Meinung

Sehen meine Eltern mich, wie ich bin?

Mädchen schaut nachdenklich
Oft entwickeln wir uns anders, als unsere Eltern es gerne hätten.
Marley Ebelt, funky-Jugendreporterin

Die Eltern sind die ersten Menschen, die ein Kind kennenlernt und die es erziehen. Dadurch wird man vor allem im Kindesalter enorm geprägt und übernimmt Werte und Meinungen. „Das ist richtig. Jenes ist falsch.“ – So lernen wir von unseren Eltern und mit ihnen. Wir übernehmen ihre Moralvorstellungen und Ansichten. Und so lernen wir Kinder die Welt erst einmal kennen.

Doch je älter wir werden, desto mehr beginnen wir, diese Wahrheit und diese Wahrnehmung zu hinterfragen. Es liegt auf der Hand: Sobald wir beginnen, uns von unseren Eltern abzunabeln, können auch andere Umwelteinflüsse und das freundschaftliche Umfeld neue Meinungen, Werte und Weltansichten in unseren Kosmos bringen.

Wir entwickeln unsere eigene Meinung, und das ist auch gut so. Diese unterscheidet sich nicht selten stark von der unserer Eltern – was gerade in der Pubertät auch ein wichtiger Baustein der Entwicklung ist. Nur so entsteht Autonomie und Eigenständigkeit. Und dabei entdecken sowohl wir als auch unsere Eltern, dass Differenzen und Unterschiede existieren, die zuvor nicht wahrgenommen wurden. Sehen meine Eltern mich wirklich, wie ich bin?

Ich bin in vielerlei Hinsicht anders, als meine Eltern es wohl erwartet hätten. Ich denke anders als sie, fühle anders als sie. Meine Eltern unterstützen mich in allem, was ich tue, und versuchen mir, wie ich bin, gerecht zu werden. Aber manchmal kommen wir alle an unsere Grenzen. Dann müssen wir als Familie akzeptieren, dass das elterliche Verständnis und die Unterstützung manchmal begrenzt sind.

Meine Eltern sind zwei sehr beeindruckende Menschen, aber sie kommen eben auch aus einer anderen Generation.

Meine Eltern sind zwei beeindruckende Menschen, aber sie kommen eben auch aus einer anderen Generation. Auch sie wurden auf eine bestimmte Weise erzogen, haben von ihren Eltern bestimmte Werte und Ansichten vermittelt bekommen. Sie waren in meinem Alter anders, als ich es heute bin.

Meine Eltern sind zwei Hetero-Cis-Personen mit einem queeren Kind. Als sie jugendlich waren, galt das noch als Krankheit. Deshalb habe ich das Gefühl, dass sie sich die meiste Zeit hauptsächlich Sorgen um mich machen. Erst wenn es ihnen gelingt, diese Sorgenbeiseitezuschieben, sehen sie mich. Einen Menschen, der Musik und Poesie liebt. Einen romantischen und sensiblen Menschen. Einen Menschen, der anders ist, als sie ihn sich vorgestellt hatten. Aber einen glücklichen Menschen.

Sie müssen mich nicht immer so sehen. Es ist ihr gutes Recht, sich Sorgen zu machen, und wahrscheinlich hat es mich schon vor so mancher Dummheit bewahrt. Sie müssen mich auch nicht immer verstehen. Dafür gibt es andere Menschen, die das besser können. Aber wenn sie mich sehen und mich verstehen, dann sehen sie vielleicht, dass ich doch das Kind bin, das sie sich vorgestellt hatten: ihres.

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Wir haben genug davon, dass die Geschichten immer nur von den Alten erzählt werden. Deswegen haben wir den Stift selbst in die Hand genommen, sind durch die Lande gezogen, haben Geschichten und Menschen gesucht, gefunden und alles aufgeschrieben, was uns untergekommen ist. Wir haben unsere Smartphones und Kameras gezückt und Fotos und Videos gemacht. Auf funky zeigen wir euch die Ergebnisse unserer Recherchen.