Interview

Wie kann ich meine Kritikfähigkeit steigern?

Die Köpfe zweier Personen sind verschwommen seitlich im Bild zu sehen. Die Person links ist eine Schülerin. Die Person rechts ist ein Lehrer, der ihr Kritik zu einer Arbeit, die zwischen den beiden auf dem Tisch liegt, gibt. Die Kritikfähigkeit wird auf die Probe gestellt.
Kritikfähigkeit hängt stark mit dem Selbstwertgefühl zusammen. Unsichere Menschen sind weniger kritikfähig.

Kritikfähigkeit auf dem Prüfstand: Eine Selbsteinschätzung mit Dipl. Psychologe Philipp Stahl

Nick Käseberg, funky-Jugendreporter

Sein Bestes zu geben gehört für die meisten zur Tagesordnung. Aber manchmal ist das einfach nicht genug oder die Erwartungen anderer Personen sehen anders aus. Und schon sitzt man dem Lehrer oder der Chefin gegenüber und kann sich auf Kritik gefasst machen. Das muss natürlich nicht immer etwas Schlechtes sein. Immerhin ist sie dazu da, um sich zu verbessern und aus den eigenen Fehlern zu lernen. Aber wenn andere mich auf meine Fehler aufmerksam machen, sagen sie mir doch im Prinzip, dass ich nicht gut genug bin – oder?

Wie kritikfähig bin ich selbst eigentlich? Wie kann ich sichergehen, dass ich Kritik nicht in den falschen Hals bekomme? Diese Fragen habe ich mit dem Psychologen Philipp Stahl besprochen. Und mir wird schnell klar: So einiges kann ich immer noch dazulernen.

Kritikfähigkeit im Selbstcheck

Generell bin ich der Meinung, eine sehr kritikfähige Person zu sein. Ich versuche aus meinen Fehlern zu lernen, um mir am Ende weniger Kritik anhören zu müssen. Aber als ich beispielsweise in meine Zeit als Redaktionsvolontär gestartet bin, war meine Fähigkeit, sinnvolle und schöne Texte zu schreiben, sehr begrenzt. Daher wurde ich auch häufiger kritisiert und muss gestehen: Ich habe sehr stark an mir gezweifelt. Ist das der richtige Job für mich? Kann ich überhaupt so viel dazulernen? Meine Kritikfähigkeit wurde lange strapaziert.

„Kritik hängt eben stark mit dem Selbstwertgefühl zusammen“, erzählt Philipp Stahl mir bei unserem Telefongespräch. Deshalb also erwische ich mich immer wieder dabei, wie ich versuche, mich und meine Arbeit zu rechtfertigen. „Ich habe das gemacht, weil…“, „Ich dachte, das ist besser aus diesem Grund.“ Der Psychologe erklärt mir, dass es unterschiedliche Gründe haben kann, weshalb man so handelt. Einerseits kann Kritik als Bedrohung für das Selbstbild aufgenommen werden. Auch die Angst vor Ablehnung und der Kontrollverlust über eine Situation können eine Rolle spielen. 

Rechtfertigung ist häufig ein Selbstschutzmechanismus.

Ich begebe mich in Gedanken mal in einige Situationen, in denen ich mich verunsichert gefühlt habe und überlege, was das über meine Kritikfähigkeit aussagen könnte. In meinem Job als Redakteur habe ich mich langsam daran gewöhnt, dass mir Kolleginnen und Kollegen oder Vorgesetzte Tipps oder Kritik geben. Sie wissen es einfach besser, weil sie erfahrener sind. Häufig sind es auch einfach Anmerkungen, die nicht unbedingt umgesetzt werden müssten, aber aus der Sicht einer Person besser erscheinen. Zum Beispiel, wenn es um gewisse Redewendungen geht. Generell sollte man zwischen unterschiedlichen Arten von Kritik unterscheiden. Philipp Stahl zufolge gibt es konstruktive und destruktive Kritik. Erstere ist zielführend und soll Personen weiterbringen. Man erkennt sie meist daran, dass sie sachlich ist, auf Beobachtungen basiert und in einer gutwilligen Art geäußert wird. Destruktive Kritik ist genau das Gegenteil. Der Tonfall ist herablassend und das Ziel ist es, die Person herabzusetzen.

Rechtfertigungen als Selbstschutz

Nach längerem Überlegen, komme ich zu dem Schluss, dass ich an meinem Arbeitsplatz immer konstruktive Kritik bekommen, aber sie als Bedrohung aufgenommen habe. Deshalb habe ich mich durch Rechtfertigungen schützen wollen. Ist ja auch klar: Ich war neu in dem Job, alle anderen waren so viel besser. Als ich besser im Schreiben wurde, gab es seltener Kritik und ich konnte diese auch leichter aufnehmen. Ich wurde selbstsicherer. Daher rate ich allen, sich eine Eingewöhnungsphase zu geben, um sich an neue Situationen und Aufgaben zu gewöhnen, bevor man Kritik persönlich nimmt. Das gilt natürlich nicht für destruktive Kritik. Diese sollte man als solche erkennen und der Person dahinter keine Beachtung mehr schenken.

Abschließend ein paar allgemeine Tipps: Wenn man mit Kritik konfrontiert wird, sollte man am besten erst einmal ruhig bleiben. Impulsives Handeln empfiehlt sich nie. Das kann die Situation ausarten lassen, bestätigt auch Philipp Stahl. Wenn man Kritik erhält, kann man an gewissen Stellen nachfragen und sie sich erklären lassen. „Kommunikation ist wichtig, um die Situation besser verstehen zu können“, so der Psychologe. Die Kritikpunkte sollte man dann reflektieren, um die Hinweise nachzuvollziehen. Möchte man einer anderen Person Kritik geben, sollte diese übrigens ebenfalls ausführlich kommuniziert werden. Lieber einmal zu oft nachfragen, ob die Intention auch wirklich verstanden wurde.

Bekannte Kritik-Schemata funktionieren dabei nicht immer und sollten mit Vorsicht angewendet werden, sagt Stahl. Das Kritik-Sandwich beispielsweise (ein Kompliment zur Arbeit, dann die Kritik und dann wieder ein Kompliment) kann schnell gekünstelt wirken. Das wirkt sich dann letzten Endes eher negativ auf das Gespräch aus.

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