Alle wollen sie, nicht jeder genießt sie: Die berühmte erste Arbeitserfahrung. In der Rubrik „Jobkompass“ berichtet die junge Generation von interessanten, skurrilen und unschönen Praktikums- und Nebenjoberfahrungen und interviewt Menschen mit inspirierenden Berufen.
Seit dem Besuch einer Hebamme an ihrer Grundschule war für die inzwischen 21-jährige Imke Pollenske klar: Auch sie möchte später in der Geburtshilfe arbeiten. Der Job der Hebamme ist einer der ältesten Berufe und gilt als systemrelevant – es ist ein Beruf, auf den die Gesellschaft angewiesen ist. Inzwischen lernt die Hildesheimerin im vierten Semester ihres dualen Studiums alles über Steißbeinlage, Dammschütze und hilft außerdem schon vielen Frauen bei der Geburt. Im Interview erzählt Imke, wie ihr Arbeitsalltag im Schichtdienst aussieht und erzählt, was man mitbringen muss, um Hebamme werden zu können.
Liebe Imke, wie sieht ein typischer Arbeitstag bei dir aus? Auf der Wochenbettstation beginnt der Dienst meistens mit einer Übergabe, also allen Informationen darüber, wer gerade auf der Station liegt und wie es denjenigen geht. Dann gehen wir als Schichtpersonal durch die Zimmer, stellen uns vor und erkundigen uns, ob wir akut helfen können. Während des Dienstes verschaffen wir uns einen Überblick, welche Untersuchungen anstehen, beispielsweise der Hörtest oder die U2 bei den Neugeborenen. Der Dienst endet wieder mit einer Übergabe. Ob zwischendurch Zeit für eine Pause bleibt, ist sehr unterschiedlich. Bei Nachtdiensten kann man auch mal verschnaufen, während der anderen Dienste setzt man sich mal mit Kolleginnen und Kollegen eine halbe Stunde hin.Wie viel wir Studierenden selbst machen dürfen, hängt davon ab, in welchem Semester wir sind. Im ersten Semester haben wir mit dem Wickeln angefangen, Temperaturen gemessen, Stillhilfe geleistet, Wochenbettbesuche durchgeführt und Vitalzeichen ausgewertet. Mittlerweile dürfen wir das meiste unter Aufsicht des examinierten Personals selbst machen.
Welche Geräte benutzt ihr? Thermometer, Stethoskop und Druckmanschette sind auf der Wochenbettstation täglich im Einsatz. Im Kreißsaal sitze ich auch viel an den Betten und bin einfach für die Frauen da. Ein sehr wichtiges Werkzeug sind meine Hände, zum Beispiel, um zu fühlen, wie das Kind im Bauch liegt. Mit ihnen kann ich auch Kraft oder Trost zu spenden.
Im Moment arbeitest du im Krankenhaus und besuchst auch Vorlesungen. Wie läuft der Weg zur Hebamme ab? Das duale Studium umfasst sieben Semester und besteht aus Praxisphasen und Theoriephasen. In den Theorieblöcken sind wir in der Hochschule und besuchen Seminare. Während der vorlesungsfreien Zeit arbeiten wir meistens im Krankenhaus, es gehören aber auch zwei Praxiseinsätze bei freiberuflichen Hebammen dazu.
Du stehst im Kontakt zu älteren Hebammen. Früher hat man eine Ausbildung zur Hebamme gemacht, mittlerweile wird nur noch das Studium angeboten. Wie bewertest du den Übergang? Am Anfang haben viele den Wechsel eher kritisch gesehen. Auf einmal kamen die Studierenden von der Hochschule mit neuen Infos und neuen Herangehensweisen. Wir lernen vermehrt evidenzbasiert und stoßen dann im Kreißsaal – in der Praxis – auf Sachen, die wir nicht kennen und bei denen wir uns fragen, warum das gemacht wird.
Warum wolltest du Hebamme werden? In der Grundschule war eine Hebamme bei uns in der Klasse, die Mutter eines Mitschülers. Tatsächlich bin ich schon fünf Jahre lang im medizinischen Bereich tätig. Ich fand es damals in der Schule einfach einen interessanten Beruf und wollte Menschen helfen. Darum habe ich nach dem erweiterten Realschulabschluss auf eine gesundheitliche Fachoberschule gewechselt. Im Zuge dessen habe ich ein Jahr lang ein Praktikum im Krankenhaus gemacht. Dabei hat mir ein Arzt erlaubt, bei einem Kaiserschnitt dabei zu sein. Das hat mich so fasziniert, dass ich mich für das Studium beworben habe. Als ich beim ersten Bewerbungsversuch nicht angenommen wurde, habe ich ein Jahr lang einen Freiwilligendienst auf der Wochenbettstation absolviert. Diese Zeit hat mich in meiner Entscheidung bestärkt und genau auf dieser Station hatte ich auch meinen letzten Praxiseinsatz.
