Mit gerade einmal 18 Jahren ist Leonhard Weist für die SPD in den Radebeuler Stadtrat eingezogen. In der sächsischen Kreisstadt möchte er sich für die Interessen junger Menschen einsetzen – und erklärt seinen Freunden die Lokalpolitik. Im Interview spricht der inzwischen 19-Jährige darüber, wie es ist, mit seinem Vater im Stadtrat zu sitzen und was junge Menschen davon abhält, sich in der Lokalpolitik zu engagieren.
Lieber Leonhard, wie hast du dich am Wahlabend gefühlt? Leonhard Weist: Ich habe gerade das Abi gemacht und war sehr überrascht, als einer von zwei SPD–Stadträten gewählt zu werden. Ich stand auf Listenplatz 5 und wollte eigentlich vor allem Wahlkampf für junge Menschen machen. Am Wahlabend haben wir alle bei der Auszählung jedes neuen Wahlkreises minutenlanggejubelt. Am nächsten Morgen haben dann die Medien angerufen. Stadtrat zu sein bedeutet auch, dass mein Lebensmittelpunkt die nächsten fünf Jahre in Radebeul sein wird. Zum Glück mache ich ab Herbst ein FSJ in Berlin, da kann ich viel HomeOffice machen. Meine Eltern freuen sich natürlich, dass ich dann öfter zuhause bin.
Fünf Jahre sind eine lange Zeit. Denkst du, das ist auch ein Grund, warum sich so wenig junge Menschen in der Lokalpolitik engagieren? Das ist ein großes Problem. Junge Menschen wollen studieren und die Welt erkunden. Auch sonst ist die Kommunalpolitik nicht wirklich niedrigschwellig. Ich habe vor der Kommunalwahl stundenlang Seminare besuchen müssen, um mich überhaupt erst in die Verwaltung eindenken zu können. Letztens war ich fünf Tage auf einem Ausflug mit Freunden. Als Lektüre habe ich die Sächsische Gemeindeordnung mitgenommen, die Grundlage für die Kommunalpolitik. Für Politik braucht man Zeit und Geld, so ein Engagement muss man sich leisten können. Niedrigschwellige Angebote wären zum Beispiel offene Diskussionsrunden mit Jugendlichen. Zur Wahrheit gehört auch, dass die Kommunalpolitik die niedrigste Ebene der Politik ist und man beim Gestalten vielen finanziellen Zwängen unterliegt.
Manche Menschen schieben alle meine Erfolge darauf, dass ich jung bin.
Leonhard Weist
Wie bist du zur Politik gekommen? Ich komme aus einem sehr politischen Haushalt. Mein Vater ist mit vielen Geschwistern in einer Arbeiterfamilie aufgewachsen. Durch seine Biographie habe ich gelernt, was es heißt, sozial benachteiligt zu sein. Deswegen bin ich zur SPD gegangen. Durch „Fridays for Future“ habe ich das Thema Umwelt für mich entdeckt und angefangen, mich selbst zu engagieren. An unserer Schule habe ich eine Arbeitsgemeinschaft für das Klima eingerichtet. Ein Jahr später bin ich dann in die Schülervertretung gegangen und war dann drei Jahre lang Schülersprecher. Außerdem habe ich mich im Landesschülerrat engagiert. Im Abijahrgang hatte ich dann keine Zeit mehr für die Schülervertretung und bin dann in die SPD eingetreten. Auf Listenplatz 5 zu kommen, war gar nicht so leicht, da gibt es natürlich immer ein gewisses Rangeln. Ich habe gesagt: Ich bin Vorsitzender der Jusos im Kreis Meißen, ich bin ein junger Mensch, freut euch doch, dass ich antrete. Im Wahlkampf musste ich dann Menschen von mir überzeugen. An einem Tag habe ich zum Beispiel Abi geschrieben und saß am nächsten Morgen wieder mit Flyern und Äpfeln am Bahnhof.
Hattest du auch negative Erfahrungen im Wahlkampf? Noch bevor ich richtig in den Wahlkampf gestartet bin, hatte ich ein sehr unschönes Erlebnis. Mitten in der Nacht haben mich ein paar Leute auf meiner privaten Nummer angerufen, mich beleidigt und mir danach auch gesagt, dass ich mich vergasen lassen solle. Das war schon krass. Danach haben mich meine Freunde immer abends nach Hause gebracht. Dafür, dass ich erst 19 bin, habe ich schon sehr viele Strafanzeigen geschrieben. Es kommt auch hinzu, dass einen Leute komisch anschauen, wenn 30 Plakate von dir über Wochen und Monate in ganz Radebeul verteilt hängen. Ich stand auch mal am Wahlkampfstand und mir wurde vorgeworfen, palästinensische Kinder zu töten. Das ist natürlich weit hergeholt, aber auch einschüchternd und bewegend.
