen wird, aber es mich inhaltlich nicht anspricht, lese ich es auch nicht. Soweit kann ich meinen eigenen Buchgeschmack zum Glück einschätzen.
Nimmst du einen Unterschied bei der Anzahl an Likes und Kommentaren wahr, wenn du einen Beitrag zu einem weniger populären oder älteren Buch postest?
Definitiv! Gehypte, also besonders beliebte und bekannte Bücher, erhalten in Feed-Beiträgen weitaus mehr Resonanz als unbekannte Bücher. Das liegt vermutlich daran, dass ein Like leichter geklickt wird, wenn das gezeigte Buch positive Gefühle in einem auslöst.
Wenn wir schon beim Thema Zahlen sind, setzt du dir ein Leseziel für einen Monat oder ein Jahr?
Ich setze mir nun seit vier Jahren das Leseziel, 80 Bücher im Jahr zu schaffen. Bislang sind es dann immer 90 geworden. Dieses Jahr ist es das erste Mal, dass ich meinem Ziel hinterherhänge und es nicht schaffen könnte.
Stört es dich, wenn du dein Leseziel nicht erreichst?
Anfangs hat es mich schon gewurmt, dass ich meinem Leseziel aktuell hinterherhänge. Dann habe ich mir aber bewusst gemacht, dass es im Endeffekt nur eine Zahl ist und es ebenso okay wäre, würde ich nur zehn Bücher im Jahr schaffen. Lesen soll schließlich in erster Linie Spaß und keinen Druck machen.
Schaffst du es, beim Lesen die Gedanken über Hypes, Zahlen und Leseziele abzuschalten?
Solche Gedanken mache ich mir beim Lesen tatsächlich gar keine. Was mich manchmal jedoch beschäftigt, ist die Rezension: Wie viele Sterne werde ich dem Buch geben? Wie kann ich meine Kritik erklären? Werden die Leute es verstehen, dass ich dieses (gehypte) Buch vielleicht nicht so mochte?
Würdest du Bookstagram als toxisch bezeichnen?
Ich würde Bookstagram nicht als toxisch bezeichnen. Persönlich bewege ich mich in Kreisen, die unglaublich liebevoll, positiv und unterstützend miteinander umgehen. Auch von meiner Community erhalte ich wertschätzendes Feedback, sodass ich mich stets wohlfühlen kann. Sicherlich gibt es wie in jeder Branche Schattenseiten, aber das überwiegt für mein Empfinden nicht das Potential von Bookstagram.
Hast du einen Tipp für alle, die vielleicht mit Bookstagram anfangen wollen?
Ich finde, man sollte Bookstagram nur dann anfangen, wenn man richtig Lust auf den Austausch über Bücher hat. Daher mein Tipp Nummer eins: Sucht den Austausch. Dafür gibt es so viele Möglichkeiten: Bei anderen kommentieren, sie direkt anschreiben, auf dem eigenen Account zur Kommunikation anregen. Denn das ist es ja am Ende, was die Community so toll macht.
Du willst mehr? Du bekommst mehr!
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Liebe Julia, was war deine erste Berührung mit Bookstagram?
Julia Holz: In meiner Erinnerung habe ich schon immer gelesen und selbst als ich es nicht konnte, habe ich mir Geschichten ausgedacht. Das Lesen war nie aus meinem Leben wegzudenken. Dennoch hatte ich zuerst keinerlei Berührungspunkte mit der Online-Buch-Bubble – ich wusste schlicht nicht, dass sie existiert. Bis meine Mama mir Heiligabend 2019 ein Foto von einem bunten Bücherregal zeigte und sagte: „Schau mal, hier gibt es ganz viele Leute, die über Bücher bloggen. Wäre das nicht was für dich?“
Und was hat dich dazu gebracht, deinen eigenen Account ins Leben zu rufen?
Es war tatsächlich eine sehr spontane Entscheidung, den Account zu gründen. Am gleichen Tag noch habe ich mir ein Profil angelegt. Damals hatte ich noch keine Ahnung, wie mein Content eigentlich aussehen sollte. Ich wusste nicht, wie man fotografiert oder Fotos belichtet und bearbeitet. Ich wollte einfach nur Teil der Community sein!
Als du mit dem Bloggen begonnen hast, stand auch Bookstagram noch am Anfang. Was hat sich auf der Plattform seitdem verändert?
So einiges hat sich verändert. Ich beobachte ganz glücklich, wie viel größer die Community geworden ist, wie viele Leute scheinbar das Lesen für sich entdecken. Zu Schulzeiten war es für mich ein Hobby, das Mitschüler eher belächelt haben. Jetzt gibt es da so viele Menschen, die die gleiche Leidenschaft teilen und richtig stolz darauf sind. Durch die Flut an Inhalten – gerade auch durch die Instagram-Reels – ist der Austausch für mein Empfinden jedoch etwas weniger und dafür schnelllebiger geworden, was ich persönlich sehr schade finde.
Du hast gerade die Instagram-Reels angesprochen. Siehst du darin ein Problem, gerade für Buchblogger:innen, die überwiegend Bilder teilen?
