Meinung

Arbeit muss neu gedacht werden!

Holzfigur bewegt sich.
Längst gibt es ausreichend Möglichkeiten an neuen Arbeitsformen, die dem Menschen mehr Freizeit bieten.
Lena Enders, funky-Redakteurin

Die Viertagewoche, Homeoffice und Quiet Quitting – schon längst befinden wir uns mitten in einem grundlegenden Wandel der Arbeitswelt. Der Begriff Work-Life-Balance ist spätestens seit der Pandemie in aller Munde und misst dem Freizeitleben einen bedeutenden Stellenwert bei. Und nach und nach erreicht die Generation Z den Arbeitsmarkt. Diese Generation gibt sich nicht mehr mit klassischen Karriere- und Belohnungsmustern zufrieden, sondern legt den Fokus auf ihr Privatleben und Freizeit.

Die junge Generation gilt als faul, illoyal, desinteressiert und nur auf den eigenen Vorteil bedacht. Und angeblich müssen sich Arbeitgeber nach den Erwartungen der jungen Arbeitnehmer:innen richten, um sie für ihre Unternehmen zu gewinnen. Und das ist auch gut so, denn Leben ist eben nicht gleich Arbeit. Wer behauptet, die Arbeitsmoral sei verschwunden, hat eine längst überfällige Transition verpasst – und einen bedeutenden Aspekt verdrängt: Die Welt ist voller Krisen und dadurch unglaublich teuer geworden. Reichtum und Wohlstand ist durch harte Arbeit nicht mehr zu erreichen – wie es noch vor einigen Jahrzehnten üblich war. Und das hat inzwischen auch die Gen Z begriffen.

Leben > Arbeit

In den vergangenen Jahren führten neue Technologien und eine neue Generation von Arbeitnehmer:innen dazu, dass traditionelle Arbeitsmodelle in Frage gestellt wurden. Dabei geht es primär darum, wie Arbeit begriffen wird – und in welchem Verhältnis sie zur Freizeit steht. Man könnte fast von einem Wertewandel sprechen, der Arbeit und Freizeitleben nicht mehr miteinander, sondern getrennt voneinander verhandelt.

Seit den 2000ern haben junge Menschen – zumindest diejenigen, die es sich aussuchen können – die Erfüllung in ihrem Job gesucht. Lohnarbeit sollte mehr als nur ein Broterwerb sein: Arbeit soll sinnstiftend sein. Diese Denkweise folgt weiterhin dem Pfad der Verschränkung von Arbeit und Leben. Doch angesichts einer Welt voller akuter Krisen, Inflation und fehlender Stabilität scheint die psychische Gesundheit das höchste Gut des Menschen zu sein. Die junge Generation weiß längst, was Mental Health bedeutet und wie man sie pflegen kann – und zwar durch schöne Erlebnisse, Freundschaften und Familie. Im Übrigen alles Dinge, die man hauptsächlich jenseits der Arbeit erfahren kann. Davon sollten sich ältere Generationen eine Scheibe abschneiden. Und wenn dieses Gut eben nur verteidigt werden kann, indem das Privatleben vor der Arbeit in Sicherheit gebracht wird, dann muss eine neue Denkweise und eine neue Arbeitsform her.

Mehr Freizeit = mehr Zufriedenheit

Arbeit und Leben: Geht das eine also nur zulasten des anderen? Ich finde: Nein! Denn es gibt längst ausreichend Möglichkeiten, die dem Menschen mehr Freizeit bieten und zufriedener machen. Laut einer kürzlich veröffentlichten Studie aus Großbritannien bevorzugt circa 80 Prozent der jungen Generation eine Vier-Tage-Woche. Die Vorteile liegen auf der Hand: mehr Zeit für sich selbst, Familie und Freund:innen und laut internationalem Vergleich auch eine höhere Produktivität am Arbeitsplatz. Das Ergebnis ist immer gleich: Man hat „mehr“ vom Leben fernab der Lohnarbeit.

Auch das Homeoffice oder das sogenannte „remote“ arbeiten ist zu einer beliebten Annehmlichkeit für Arbeitnehmer:innen geworden und hat aufgrund der Corona-Pandemie in den letzten Jahren stark zugenommen. Ob zu Hause, im Café, auf Mallorca und sogenannte „Workations“ – von überall arbeiten zu können, kann Freizeitleben und Arbeitsleben einander wieder näherbringen.

Darüber hinaus heißt es häufig, dass Arbeitgeber den jungen Arbeitnehmer:innen den roten Teppich ausrollen müssten. Schiebt die Verantwortung wieder einmal der jungen Generation zu, trifft aber im Prinzip den Kern meiner Forderung: Arbeitgeber sollten faire Löhne, faire Arbeitsbedingungen, mehr Freizeit und bereits genannte Annehmlichkeiten bieten.

Denn noch sieht es anders aus: Junge Berufstätige merken schnell, dass die Realität oft hinter großen Worten zurückbleibt. Und Begriffe wie „Purpose“ und „Corporate Culture“ sind lediglich bedeutungslose Phrasen. Der Tischkicker im Büroflur ist nur die Ablenkung vom mickrigen Gehalt und das Start-up feuert seine Leute schneller, als es sie eingestellt hat – wenn sie überhaupt Verträge hatten. Und den Chef duzen zu können ist nur Schein, wenn die Wertschätzung hinterher fehlt. Zurecht sind junge Menschen enttäuscht.

Diese Enttäuschung bringt ein Phänomen zu Tage: Quiet Quitting, der Dienst nach Vorschrift, bei dem keine Minute länger als nötig gearbeitet und kein persönliches Engagement eingebracht wird. Und da sind wir wieder: bei der Arbeit als reinem Broterwerb. Gerne wird in diesem Zusammenhang wieder auf die mangelnde Arbeitsmoral der Generation Z verwiesen. Doch wer sich die Rate der Burnouts ansieht, weiß, dass Quiet Quitting auch zur Notwehr gegen eine schleichende Vereinnahmung durch die Arbeit geworden ist.

Ein arbeitsarmes Leben ist hingegen nur wenigen gegönnt: Nur eine absolute Minderheit kann sich ein Leben durch „passives Einkommen“, also Mieterträge, finanzieren. Arbeit bleibt also noch immer die einzige Lösung, dem Prekariat zu entgehen. Und nicht einmal das ist sicher.

In der Konsequenz werden die Sphären Arbeit und Leben getrennt – zurecht. Denn es ist längst an der Zeit, der Arbeit keine Macht über das eigene Leben zu geben. Wenn neue Formen der Arbeit neue kreative Lösungen bieten können, warum sollten sie ungenutzt bleiben? Der Generation Z kann nicht vorgeworfen werden, keine Arbeitsmoral an den Tag zu legen. Und „Faulheit“ und Illoyalität dürfen nicht als Krisensymptome verunglimpft werden. Vielmehr müssen alte Konzepte der Lohnarbeit überdacht werden, um gemeinsam als Gesellschaft die Lücken zu schließen.

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