Meinung

Reingeschaut: Das Rentierbaby, das Wellen schlägt

Produktionsstandbild Rentierbaby
Richard Gadd als Donny und Jessica Gunning als Martha,
Anton Hartmann, funky-Jugendreporter

Dass eine Netflix-Serie in der Öffentlichkeit diskutiert wird, ist nicht ungewöhnlich. Insbesondere Verfilmungen, die auf wahren Begebenheiten beruhen, sorgten in den letzten Jahren immer wieder für Schlagzeilen. Häufig geht es dabei um den mangelnden Respekt und Schutz von Angehörigen oder um Persönlichkeitsrechte. Neben „Dahmer“ steht nun auch die Miniserie „Rentierbaby“ stark in der Kritik.

Dabei geht es abermals um eine Geschichte, deren Charaktere auf reale Menschen zurückzuführen sind und deren Inhalt auf wahren Begebenheiten beruht. Nach der Veröffentlichung erhielt die in der Wirklichkeit dem Charakter entsprechende Person sogar Morddrohungen. Doch wie konnte es so weit kommen?

Hauptdarsteller und Autor Richard Gadd erzählt in der Serie seine eigene Lebensgeschichte, die  von Stalking, Vergewaltigungsvorfällen und dem Streben nach Erfolg geprägt ist. Der britische Journalist Piers Morgan führte Anfang Mai sogar ein Interview mit der vermeintlich echten Stalkerin. Diese kündigte an, Netflix zu verklagen. Sie besteht darauf, dass sie falsch dargestellt worden sei. Auch britische und amerikanische Fernsehshows versuchen derweil herauszufinden, wer die realen Menschen hinter den in der Serie dargestellten Figuren sind.

Erfolglos durchs Leben

Donny (Richard Gadd) lebt 2015 bei der Mutter seiner Ex in London zur Untermiete. Während er sich als Comedian ausprobiert, jobbt er als Barkeeper. Eines Tages lernt er Martha (Jessica Gunning) kennen, die sich ihm gegenüber als erfolgreiche Anwältin ausgibt. Donny gibt ihr einen Tee aus, woraufhin sie immer öfter in die Bar kommt. Als Martha Donnys Mailadresse herausfindet, beginnt sie, ihm Mails zu schreiben. Doch dabei bleibt es nicht: Sie unterbricht seine Comedy-Shows, greift seine Freundin Teri (Nava Mau) an und verfasst letztlich 41.000 Mails. Es scheint so, als sei Donny einfach zu sensibel, um Martha eine Abfuhr zu erteilen. Immer wieder betont er, dass ihm etwas an ihr liegt – das jedoch nie über Freundschaft hinausgehen würde.

Jahre später kann sich Donny bei seinem Stalkingfall nur schwer Hilfe suchen. So sehr Martha ihm das Leben zur Hölle macht – seine Beziehung zu Teri leidet so sehr darunter, dass sie ihn verlässt – auf seltsame Art und Weise fühlt er sich mit Martha verbunden. Sie gibt ihm das Gefühl, dass er alles sein kann, was er will. Nach langem Kämpfen um Erfolg fühlt er sich endlich gesehen. Erst als Martha ihm droht seinen Eltern etwas anzutun, wendet er sich schließlich zur Polizei.

Das Echo der Serie

Nicht umsonst hat sich die Serie eine lange Zeit auf Platz 1 der Netflix-Charts gehalten. Durch den harmlosen Beginn der Serie, kann man als Zuschauende die freundschaftliche Beziehung zwischen Donny und Martha nachvollziehen. Doch sobald Martha beginnt, Grenzen zu überschreiten, wird das Unbehagen deutlich spürbar und das Verständnis für Donny nimmt ab. Diese langsame Entwicklung verdeutlicht dabei die sukzessive Verzeweiflung die Donny, aber auch das Publikum verspürt. Das heißt Durchhalten ist angesagt!

Trotz möglichem Verstoß gegen Persönlichkeitsrechte stehen die meisten Zuschauenden dem Autoren und Schauspieler Richard Gadd bei. Den Mut zu fassen, intimste Details aus dem eigenen Leben durch die Serie an die Öffentlichkeit zu tragen, ist bemerkenswert. In diesem Zusammenhang ist der Wunsch, dass die verantwortlichen Menschen in der Realität zur Rechenschaft gezogen werden, durchaus nachvollziehbar. Nichtsdestotrotz ist Selbstjustiz keine Option in einem Rechtsstaat. Autor Richard Gadd betont immer wieder, dass es ihm von Anfang an nicht um das Vorführen der Verantwortlichen geht, sondern vielmehr um die eigene Verarbeitung des Erlebten. Inwiefern die Stalkerin tatsächlich psychisch krank war bleibt reine Spekulation.

Eine faszinierende Serie mit sieben Folgen, die aufzeigt, dass auch Männer Opfer von Stalking sein können und dass Erfolg gerade in der umkämpften Kreativbranche oft nicht beeinflussbar ist.

Unsere Meinung: Eine fesselnde Serie.

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Trailer „Rentierbaby“

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Wir haben genug davon, dass die Geschichten immer nur von den Alten erzählt werden. Deswegen haben wir den Stift selbst in die Hand genommen, sind durch die Lande gezogen, haben Geschichten und Menschen gesucht, gefunden und alles aufgeschrieben, was uns untergekommen ist. Wir haben unsere Smartphones und Kameras gezückt und Fotos und Videos gemacht. Auf funky zeigen wir euch die Ergebnisse unserer Recherchen.