Brust-OP: Zwischen Schönheitsidealen und Selbstliebe

Frau vor dem Spiegel, mit vor der Brust verschränkten Armen
Manche Menschen lassen sich operieren, um sich in ihrem Körper wohlzufühlen.

Mit 23 Jahren ließ sich Hanna ihre Brüste vergrößern. Zu lange hatte sie sich in ihrem Körper unwohl gefühlt. Die heute 29-Jährige blickt zurück auf eine Zeit, die von Unsicherheiten geprägt war und erzählt, wie sie heute zu ihrem Körper steht.

Lisa Rethmeier, funky-Jugendreporterin

Das Unwohlsein begann in der Pubertät. Wenn Hanna* ihre Mitschülerinnen betrachtete, bemerkte sie sofort ihre körperlichen Veränderungen: Bei allen entwickelten sich die Brüste, nur bei ihr selbst tat sich nichts. Anfangs noch hoffnungsvoll wartete sie ab. Schließlich hatten auch ihre Mutter und Großmutter eine recht große Oberweite. Sie sei vielleicht nur spät dran, dachte sie. Doch es tat sich nichts. Ihre Brüste wollten nicht über das kleine A-Körbchen hinauswachsen. „Ich fühlte mich damals unwohl in meinem Körper und trug fast immer einen Push-Up-BH“, erinnert sie sich zurück. So kam es, dass sie irgendwann das erste Mal über eine Brustvergrößerung nachdachte.

Egal wo Hanna war, immer sah sie sich mit dem vermeintlich perfekten Körper einer Frau konfrontiert. Instagram gab es in ihrer Jugend zwar noch nicht, aber sie erinnert sich an ein anderes Erlebnis. In einer Zeitung, die damals bei ihren Eltern im Restaurant auslag, waren auf einer Seite oft halbnackte Frauen mit überdimensionalen Brüsten abgebildet. Weil Hanna nicht wollte, dass ihre nackten Brüste zu sehen waren, malte sie ihnen Klamotten, zog sie quasi an. Diese Frauen reproduzierten für Hanna Schönheitsideale in übertriebener Weise, die ihre Vorstellung vom vermeintlich perfekten Körper prägen sollten.

Einige Jahre später, als Hanna 23 Jahre alt war, eröffnete in ihrer Nähe eine Klinik für Schönheitsoperationen. Eine Brustvergrößerung war dort vergleichsweise günstig. Hanna wurde neugierig und vereinbarte ein Erstgespräch. „Anfangs hat mich der Preis stutzig gemacht. Aber das Gespräch konnte mich überzeugen. Ich dachte damals: Ich mache das jetzt einfach.“ 3.000 Euro kostete die Operation für eine Brustvergrößerung. Geld, das Hanna eigentlich fürs Reisen gespart hatte. Doch sie entschied sich, es stattdessen für den Eingriff auszugeben, um sich endlich in ihrem Körper wohlzufühlen.

Hannas Umfeld reagierte zunächst skeptisch, als sie von ihrem Plan erzählte. Ihre Mutter machte sich Sorgen. Doch alle akzeptierten die Entscheidung, weil sie wussten, wie groß ihr Leidensdruck war. „Im Nachhinein muss ich zugeben, dass ich damals recht uninformiert war. Ich wollte es aber unbedingt. Zu dem Zeitpunkt habe ich mich schon viel zu lange unwohl in meinem Körper gefühlt“, erinnert sie sich.

Ein halbes Jahr nach dem Erstgespräch war es dann so weit: Hannas Brust-Operation stand an. Mit Thrombosestrümpfen im Gepäck – bei einer solchen Operation besteht das geringe Risiko einer Thrombose – machte sie sich morgens auf den Weg in die Klinik. „Angst vor dem Eingriff hatte ich nicht. Ich war jung und gesund und bin einfach davon ausgegangen, dass schon alles gut laufen wird“, sagt Hanna. Das Einzige, was ihr ein bisschen Sorgen bereitete, war, ob die Brüste am Ende auch so aussehen würden, wie sie wollte – halbwegs natürlich. Sie hatte sich für das kleinste Implantat entschieden, das es in der Klinik gab.

Nach der OP ein monatelanger Prozess

Als sie nach ihrer Operation aus der Vollnarkose erwachte, hing sie an Kabeln und Schläuchen. Durch ihren Körper flossen Schmerzmittel, trotzdem erinnert sie sich an unangenehme Gefühle kurz nach dem Eingriff: „Mein Körper schmerzte wie nach einem Unfall.“ Ihre neuen Brüste sehen konnte sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht, denn ihr ganzer Oberkörper war einbandagiert. Nach einer Nacht in der Klinik ging sie geschwächt nach Hause.

