Interview

Saskia Keilbach: „Im Prinzip sind es Zeitmanagement, Disziplin und schlaflose Nächte.“

Ausschnitt aus dem Tanzfilm „Verve"
Saskia Keilbach in Manuel Mohnkes Tanzfilm „Verve".

Saskia Keilbach arbeitet seit fünf Jahren als Schauspielerin und ist gleichzeitig Mutter einer mittlerweile fünfjährigen Tochter. Im Interview erzählt die 27-Jährige vom Einstieg in die Schauspielbranche, von Erfolgen und Frust, dem Alltag als junge Mutter und den Vorurteilen, die ihr entgegengebracht werden.

Lena Enders, funky-Jugendreporterin
Foto: Zaucke

Liebe Saskia, wie bist du Schauspielerin geworden?
Tatsächlich war das ein langer Prozess. Als ich im Jahr 2013 nach Berlin kam, wollte ich mich erst einmal schauspielerisch ausprobieren. Ich habe Schauspielunterricht genommen, in Theatergruppen mitgespielt und Coachings gemacht. Dadurch habe ich begonnen, mich in der Schauspielbranche zu vernetzen und in Kurzfilmen mitzuwirken. Ich brauchte Szenen für mein Demo-Band. Ein Demo-Band ist eine Sammlung aller gedrehten Szenen, mit dem man sich bei Schauspielagenturen bewerben kann. Die Agentur vertritt dich dann und schlägt dich bei Produktionen vor. Nach fünf Jahren hatte ich endlich genug zusammen, um mich bei Agenturen zu bewerben und wurde 2018 bei meiner Agentur Koi-Actors in Berlin aufgenommen.

Wolltest du schon immer Schauspielerin werden?
Ich wollte schon mit fünf Jahren Schauspielerin werden. Alle haben sich gefragt, wie ich auf diese Idee kam. Ich bin auf dem Dorf aufgewachsen und hatte gar keinen Kontakt zu Schauspieler*innen. Es hat sich etabliert, dass ich auf jedem Familienfest ein Stück vorgeführt habe: Entweder habe ich Lehrer*innen oder Freund*innen imitiert oder Szenen aus Filmen nachgespielt, getanzt und gesungen. In meiner Dorfsiedlung habe ich mich manchmal auf den Balkon gestellt und der ganzen Straße etwas vorgespielt.

Wie liefen deine ersten Castings ab?
Überraschenderweise liefen die ersten Castings fantastisch – ganz unerwartet habe ich positives Feedback bekommen oder bin weitergekommen. Erst später kam eine kleine Durststrecke. Ich habe auch verstanden warum: Zu Anfang war ich entspannt, weil ich keine Erwartungen hatte. Diese Grundentspannung hat mir Lockerheit und Authentizität verliehen, die ich in dieser Form nicht mehr erreicht habe. Ich arbeite momentan daran, abgesehen von den Erwartungen mit mehr Spaß und Spielfreude in die Castings zu gehen. Das nimmt den Druck.

Wie steht es mit Frust in einer Schauspielkarriere?
Um den Frust kommt man nicht herum. Er gehört dazu, er ist immer da, wenn Absagen oder gar keine Rückmeldung nach einem Casting kommen. Ich habe früh verstanden, dass ich lernen muss, mit Frust umzugehen, sonst frisst er mich auf. Ich versuche bei einer Absage meine Perspektive zu ändern: Es ist keine Entscheidung gegen mich ist, sondern für eine andere Person. So nehme ich es nicht so persönlich. Es ist leider manchmal eine Typ-Frage und hat nichts mit meinem Talent oder meiner Kompetenz zu tun. Wenn sich eine Tür schließt, öffnet sich eine andere.

In dieser Branche begreift man schnell, dass Erfolg temporär ist und man die kleinen Dinge sehen muss.

Umgekehrt: Wie sieht es mit Erfolg in der Schauspielbranche aus?
Es ist super schön, Erfolg zu haben! Aber in dieser Branche begreift man schnell, dass Erfolg temporär ist und man die kleinen Dinge sehen muss. Wenn ich für eine Produktion nicht ausgewählt wurde, weiß ich zu schätzen, wie sehr ich an dieser Rolle gewachsen bin und was ich Neues dazugelernt habe. Dann ist es trotzdem ein Erfolg. Es ist sehr viel Arbeit an diesen mentalen Punkt zu kommen.

Foto: Alexander Peitz

Wie startet man überhaupt, wenn man Schauspieler*in werden möchte?
Im besten Fall fängt man so früh wie möglich an. Als Kind gehst du ganz anders an Rollen heran: Mit weniger Zweifeln und Gedanken, was andere von dir halten könnten.
Ansonsten ist das A und O eine Agentur zu finden, die dich vertritt, sonst kommst du nicht an Castings ran. Um Material zu sammeln, versuche deine Vita an schwarze Bretter von Filmhochschulen zu hängen, so kommt man mit Filmstudent*innen in Kontakt. Vernetze dich auf allen gängigen Plattformen, auch auf Social Media, um Kontakte und Demo-Szenen zu sammeln. Projekte sind wichtig, um sich als Schauspieler*in kennenzulernen, um sich zu entfalten.