Es gibt mir viel, die Frauen nach der Geburt zu betreuen oder den Vätern eine Wickelanleitung zu geben, gerade wenn sie am Anfang noch gar nicht wissen, wie sie das Baby anfassen sollen und dann mit der Zeit immer mutiger werden.
Was macht dir an deinem Beruf Spaß? Das evidenzbasierte Arbeiten in der Uni macht mir Spaß. Ich bin ein Fan davon, das Gelernte in der Folge anzuwenden. Daher freue ich mich immer am meisten auf den nächsten Praxiseinsatz. Es gibt mir viel, die Frauen nach der Geburt zu betreuen oder den Vätern eine Wickelanleitung zu geben, gerade wenn sie am Anfang noch gar nicht wissen, wie sie das Baby anfassen sollen und dann mit der Zeit immer mutiger werden. Manchmal haben die Frauen zu Anfang Stillprobleme und nach ein paar Tagen funktioniert es dann und man feiert erste Erfolge.
Machen bei euch auch männliche Personen das Studium? Bei uns nicht, aber in Leipzig. Ich persönlich freue mich immer, wenn ich von einer männlichen Hebamme höre.
In den letzten Jahren hat sich auch die Vorstellung von Geschlecht geändert. Welchen Einfluss hat das auf deine Arbeit? Im Krankenhaus beschäftigen wir uns tatsächlich kaum bis gar nicht damit, was ich schade finde. In der Uni hatten wir ein ganzes Modul zum Thema Geschlecht. Wir haben zum Beispiel überlegt, warum es „Mutterpass“ heißt, wenn auch Väter Kinder bekommen können. Solche Überlegungen finden auch Anwendung im Arbeitsalltag. Zum Beispiel, wenn eine Begleitperson im Kreißsaal ist, fragt man sich: Ist das die beste Freundin, die Schwester oder vielleicht die Partnerin? Da sind wir sehr darauf gepolt, nicht vom heteronormativen Bild auszugehen.
Wie geht ihr damit um, wenn ein Kind stirbt? Sterben gehört zum Leben mit dazu. Natürlich will man Mutter und Kind wohlbehalten durch die Geburt bringen. Bei stillen Geburten, also einer Geburt, bei der das Kind ohne erkennbare Lebenszeichen zur Welt kommt, versucht man, so feinfühlig wie möglich zu sein und durch Schmerzmittel zumindest physische Schmerzen zu lindern. Wenn uns irgendetwas belastet, sprechen wir darüber. Wichtig ist auch die Frage, ob man bestmöglich unterstützt hat.
Sind alle Babys süß? Nein, auf keinen Fall. Einmal bin ich von der Arbeit nach Hause gekommen und meinte zu meiner Mutter: Heute gab es ein richtig hässliches Baby auf der Station. Daraufhin hat meine Mutter mir erzählt, dass ich auch ein hässliches Baby war. Von daher: Auch Mütter finden ihr Baby hässlich, aber die lieben es trotzdem und so soll es auch sein.
Manchmal werde ich auf die „Hebamme“ reduziert und die Person dahinter verschwindet.
Welche Frage bekommst du immer auf Partys in Bezug auf deinen Beruf gestellt, die dich nervt? Es sind weniger Fragen, sondern eher Aussagen wie „Ach, du bist Hebamme, das ist aber ein cooler Job. Also ich könnte das gar nicht.“ Die nächste Sache ist, dass alle, die Kinder bekommen haben, mir ihre Geburtsgeschichten erzählen. Ich freue ich mich zwar, dass sie mir so etwas anvertrauen, allerdings bin ich ja auch einfach privat auf einer Familienfeier oder einem Geburtstag und nicht zum Arbeiten. Manchmal werde ich auf die „Hebamme“ reduziert und die Person dahinter verschwindet.
Was muss man mitbringen, um Hebamme zu werden? Man braucht Empathie und man muss sich behaupten können. Sehr hilfreich ist es, eine klare Motivation zu haben. Es wird Dienste geben, da sitzt man im Kreißsaal und heult einfach nur, weil schreckliche Dinge passiert sind oder man von irgendwem angepampt wurde. Das ist normal. Unsere Dozentin hat uns das am ersten Tag des Studiums vorausgesagt. Trotzdem mache ich weiter. Der Tag wird kommen, an dem ich als examinierte Hebamme hier stehe und daran gewachsen bin.