Lange Zeit habe ich die Reels schon als Bedrohung für die Community wahrgenommen. Als ich beispielsweise damals, als die Funktion neu war, ein Reel teilte, das viral ging, kamen viele neue, auch internationale Personen auf meinen Account. Schnell hatte ich das Gefühl, viele davon waren gar nicht für das Bücher-Thema oder den Austausch da. Das fand ich so beängstigend, dass ich erstmal gänzlich mit Reels aufgehört habe. Mittlerweile sehe ich es eher als Chance, um noch mehr Personen mit Buchtipps zu erreichen. Dennoch stehe ich der Schnelllebigkeit des Formats kritisch gegenüber.
In den letzten Jahren sind „Goodies“, also kleine Extras die einem Buch beiliegen, zur Normalität geworden. Am beliebtesten sind Farbschnitte und Charakterkarten. Was hat man sich darunter vorzustellen?
Man bezeichnet es als „Farbschnitt“, wenn der Buchschnitt, das heißt die Buchseiten, die man von einem zugeklappten Buch seitlich sieht, bunt gestaltet sind. Das kann einfarbig oder gemustert sein. „Charakterkarten“ sind kleine Karten, auf denen die Hauptfiguren der Geschichte künstlerisch hochwertig dargestellt werden.
Wie stehst du zu diesem Thema?
Es ist vielleicht eine unbeliebte Meinung, aber ich persönlich bräuchte solche Goodies nicht unbedingt. Klar, eine hübsche Gestaltung spricht mich an und Charakterkarten finde ich meistens sehr schön. Ausschlaggebend für den Kauf eines Buches bleibt für mich aber definitiv der Klappentext, also der Inhalt.
Social Media steht für Aktualität und Schnelllebigkeit. Auch auf Bookstagram liegt der Fokus stets auf Neuerscheinungen. Fühlst du dich als Buchbloggerin unter Druck gesetzt, die aktuellsten Bücher lesen zu müssen?
Ja, in gewisser Weise schon. Als Buchbloggerin sehe ich es ein wenig als meine Pflicht an, „up to date“ zu bleiben und eben gerade die Bücher zu besprechen, für die die Leute sich aktuell interessieren. Andererseits ist das für mich nichts Negatives, denn meistens bin ich ebenso aufgeregt auf die Neuerscheinungen.
Was machst du, wenn ein viel diskutiertes Buch dich nicht anspricht? Liest du es trotzdem, um mitreden zu können?
Wenn ein Buch viel besprochen wird, aber es mich inhaltlich nicht anspricht, lese ich es auch nicht. Soweit kann ich meinen eigenen Buchgeschmack zum Glück einschätzen.
Nimmst du einen Unterschied bei der Anzahl an Likes und Kommentaren wahr, wenn du einen Beitrag zu einem weniger populären oder älteren Buch postest?
Definitiv! Gehypte, also besonders beliebte und bekannte Bücher, erhalten in Feed-Beiträgen weitaus mehr Resonanz als unbekannte Bücher. Das liegt vermutlich daran, dass ein Like leichter geklickt wird, wenn das gezeigte Buch positive Gefühle in einem auslöst.
Wenn wir schon beim Thema Zahlen sind, setzt du dir ein Leseziel für einen Monat oder ein Jahr?
Ich setze mir nun seit vier Jahren das Leseziel, 80 Bücher im Jahr zu schaffen. Bislang sind es dann immer 90 geworden. Dieses Jahr ist es das erste Mal, dass ich meinem Ziel hinterherhänge und es nicht schaffen könnte.
Stört es dich, wenn du dein Leseziel nicht erreichst?
Anfangs hat es mich schon gewurmt, dass ich meinem Leseziel aktuell hinterherhänge. Dann habe ich mir aber bewusst gemacht, dass es im Endeffekt nur eine Zahl ist und es ebenso okay wäre, würde ich nur zehn Bücher im Jahr schaffen. Lesen soll schließlich in erster Linie Spaß und keinen Druck machen.
Schaffst du es, beim Lesen die Gedanken über Hypes, Zahlen und Leseziele abzuschalten?
Solche Gedanken mache ich mir beim Lesen tatsächlich gar keine. Was mich manchmal jedoch beschäftigt, ist die Rezension: Wie viele Sterne werde ich dem Buch geben? Wie kann ich meine Kritik erklären? Werden die Leute es verstehen, dass ich dieses (gehypte) Buch vielleicht nicht so mochte?
Würdest du Bookstagram als toxisch bezeichnen?
Ich würde Bookstagram nicht als toxisch bezeichnen. Persönlich bewege ich mich in Kreisen, die unglaublich liebevoll, positiv und unterstützend miteinander umgehen. Auch von meiner Community erhalte ich wertschätzendes Feedback, sodass ich mich stets wohlfühlen kann. Sicherlich gibt es wie in jeder Branche Schattenseiten, aber das überwiegt für mein Empfinden nicht das Potential von Bookstagram.
Hast du einen Tipp für alle, die vielleicht mit Bookstagram anfangen wollen?
Ich finde, man sollte Bookstagram nur dann anfangen, wenn man richtig Lust auf den Austausch über Bücher hat. Daher mein Tipp Nummer eins: Sucht den Austausch. Dafür gibt es so viele Möglichkeiten: Bei anderen kommentieren, sie direkt anschreiben, auf dem eigenen Account zur Kommunikation anregen. Denn das ist es ja am Ende, was die Community so toll macht.
Du willst mehr? Du bekommst mehr!
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