Interview

Unterwegs auf dem Jakobsweg: „Ich habe es mir spiritueller vorgestellt“

Zwei Wanderer gehen den Jakobsweg entlang.
Statt dem typischen Strandurlaub, wollte Felicia mal was Neues ausprobieren.
Friederike Keil, funky-Jugendreporterin

Seit über 800 Jahren werden verschiedene Routen, die als Jakobsweg bekannt sind, von christlichen Pilgerinnen und Pilgern beschritten. Auch wenn die christliche Rolle heute in den Hintergrund rückt, widmen sich nach wie vor viele Menschen der Herausforderung, zumindest einen Teil der 800 Kilometer des UNESCO-Weltkulturerbes zu bewältigen. So auch die 25-jährige Felicia Tölle aus Berlin. Die Psychologie-Studentin hat vor fünf Jahren auf dem Camino Portugues in zwei Wochen die Distanz von etwa 280 Kilometer zwischen Porto und Santiago de Compostela zurückgelegt. Im Interview berichtet sie über dieses unvergessliche Erlebnis.

Warum hast du dich dazu entschieden den Jakobsweg zu pilgern? Wie verlief die Planung?
Eine Freundin und ich wollten uns gemeinsam einer sportlichen und mentalen Herausforderung stellen und haben uns daher das Pilgern als Neujahresvorsatz vorgenommen. Wir gehen beide gern wandern und sind sportlich aktiv, daher wollten wir statt dem typischen Strandurlaub mal etwas Neues ausprobieren. Ab Januar haben wir dann angefangen zu planen und hatten dafür bis August genügend Zeit. Wir haben uns ein paar YouTube-Videos mit Erfahrungsberichten und Packempfehlungen angesehen. Außerdem haben wir uns einen Reiseführer für den Jakobsweg besorgt. Kurz vorher haben wir außerdem unsere Etappen geplant, Equipment besorgt und uns ein Hostel für die Ankunft in Porto gebucht, da wir uns vor dem Pilgern zwei Tage Zeit nehmen wollten, um uns die Stadt anzusehen. 

Ich stelle mir es schwierig vor, spontan Unterkünfte zu finden und die Versorgung zu organisieren. Wie hat das funktioniert?
Es hat sehr gut funktioniert. Wir haben fast immer in Pilgerherbergen geschlafen. Dort bekommt man einen Schlafplatz, entweder kostenlos oder für maximal fünf bis zehn Euro. Falls es in der Herberge eine Küche gab, haben wir dort gekocht. Ansonsten gibt es in vielen Restaurants entlang des Jakobsweges extra Pilgermenüs, die wenig kosten. Für unterwegs haben wir uns aus Deutschland vorsorglich ein paar Energieriegel mitgenommen.  Bei den Pilgerherbergen ist es allerdings so, dass sie nach einem „first come, first serve“-Prinzip funktionieren und besonders auf den stärker genutzten Strecken nahe Santiago sind diese häufig schon voll belegt und können keine Gäste mehr aufnehmen. 

Gab es Pannen oder ungeplante Vorfälle? 
An einem Tag war es besonders heiß, um die 36 Grad, und wir hatten eine besonders lange Etappe von etwa 37 Kilometern geplant. Wir haben während der Strecke jedoch nicht genug getrunken und vor allem zu wenig auf unseren Elektrolyte-Haushalt geachtet. Als wir endlich am Ziel angekommen sind, haben meine Freundin und ich beide gemerkt, dass es uns nicht gut ging. Uns war schwindelig, übel und wir hatten Schüttelfrost – klassische Symptome von einem Sonnenstich. Nachdem ich geduscht habe, ging es mir langsam etwas besser, während es meiner Freundin immer schlechter ging. Zum Glück haben die Herbergsleitung und die anderen Pilger und Pilgerinnen, die wir dort getroffen haben, sich gut um uns gekümmert. Den nächsten Tag sind wir dann etwas langsamer angegangen. Wir brachen erst gegen Mittag auf und haben zuvor reichlich Flüssigkeit zu uns genommen. 

Wenn man von anderen Jakobsweg-Berichten hört, soll es wahnsinnig spannend sein, auf der Reise unterschiedliche Menschen kennenzulernen. Erging es euch auch so?
Ja, auf jeden Fall! Das war das Schönste an der ganzen Reise. Ich habe viele Menschen in meinem Alter kennengelernt. Aber auch Menschen, die komplett anders waren als ich und mit denen ich normalerweise nie Kontakt gehabt hätte. Aber da alle dasselbe Ziel hatten, sind diese Unterschiede ganz egal. Wir sind beispielweise eine Zeit lang mit einem brasilianischen Priester unterwegs gewesen, der schon über 80 Jahre alt war. Ich würde daher jedem empfehlen, in den Pilgerherbergen zu übernachten, da man dort die schönste Gemeinschaft erlebt. 

Welche Tipps hast du für jemanden, der den Jakobsweg laufen möchte? Welche Utensilien waren „Must-Haves“, auf die du nicht verzichten würdest?
In den Pilgerherbergen übernachten, um möglichst viele Menschen kennenzulernen. Außerdem rate ich, erst einmal „klein“ anzufangen: Lieber eine kurze und einfache Strecke wählen, als sich gleich zu übernehmen. Meine Must-Haves waren eine Fußcreme und eine Wasserblase, durch die ich nicht jedes Mal den Rucksack absetzen musste, um zu trinken.

War das Erlebnis so wie du es dir vorgestellt hast? 
Ich glaube, ich habe es mir „spiritueller“ vorgestellt. Ich hatte die Erwartung, dass mir durch das Pilgern auf einmal wichtige Erkenntnisse über mein Leben kommen werden. Das war gar nicht so. Durch die tägliche Anstrengung war ich viel zu erschöpft, um über so etwas nachzudenken. Aber es war trotzdem wahnsinnig schön und ich hätte nicht gedacht, dass man so viele interessante Menschen trifft. Ich würde es auf jeden Fall nochmal machen und dann eventuell eine andere Route ausprobieren.

Wenn du an deine Jakobsweg-Erfahrung denkst, gibt es einen besonderen Moment, der dir sofort in den Sinn kommt?
Das ist ein bisschen klischeehaft, aber als wir in Santiago angekommen sind, haben wir uns Jakobsmuschel-Tattoos als Erinnerung stechen lassen. Das war wahrscheinlich die tausendste Muschel, die der Tattoo-Artist stechen musste. Aber für uns ist es immer noch eine schöne Erinnerung und es war ein wundervoller Abschluss einer langen Reise

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