Du bist mit 22 Jahren Mutter geworden. Was hat sich dadurch geändert, privat und beruflich?
Ich wurde erst in meiner Agentur aufgenommen, als ich meine Tochter Amelie bereits hatte, also hat sich beruflich nicht viel geändert. Ich kenne es nicht anders.
Privat hat sich alles geändert. Du kannst das Leben einer Mutter nicht mit einer 22-Jährigen ohne Kind vergleichen. Mein Alltag wird durch die Bedürfnisse meines Kindes geleitet. Ich gebe zu, es war erst einmal schwierig, mich an die Mutterrolle zu gewöhnen. Wie bringe ich alles unter einen Hut? Wo mache ich Abstriche? Mittlerweile habe ich mich gefunden. Ich bin froh, jung Mutter geworden zu sein, denn ich sehe den Unterschied zwischen mir und anderen Eltern: Mein Partner und ich sind noch total wild, albern und kindisch mit unserer Tochter. Ich konnte dadurch sehr viel von mir bewahren. Im Prinzip sind es Zeitmanagement, Disziplin und schlaflose Nächte.

Wie haben dein Umfeld, dein Freundeskreis und deine Familie reagiert?
Ich wurde von meiner Familie, einer Karrierefamilie, von den positiven Reaktionen überrascht. Erst durch ihre Unterstützung und die der Familie meines Partners habe ich Sicherheit bekommen. Ich wusste, es wird sowohl finanziell als auch menschlich viel Rückhalt da sein, auf den ich mich verlassen kann. Mein Partner und ich sind nach Amelies Geburt zwei Jahre zu meiner Mutter gezogen um dort Hilfe zu erhalten. Mit dem Freundeskreis war es ähnlich positiv. Natürlich waren einige erst einmal überrascht und vielleicht auch schockiert, gerade weil es unerwartet kam, aber das gehört dazu und pendelt sich ein.

Heute bin ich stolz und selbstbewusst, junge Mutter und Schauspielerin zu sein.

Gibt es Vorurteile, die dir in der Schauspielbranche als junge Mutter begegnet sind?
Definitiv ja! Wenn ich daran zurückdenke, bin ich immer noch schockiert. Als ich mich 2017 bei Agenturen beworben habe, hatte ich mein Demo-Band parat. Als die Rückmeldungen einige Monate später kamen, war ich bereits schwanger und musste erzählen, dass sich meine private Situation verändert hat. Ich habe aber betont, dass ich bald wieder bereit sein würde, zu drehen. Es war heftig, als ich deswegen viele Absagen von Agenturen erhalten habe. Auch, dass mir nicht zugetraut wurde, ein Kind und die Schauspielerei auf die Reihe zu kriegen. Wie ich das hinkriege, ist meine Sache. Eine Agentur sollte auf meine Schauspielkunst gucken. Es ist mir noch ein weiteres Vorurteil begegnet: Als junge Frau mit Kind könne ich keine jugendlichen Rollen mehr spielen. Wenn ich mit anderen sehr jungen Schauspieler*innen gespielt habe, wurde ich auch anders betrachtet. Ich musste lernen, dazu zu stehen, das auszublenden, es ist einfach ein Job. Ich habe lange damit gekämpft. Heute bin ich stolz und selbstbewusst, junge Mutter und Schauspielerin zu sein.

Was wird am meisten am Beruf der Schauspielerin unterschätzt?
Menschen glauben, schauspielern sei einfach. Viele unterschätzen die Arbeit im Vorfeld: Recherche, Üben, sich in die Rolle einfinden. Wenn etwas Historisches verkörpert werden muss, musst du dich in die Zeit einfühlen. Du guckst dir Interviews oder Dokumentationen an. Das Wissen aus den Vorbereitungen musst du dann auf dich projizieren, es verkörpern und verinnerlichen. Außerdem bin ich nach Drehtagen sehr erschöpft. Wenn man etwas Emotionales spielt, muss das häufig 15 Mal nacheinander gespielt und erlebt werden, was emotional wahnsinnig anstrengend ist. Du musst auf Knopfdruck funktionieren, ungeachtet dessen, was bei dir privat los ist. Und das bei Nacht, in kaltem Wasser oder in kurzen Kleidern im Winter.

Du kannst in andere Leben schlüpfen und irgendwie immer Kind sein.

Was macht dir in deinem Beruf am meisten Spaß?
Als Schauspielerin kannst du heute eine Präsidentin sein, morgen im 16. Jahrhundert leben und übermorgen in die Gedankenwelt einer Mörderin eintauchen. Du kannst in andere Leben schlüpfen und irgendwie immer Kind sein. Man wird viel zu schnell erwachsen – und das spielen geht verloren. Als Schauspielerinspielst du immer.

Was würdest du jungen Menschen raten, die sich für die Schauspielerei interessieren?
Ausprobieren! Wenn es doch nichts für einen ist, ist das die eigene Entscheidung. Man sollte sich jedoch nicht von außen einreden lassen, dass es nicht klappen kann. Du bist nur lebendig, wenn du deine Träume auslebst. Also lasst euch nicht so schnell unterkriegen von negativem Feedback und glaubt an euch. Außerdem ist ein zweites Standbein, ein Backup sinnvoll. Wenn ein Casting nicht geklappt hat, weiß man, dass das Leben weitergeht.

Hast du auch einen Tipp für junge Eltern?
Aus Unerfahrenheit habe ich zu Anfang viel auf Tipps von anderen Menschen gehört. Das hat dazu geführt, dass ich lange gebraucht habe, mich als Mutter zu finden. Das Umfeld sollte einen unterstützen, aber nicht lenken. Mein Tipp: Den eigenen Weg finden. Dinge nicht zu ernst nehmen, sich nicht stressen lassen. Man wächst mit seinen Aufgaben.

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