Alle wollen sie, nicht jeder genießt sie: Die berühmte erste Arbeitserfahrung. In der Rubrik „Jobkompass“ berichtet die junge Generation von interessanten, skurrilen und unschönen Praktikums- und Nebenjoberfahrungen und interviewt Menschen mit inspirierenden Berufen.
Seit dem Besuch einer Hebamme an ihrer Grundschule war für die inzwischen 21-jährige Imke Pollenske klar: Auch sie möchte später in der Geburtshilfe arbeiten. Der Job der Hebamme ist einer der ältesten Berufe und gilt als systemrelevant – es ist ein Beruf, auf den die Gesellschaft angewiesen ist. Inzwischen lernt die Hildesheimerin im vierten Semester ihres dualen Studiums alles über Steißbeinlage, Dammschütze und hilft außerdem schon vielen Frauen bei der Geburt. Im Interview erzählt Imke, wie ihr Arbeitsalltag im Schichtdienst aussieht und erzählt, was man mitbringen muss, um Hebamme werden zu können.
Liebe Imke, wie sieht ein typischer Arbeitstag bei dir aus?
Auf der Wochenbettstation beginnt der Dienst meistens mit einer Übergabe, also allen Informationen darüber, wer gerade auf der Station liegt und wie es denjenigen geht. Dann gehen wir als Schichtpersonal durch die Zimmer, stellen uns vor und erkundigen uns, ob wir akut helfen können. Während des Dienstes verschaffen wir uns einen Überblick, welche Untersuchungen anstehen, beispielsweise der Hörtest oder die U2 bei den Neugeborenen. Der Dienst endet wieder mit einer Übergabe. Ob zwischendurch Zeit für eine Pause bleibt, ist sehr unterschiedlich. Bei Nachtdiensten kann man auch mal verschnaufen, während der anderen Dienste setzt man sich mal mit Kolleginnen und Kollegen eine halbe Stunde hin. Wie viel wir Studierenden selbst machen dürfen, hängt davon ab, in welchem Semester wir sind. Im ersten Semester haben wir mit dem Wickeln angefangen, Temperaturen gemessen, Stillhilfe geleistet, Wochenbettbesuche durchgeführt und Vitalzeichen ausgewertet. Mittlerweile dürfen wir das meiste unter Aufsicht des examinierten Personals selbst machen.
Welche Geräte benutzt ihr?
Thermometer, Stethoskop und Druckmanschette sind auf der Wochenbettstation täglich im Einsatz. Im Kreißsaal sitze ich auch viel an den Betten und bin einfach für die Frauen da. Ein sehr wichtiges Werkzeug sind meine Hände, zum Beispiel, um zu fühlen, wie das Kind im Bauch liegt. Mit ihnen kann ich auch Kraft oder Trost zu spenden.
Im Moment arbeitest du im Krankenhaus und besuchst auch Vorlesungen. Wie läuft der Weg zur Hebamme ab?
Das duale Studium umfasst sieben Semester und besteht aus Praxisphasen und Theoriephasen. In den Theorieblöcken sind wir in der Hochschule und besuchen Seminare. Während der vorlesungsfreien Zeit arbeiten wir meistens im Krankenhaus, es gehören aber auch zwei Praxiseinsätze bei freiberuflichen Hebammen dazu.
Du stehst im Kontakt zu älteren Hebammen. Früher hat man eine Ausbildung zur Hebamme gemacht, mittlerweile wird nur noch das Studium angeboten. Wie bewertest du den Übergang?
Am Anfang haben viele den Wechsel eher kritisch gesehen. Auf einmal kamen die Studierenden von der Hochschule mit neuen Infos und neuen Herangehensweisen. Wir lernen vermehrt evidenzbasiert und stoßen dann im Kreißsaal – in der Praxis – auf Sachen, die wir nicht kennen und bei denen wir uns fragen, warum das gemacht wird.
Warum wolltest du Hebamme werden?
