Selbstversuch: Eine Woche radikal ehrlich sein

Schriftzug "honest"
Ehrlichkeit währt am Längsten - oder?
Larissa Menne, funky-Jugendreporterin

Eine Woche lang ehrlich sein, keinen Plastikmüll produzieren oder auf Instagram verzichten? In dieser Rubrik versucht sich die Jugendredaktion an spannenden Selbstexperimenten. 

„Ehrlich währt am längsten“ – dieses Sprichwort hast du bestimmt auch schon mal gehört. Auch viele Eltern schärfen ihren Kindern immer wieder ein, dass sie ehrlich sein sollen. Auch in meinen Ohren klingt es nach einer guten Sache, immer die Wahrheit zu sagen. Also habe ich mir vorgenommen, eine Woche lang radikal ehrlich zu sein. Dabei habe ich viel Positives, aber auch die ein oder andere herausfordernde Situation erlebt.

Zu Beginn des Selbstversuchs fiel es mir nicht allzu schwer, ehrlich zu sein. Mein Vorsatz war auch nicht jederzeit präsent. Allerdings führte meine „radikale Ehrlichkeit“ spätestens am zweiten Tag dazu, dass ich einfach öfter aussprach, was ich dachte. Das reichte von Sätzen wie „Ich habe jetzt echt Hunger“, bis zu so etwas wie „Die Idee finde ich nicht so gut“. Die Ehrlichkeit brachte mich auch dazu, dass ich meinen Mitmenschen häufiger Komplimente machte und ihnen einfach sagte, wenn mir ihr Outfit gefiel. Aber eben auch, wenn es mir nicht gefiel. Dabei wurde ich zwar manchmal etwas schräg angeschaut, weil meine Reaktion über das übliche „Jaja, sieht gut aus“ hinaus ging, aber viele schätzten die ehrliche Kritik.

Etwas schwerer fiel mir die radikale Ehrlichkeit, als mich eine Freundin fragte, warum ich zu spät sei. Konsequenterweise musste ich ihr antworten, dass ich zu spät losgegangen war. Und auch als mich meine Freundesgruppe fragte, ob wir uns am Samstagabend spontan treffen wollen, erwischte ich mich dabei, dass ich fast eine Notlüge aufgetischt hätte, um abzusagen – obwohl ich einfach keine Lust hatte. Das zu sagen habe ich mich dann ehrlicherweise auch nicht getraut und um nicht zu lügen, habe ich einfach zugesagt. Genau das ging aber dann mit einem etwas schlechten Gewissen einher und beschäftigte mich für den Rest der Woche. Wäre in diesem Fall eine kleine Notlüge nicht in Ordnung gewesen?

Auch hat mich die Frage „Wie geht es dir?“ im Verlauf des Selbstversuches immer wieder beschäftigt und mir ist aufgefallen, dass eine ehrliche Antwort viele Menschen wirklich überrascht, aber gleichzeitig auch häufig dazu führt, dass das Gegenüber ebenfalls ehrlich sagt, wie es ihm geht. So ergaben sich ganz neue Gesprächschancen. Das hat mich wirklich gefreut und ich habe gemerkt, dass meine Ehrlichkeit auch anderen helfen kann. Ich habe mir fest vorgenommen, auch in Zukunft ehrlich auf diese und ähnliche Fragen zu antworten.

Besonders schwer fiel mir die „radikale Ehrlichkeit“ bei einem Vorstellungsgespräch, das zufällig in die Woche meines Selbstversuchs fiel. Ich merkte schnell, dass das Unternehmen doch nicht so gut zu mir passte, wie ich gedacht hatte, und als mir dann am Ende des Gespräches die Frage gestellt wurde, ob ich mir vorstellen könnte, dort zu arbeiten, war ich kurz verunsichert. Ich antwortete „Nein“ und mein Gegenüber reagierte zwar etwas irritiert, aber überraschend freundlich und bedankte sich für meine Ehrlichkeit. Auf dem Rückweg wurde mir dann bewusst, dass ich mir mit dieser ehrlichen Antwort im Nachhinein besser fühlte, als wenn ich nicht gesagt hätte, was ich dachte und fühlte.

Dennoch muss ich zugeben, dass es mir in der ein oder anderen Situation schon schwerer fiel, ehrlich zu sein. Vor allem, weil ich Angst vor der Reaktion der anderen hatte und niemanden verletzen wollte. Gleichzeitig führte die Ehrlichkeit aber auch zu sehr positiven Situationen und ich denke, dass man auf Dauer auch ein höheres Selbstvertrauen gewinnen kann, wenn man ehrlich ist – zu anderen und zu sich selbst.

Mir ist aber auch bewusst, dass die wenigsten es schaffen, immer ehrlich zu sein und dass man auch ich nicht immer ehrlich sein muss und kann. Ich denke, es ist aber auch nicht unbedingt notwendig, „radikal ehrlich“ zu sein.  Stattdessen kann man sich in kleinen Schritten mehr Ehrlichkeit aneignen. Beispielsweise, indem man auf „Wie geht es dir?“ mit seinen ehrlichen Gefühlen und Gedanken antwortet oder einfach zugibt, warum man sich verspätet hat, anstatt zu einer Notlüge zu greifen. Probiere es gerne einfach mal aus und schau, welche Auswirkungen Ehrlichkeit auf dich und dein Umfeld hat.

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