Wie ist es, jung und in der Politik zu sein? Man muss dafür kämpfen, ernst genommen zu werden. Es gibt viele tolle Menschen bei uns im Stadtrat, die interessiert an jungen Menschen sind, mit denen ich auch gut zusammenarbeiten kann. Einerseits mein alter GRW-Lehrer (Anmerkung der Redaktion: Gemeinschaftskunde/Rechtserziehung/Wirtschaft), der auch mit mir im Stadtrat sitzt, oder mein Vater. Aber es gibt natürlich über alle Parteigrenzen hinweg Menschen, die mich nicht ernst nehmen, die sagen: Du hast in deinem Leben noch nicht gearbeitet. Dabei stimmt das nicht einmal. Ich arbeite bei einem Pizza-Lieferdienst und moderiere Seminare. Manche Menschen schieben alle meine Erfolge darauf, dass ich jung bin. Sie sagen, ich bin nur im Stadtrat, weil mich andere junge Menschen gewählt haben. Das ärgert mich, denn bei älteren Menschen sagt man ja auch: Der Wahlkampf war gut, weil die Themen die Menschen abgeholt haben. Es reicht natürlich nicht, frischen Wind hineinzubringen, weil man 19 ist. Man braucht auch frische Ideen.
Du sitzt mit deinem Vater zusammen im Stadtrat. Wie hat sich euer Verhältnis dadurch verändert? Es ist schon witzig. Auf einmal schließen wir miteinander Verträge über die Fraktionsarbeit. Wir haben politisch ähnliche Ansätze und ergänzen uns auch ganz gut, denke ich. Dadurch, dass wir zusammenwohnen, haben wir sehr kurze Kommunikationswege. Heute Morgen haben wir zum Beispiel noch auf der Terrasse über die Stadtratsarbeit geredet und dann abgesprochen, was wir abends kochen. Auf der anderen Seite hat sich mein Vater wahrscheinlich nicht so gefreut, direkt nach dem Aufstehen Politik zu machen.
Wie kann man Politik für junge Menschen attraktiver machen? Unter anderem muss man Politik verständlicher machen. Damit man nicht erst 30 Gesetze und Verordnungen lesen muss. Mittlerweile fragen mich viele meiner Freunde: Was ist denn da in der Stadt los, warum ist das so…? Auf meinem TikTok-Kanal versuche ich ab und zu, Lokalpolitik mit kleinen Videos eingängig zu erklären.
Mit gerade einmal 18 Jahren ist Leonhard Weist für die SPD in den Radebeuler Stadtrat eingezogen. In der sächsischen Kreisstadt möchte er sich für die Interessen junger Menschen einsetzen – und erklärt seinen Freunden die Lokalpolitik. Im Interview spricht der inzwischen 19-Jährige darüber, wie es ist, mit seinem Vater im Stadtrat zu sitzen und was junge Menschen davon abhält, sich in der Lokalpolitik zu engagieren.
Lieber Leonhard, wie hast du dich am Wahlabend gefühlt?
Leonhard Weist: Ich habe gerade das Abi gemacht und war sehr überrascht, als einer von zwei SPD–Stadträten gewählt zu werden. Ich stand auf Listenplatz 5 und wollte eigentlich vor allem Wahlkampf für junge Menschen machen. Am Wahlabend haben wir alle bei der Auszählung jedes neuen Wahlkreises minutenlanggejubelt. Am nächsten Morgen haben dann die Medien angerufen. Stadtrat zu sein bedeutet auch, dass mein Lebensmittelpunkt die nächsten fünf Jahre in Radebeul sein wird. Zum Glück mache ich ab Herbst ein FSJ in Berlin, da kann ich viel HomeOffice machen. Meine Eltern freuen sich natürlich, dass ich dann öfter zuhause bin.
Fünf Jahre sind eine lange Zeit. Denkst du, das ist auch ein Grund, warum sich so wenig junge Menschen in der Lokalpolitik engagieren?
Das ist ein großes Problem. Junge Menschen wollen studieren und die Welt erkunden. Auch sonst ist die Kommunalpolitik nicht wirklich niedrigschwellig. Ich habe vor der Kommunalwahl stundenlang Seminare besuchen müssen, um mich überhaupt erst in die Verwaltung eindenken zu können. Letztens war ich fünf Tage auf einem Ausflug mit Freunden. Als Lektüre habe ich die Sächsische Gemeindeordnung mitgenommen, die Grundlage für die Kommunalpolitik. Für Politik braucht man Zeit und Geld, so ein Engagement muss man sich leisten können. Niedrigschwellige Angebote wären zum Beispiel offene Diskussionsrunden mit Jugendlichen. Zur Wahrheit gehört auch, dass die Kommunalpolitik die niedrigste Ebene der Politik ist und man beim Gestalten vielen finanziellen Zwängen unterliegt.