In der Grundschule war eine Hebamme bei uns in der Klasse, die Mutter eines Mitschülers. Tatsächlich bin ich schon fünf Jahre lang im medizinischen Bereich tätig. Ich fand es damals in der Schule einfach einen interessanten Beruf und wollte Menschen helfen. Darum habe ich nach dem erweiterten Realschulabschluss auf eine gesundheitliche Fachoberschule gewechselt. Im Zuge dessen habe ich ein Jahr lang ein Praktikum im Krankenhaus gemacht. Dabei hat mir ein Arzt erlaubt, bei einem Kaiserschnitt dabei zu sein. Das hat mich so fasziniert, dass ich mich für das Studium beworben habe. Als ich beim ersten Bewerbungsversuch nicht angenommen wurde, habe ich ein Jahr lang einen Freiwilligendienst auf der Wochenbettstation absolviert. Diese Zeit hat mich in meiner Entscheidung bestärkt und genau auf dieser Station hatte ich auch meinen letzten Praxiseinsatz.
Was macht dir an deinem Beruf Spaß?
Das evidenzbasierte Arbeiten in der Uni macht mir Spaß. Ich bin ein Fan davon, das Gelernte in der Folge anzuwenden. Daher freue ich mich immer am meisten auf den nächsten Praxiseinsatz. Es gibt mir viel, die Frauen nach der Geburt zu betreuen oder den Vätern eine Wickelanleitung zu geben, gerade wenn sie am Anfang noch gar nicht wissen, wie sie das Baby anfassen sollen und dann mit der Zeit immer mutiger werden. Manchmal haben die Frauen zu Anfang Stillprobleme und nach ein paar Tagen funktioniert es dann und man feiert erste Erfolge.
Machen bei euch auch männliche Personen das Studium?
Bei uns nicht, aber in Leipzig. Ich persönlich freue mich immer, wenn ich von einer männlichen Hebamme höre.
In den letzten Jahren hat sich auch die Vorstellung von Geschlecht geändert. Welchen Einfluss hat das auf deine Arbeit?
Im Krankenhaus beschäftigen wir uns tatsächlich kaum bis gar nicht damit, was ich schade finde. In der Uni hatten wir ein ganzes Modul zum Thema Geschlecht. Wir haben zum Beispiel überlegt, warum es „Mutterpass“ heißt, wenn auch Väter Kinder bekommen können. Solche Überlegungen finden auch Anwendung im Arbeitsalltag. Zum Beispiel, wenn eine Begleitperson im Kreißsaal ist, fragt man sich: Ist das die beste Freundin, die Schwester oder vielleicht die Partnerin? Da sind wir sehr darauf gepolt, nicht vom heteronormativen Bild auszugehen.
Wie geht ihr damit um, wenn ein Kind stirbt?
Sterben gehört zum Leben mit dazu. Natürlich will man Mutter und Kind wohlbehalten durch die Geburt bringen. Bei stillen Geburten, also einer Geburt, bei der das Kind ohne erkennbare Lebenszeichen zur Welt kommt, versucht man, so feinfühlig wie möglich zu sein und durch Schmerzmittel zumindest physische Schmerzen zu lindern. Wenn uns irgendetwas belastet, sprechen wir darüber. Wichtig ist auch die Frage, ob man bestmöglich unterstützt hat.
Sind alle Babys süß?
Nein, auf keinen Fall. Einmal bin ich von der Arbeit nach Hause gekommen und meinte zu meiner Mutter: Heute gab es ein richtig hässliches Baby auf der Station. Daraufhin hat meine Mutter mir erzählt, dass ich auch ein hässliches Baby war. Von daher: Auch Mütter finden ihr Baby hässlich, aber die lieben es trotzdem und so soll es auch sein.
Welche Frage bekommst du immer auf Partys in Bezug auf deinen Beruf gestellt, die dich nervt?
Es sind weniger Fragen, sondern eher Aussagen wie „Ach, du bist Hebamme, das ist aber ein cooler Job. Also ich könnte das gar nicht.“ Die nächste Sache ist, dass alle, die Kinder bekommen haben, mir ihre Geburtsgeschichten erzählen. Ich freue ich mich zwar, dass sie mir so etwas anvertrauen, allerdings bin ich ja auch einfach privat auf einer Familienfeier oder einem Geburtstag und nicht zum Arbeiten. Manchmal werde ich auf die „Hebamme“ reduziert und die Person dahinter verschwindet.
Was muss man mitbringen, um Hebamme zu werden?
Man braucht Empathie und man muss sich behaupten können. Sehr hilfreich ist es, eine klare Motivation zu haben. Es wird Dienste geben, da sitzt man im Kreißsaal und heult einfach nur, weil schreckliche Dinge passiert sind oder man von irgendwem angepampt wurde. Das ist normal. Unsere Dozentin hat uns das am ersten Tag des Studiums vorausgesagt. Trotzdem mache ich weiter. Der Tag wird kommen, an dem ich als examinierte Hebamme hier stehe und daran gewachsen bin.
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