Zwei Wochen musste Hanna Bettruhe halten. Die Implantate wurden bei ihr über einen Schnitt in der Achselhöhle eingeführt. Ihre Arme schmerzten so sehr, dass sie sie kaum bewegen konnte. Als Konsequenz bildeten sich ihre Muskeln zurück und sie hatte kaum noch Kraft im Oberkörper und in den Armen. Doch mit der Zeit ließ der Schmerz nach.

In den ersten Wochen trug Hanna einen Kompressions-BH und -Gürtel. Diese Maßnahmen sollten ihre Implantate stabilisieren und in die richtige Form bringen. So konnten sie in der Heilungsphase langsam mit dem umliegenden Gewebe verwachsen. Beim Wechseln des BHs konnte Hanna sich ihre Brüste zum ersten Mal anschauen. „Sie sahen komisch aus, wie riesige Tennisbälle. Alles war blau und geschwollen.“

Nach drei Monaten durfte Hanna den Kompressions-BH und -Gürtel endlich ablegen, musste aber weiterhin einen Stütz-BH tragen. Sechs Monate später nahmen die Brüste ihre endgültige Form an und waren nicht mehr so geschwollen. Aus ihrem A-Körbchen ist ein volles C-Körbchen geworden. „Anfangs war es sehr komisch, die Veränderungen an meinem Körper zu sehen. Da war etwas dran, was da eigentlich nicht sein sollte.“

Empowerment oder Unterdrückung?

Heute weiß die 29-Jährige nicht, ob sie sich genauso entscheiden würde, wie vor sechs Jahren: „Mein Mindset hat sich definitiv geändert. Ich hätte jetzt viel mehr Bedenken vor einem Eingriff wie diesem.“ Trotzdem ist sie froh darüber, wie sich ihr Körper durch die Operation verändert hat. Wenn sie sich Bilder aus der Zeit vor der Brust-Operation anschaut, denkt sie oft, dass es die richtige Entscheidung war. Hanna fühlt sich heute wohl in ihrem Körper. Doch sie weiß nicht, ob das heute nicht vielleicht auch ohne Implantate der Fall sein könnte. Manchmal hätte sie schon gerne echte Brüste, die sich auch so anfühlen – Brüste, die einfach zur Seite fallen, wenn sie sich hinlegt.

Ob sie die Brustvergrößerung nur für sich gemacht hat, oder ob es der Druck von außen war, einem Ideal zu entsprechen, weiß sie nicht. Vielleicht war es auch beides. „Ich sage zwar, dass ich die Operation für mich gemacht habe, aber sicher spielen auch normative Vorstellungen von Frauenkörpern eine Rolle, insbesondere die heterosexueller cis Männer. Es ist ein gesellschaftliches Problem, dass man sich erst im eigenen Körper wohlfühlt, wenn man bestimmten Idealen entspricht.“ Hanna kann aber auch verstehen, dass viele Menschen, sich selbst eingeschlossen, diesen Idealen entsprechen wollen. Vor allem, weil sie sich durch den Eingriff gestärkter und wohl in ihrer Haut gefühlt hat: „Man sieht sich selbst durch die Augen anderer Menschen. Man kann sich nur schwer der Meinung oder dem Blick anderer entziehen. Und jeder Mensch möchte doch positiv wahrgenommen werden und sich wohlfühlen.“

Gleichzeitig steht sie solchen Eingriffen und ihrer Entscheidung dazu sehr kritisch gegenüber: „Man sollte nicht vergessen, zu hinterfragen, warum wir uns in unseren Körpern gut fühlen oder eben nicht – also ob das Wohlbefinden von innen kommt oder von außen auferlegt wird. Die Macht, die andere Menschen oder gesellschaftliche bzw. männliche Schönheitsideale über uns haben, kann auch dazu führen, dass wir uns diesen Normvorstellungen unterwerfen und sie reproduzieren. Und das ist das Gegenteil von Selbstbestimmung und Empowerment.“

Über Schönheitsoperationen

  • Eine Schönheitsoperation ist ein chirurgischer Eingriff, der selten lebensnotwendig ist.
  • Die Eingriffe dienen einer oft subjektiv wahrgenommenen Verschönerung des menschlichen Körpers.
  • Da es sich um teilweise schwere, irreversible Eingriffe handelt, sollte man sich vor einem solchen Eingriff umfassend informieren.
  • Wie jede Operation sind auch Schönheitsoperationen mit Gefahren verbunden. Die Risiken können minimiert werden, wenn die Patientin oder der Patient die Auswahl des durchführenden Arztes sehr sorgfältig vornimmt und gründlich kommuniziert.
  • Aber: Im Zweifel rät jeder seriöse Mediziner vom Eingriff ab.


*Name von der Redaktion geändert

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