Wie bist du zur Politik gekommen?
Ich komme aus einem sehr politischen Haushalt. Mein Vater ist mit vielen Geschwistern in einer Arbeiterfamilie aufgewachsen. Durch seine Biographie habe ich gelernt, was es heißt, sozial benachteiligt zu sein. Deswegen bin ich zur SPD gegangen. Durch „Fridays for Future“ habe ich das Thema Umwelt für mich entdeckt und angefangen, mich selbst zu engagieren. An unserer Schule habe ich eine Arbeitsgemeinschaft für das Klima eingerichtet. Ein Jahr später bin ich dann in die Schülervertretung gegangen und war dann drei Jahre lang Schülersprecher. Außerdem habe ich mich im Landesschülerrat engagiert. Im Abijahrgang hatte ich dann keine Zeit mehr für die Schülervertretung und bin dann in die SPD eingetreten. Auf Listenplatz 5 zu kommen, war gar nicht so leicht, da gibt es natürlich immer ein gewisses Rangeln. Ich habe gesagt: Ich bin Vorsitzender der Jusos im Kreis Meißen, ich bin ein junger Mensch, freut euch doch, dass ich antrete. Im Wahlkampf musste ich dann Menschen von mir überzeugen. An einem Tag habe ich zum Beispiel Abi geschrieben und saß am nächsten Morgen wieder mit Flyern und Äpfeln am Bahnhof.
Hattest du auch negative Erfahrungen im Wahlkampf?
Noch bevor ich richtig in den Wahlkampf gestartet bin, hatte ich ein sehr unschönes Erlebnis. Mitten in der Nacht haben mich ein paar Leute auf meiner privaten Nummer angerufen, mich beleidigt und mir danach auch gesagt, dass ich mich vergasen lassen solle. Das war schon krass. Danach haben mich meine Freunde immer abends nach Hause gebracht. Dafür, dass ich erst 19 bin, habe ich schon sehr viele Strafanzeigen geschrieben. Es kommt auch hinzu, dass einen Leute komisch anschauen, wenn 30 Plakate von dir über Wochen und Monate in ganz Radebeul verteilt hängen. Ich stand auch mal am Wahlkampfstand und mir wurde vorgeworfen, palästinensische Kinder zu töten. Das ist natürlich weit hergeholt, aber auch einschüchternd und bewegend.
Wie ist es, jung und in der Politik zu sein?
Man muss dafür kämpfen, ernst genommen zu werden. Es gibt viele tolle Menschen bei uns im Stadtrat, die interessiert an jungen Menschen sind, mit denen ich auch gut zusammenarbeiten kann. Einerseits mein alter GRW-Lehrer (Anmerkung der Redaktion: Gemeinschaftskunde/Rechtserziehung/Wirtschaft), der auch mit mir im Stadtrat sitzt, oder mein Vater. Aber es gibt natürlich über alle Parteigrenzen hinweg Menschen, die mich nicht ernst nehmen, die sagen: Du hast in deinem Leben noch nicht gearbeitet. Dabei stimmt das nicht einmal. Ich arbeite bei einem Pizza-Lieferdienst und moderiere Seminare. Manche Menschen schieben alle meine Erfolge darauf, dass ich jung bin. Sie sagen, ich bin nur im Stadtrat, weil mich andere junge Menschen gewählt haben. Das ärgert mich, denn bei älteren Menschen sagt man ja auch: Der Wahlkampf war gut, weil die Themen die Menschen abgeholt haben. Es reicht natürlich nicht, frischen Wind hineinzubringen, weil man 19 ist. Man braucht auch frische Ideen.
Du sitzt mit deinem Vater zusammen im Stadtrat. Wie hat sich euer Verhältnis dadurch verändert?
Es ist schon witzig. Auf einmal schließen wir miteinander Verträge über die Fraktionsarbeit. Wir haben politisch ähnliche Ansätze und ergänzen uns auch ganz gut, denke ich. Dadurch, dass wir zusammenwohnen, haben wir sehr kurze Kommunikationswege. Heute Morgen haben wir zum Beispiel noch auf der Terrasse über die Stadtratsarbeit geredet und dann abgesprochen, was wir abends kochen. Auf der anderen Seite hat sich mein Vater wahrscheinlich nicht so gefreut, direkt nach dem Aufstehen Politik zu machen.
Wie kann man Politik für junge Menschen attraktiver machen?
Unter anderem muss man Politik verständlicher machen. Damit man nicht erst 30 Gesetze und Verordnungen lesen muss. Mittlerweile fragen mich viele meiner Freunde: Was ist denn da in der Stadt los, warum ist das so…? Auf meinem TikTok-Kanal versuche ich ab und zu, Lokalpolitik mit kleinen Videos eingängig zu erklären.
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