Meinung

Krankheit macht uns zu Kindern

Eine Tasse, eine Taschentücherbox, mehrere benutzte Taschentücher und eine schwarze Brille stehen beziehungsweise liegen auf einer Holzlpatte. Der Hintergrund ist schwarz.
Eine Krankheit kann auch Erwachsene wieder in kindliche Muster verfallen lassen.

Noch einmal Kind sein? Denk lieber genau darüber nach, was du dir wünschst – denn dieser Wunsch geht schneller in Erfüllung als es dir lieb ist. Erwischt uns Erwachsene ein fieser Schnupfen, die Grippe oder verderben wir uns den Magen, dann werden wir hilflos, wehleidig und quengeln. Mit anderen Worten: Eine Krankheit lässt uns zurück in kindliche Verhaltensmuster fallen.

Nick Käseberg, funky-Jugendreporter

Meist merke ich es schon am Abend, bevor ich den Arzt alarmiere und mich auf der Arbeit oder in der Uni entschuldigen lasse. Ein leichtes Kratzen im Hals. Ein leichtes Pochen im Kopf, das vielleicht auch am Glas Wein liegen könnte, dass ich noch getrunken habe. Doch kommt der nächste Morgen und die Symptome sind nicht abgeklungen, hilft auch das Leugnen nichts mehr: Ich liege flach. Und auf einmal gleicht mein Verhalten dem eines Kindes.

Beim Arzt ertappe ich mich dabei, wie ich darauf beharre: „Nein, ich will den Saft mit dem Bären drauf!“ Meinen Freund:innen und meiner Familie gegenüber fallen möglicherweise Sätze wie: „Das ist viel schlimmer als beim letzten Mal!“ Komischerweise wird es jedes Mal schlimmer. Wie Menschen über 80 Jahren noch einen Husten überstehen, ist mir ein Rätsel. Zu guter Letzt will ich nach dem ersten Tag der Krankheit wieder zur Arbeit oder zur Uni, denn „… mir ist langweilig und ich weiß nicht, was ich zuhause tun soll.“ Denk dir den wehleidigen Ton zu dieser Aussage hinzu. Außerdem ist sie das Gegenteil zu meiner täglichen Beschwerde, wie sehr ich mir mal ein paar Tage Ruhe wünsche.

Geduld ist eine Tugend – doch bei einer Erkältung fliegt sie aus dem Fenster. So wie mir früher das Warten, bis alle am Tisch aufgegessen haben, wie eine Ewigkeit vorkam, so kocht das Wasser im Kocher während einer Krankheit mit Sicherheit länger als normalerweise. Auch meine Kapitulation ähnelt einer kindlichen Aufmerksamkeitsspanne. „Ach egal, ich leg mich wieder hin“, heißt es, wenn der Tee dann doch zu lange in der Zubereitung dauert. Aber dieses Gefühl ist nichts gegen den Krach, den der Kocher verursacht. Er dröhnt in meinem Kopf, wie früher schon der Staubsauger und reizt mich, ohne jemals etwas anderes getan zu haben als Wasser zu kochen.

Genau diese Irrationalität ist es aber auch, die mich denken lässt, dass eine Rom-Com, ein Kuscheltier und ein Pyjama mich beim Heilungsprozess unterstützen. Dabei sind es in Wahrheit der Hustensaft, die Bonbons und Schmerztabletten, die mir durch die Krankheit helfen. Alles Medizin, die ich mit der Leichtgläubigkeit eines Kindes an mich reiße, solange nur jemand sagt: „Hier, davon wird es besser.“

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