Interview

Jungschauspieler Doguhan Kabadayi im Interview: „Ich bin ein Tagträumer“

Protagonist Soheil aus "Ein nasser Hund"
Protagonist Soheil aus "Ein nasser Hund"
Yasina Hipp, funky-Jugendreporterin

In seinem ersten großen Kinofilm „Ein nasser Hund“ verkörpert Doguhan Kabadayi (20) die Hauptrolle Soheil, einen jüdischen Jungen mit iranischen Wurzeln, der mit seiner Familie nach Berlin zieht und dabei schnell merkt, dass seine Religion für seine neuen muslimischen Freunde ein Problem ist. Im Interview erzählt der junge Schauspieler, warum er den Mut von Soheil bewundert, wie er zum Schauspielen kam und was er bislang für Casting-Erfahrungen gesammelt hat. 

Du bist ein richtiger Berliner: In Spandau geboren, aufgewachsen, zur Schule gegangen. Wie war es für dich, in deiner Heimatstadt zu drehen?
Es ist immer ein schönes Gefühl, wenn man zuhause sein kann. Und das ist bei mir eben Berlin. Ich fühle mich hier wohl und diesen Film hier gedreht zu haben, ist umso schöner. Das hätte ich mir nirgendwo sonst besser vorstellen können.

Für ein paar Szenen bist du dann sogar noch nach Israel geflogen.
Genau, wir waren in einem Vorort von Tel Aviv. Das ganze Projekt, vom Casting bis zum Dreh, war eine richtige Reise für mich. Und durch diesen Flug ist es dann auch wortwörtlich zu einer Reise geworden.

Wann hat das Casting stattgefunden und wie ist das alles abgelaufen?
Es hat etwa vier Monate vor dem eigentlichen Dreh, im September 2019, angefangen und war kein übliches Casting, wie man es sonst als Schauspieler kennt. Eines Tages fiel mir im Internet das Angebot zu „Ein nasser Hund“ ins Auge und ich bewarb mich per E-Mail, habe aber erstmal keine Rückmeldung bekommen. Deswegen war ich kurz davor aufzugeben. Zufällig habe ich in der U-Bahn wieder einen Casting-Aufruf für „Ein nasser Hund“ gesehen. Ich habe dann dort angerufen und sollte direkt zu einem Casting-Interview kommen. Danach folgte ein eintägiger Workshop. Dort haben wir improvisiert, gespielt und Übungen gemacht. Danach kam ein weiterer Workshop, der über sechs Wochen verteilt war, das war in den Sommerferien. In den sechs Wochen lernte ich alle anderen Schauspieler des Films kennen. Das Besondere dabei war, dass jeder einmal jeden Charakter spielen durfte. So konnte der Regisseur schauen, wer für welche Rolle am besten passt. Trotzdem wusste ich noch immer nicht, ob ich überhaupt eine Rolle bekomme. Das wusste ich erst, als ich wenig später zu einem spezifischen Rollen-Casting kommen sollte. Und bei mir war es direkt das Vorsprechen für die Hauptrolle Soheil – der Charakter, den ich die ganze Zeit schon haben wollte. Dass es am Ende funktioniert hat, war Schicksal.

Foto: © Volker Roloff/ Carte Blanche International/ 2019

Schicksal und deine Hartnäckigkeit haben dich also an das Set von „Ein nasser Hund“ geführt. Was gefällt dir am fertigen Film am besten?
Eigentlich gefällt mir der ganze Film. Das Besondere ist die Chemie und Bindung, die wir als Schauspieler haben. Das wäre nie so gewesen, wenn es diesen sechswöchigen Workshop nicht gegeben hätte. Dann wäre auch der Film nicht so geworden, wie er jetzt ist. Diese Atmosphäre und auch den Spaß, den wir beim Dreh hatten, und all die Momente, die wir als Gang, als Freunde, als Brüder gemeinsam hatten, waren das Beste.

Was hat dich beim Lesen des Drehbuchs überrascht?
Das Ende war für uns alle eine richtige Überraschung, ein Plot Twist. Aber es ist auf jeden Fall cool, weil ich mich immer freue, wenn man etwas nicht vorhersehen kann. Wenn man den Film gesehen hat, versteht man, wieso er so endet.

Wie war es, neben erfahrenen Schauspielern wie Kida Khodr Ramadan („4 Blocks“) oder Christoph Letkowski („Tatort“) vor der Kamera zu stehen?
Es war auf jeden Fall etwas Besonderes, zu wissen, dass hier so professionelle und erfahrene Schauspieler am Werk sind. Ich war aber nicht nervös oder aufgeregt. Ich habe einfach meine Arbeit getan und nicht daran gedacht. Ich konnte aber allein durch das Beobachten ganz viel von diesen Menschen lernen.

Der Film sollte ja eigentlich schon vor einem knappen Jahr anlaufen, wurde aber auf Grund von Corona verschoben. Wie hast du die Lockdown-Zeit wahrgenommen?
Das Zuhause-Sein hat mir gezeigt, dass man sehr kreativ sein kann. Ich habe viel Zeit in mich selbst investiert. Ich als Schauspieler und als Mensch wollte besser werden. Ich habe neue Sachen ausprobiert, habe viel gelesen, viele Filme geschaut. Und ich habe angefangen zu jonglieren.

Wie ging es trotz Pandemie nach den Dreharbeiten zu „Ein nasser Hund“ für dich weiter?
Ich habe nach „Ein nasser Hund“ das Hörspiel „Arzu“ und einen mittellangen Spielfilm gedreht. Mein letztes Projekt war der Fernsehfilm „Zero“, die Buchverfilmung von Marc Elsberg. Ich überlege auch eventuell in diesem Jahr ein Schauspielstudium anzufangen. Aber davon abgesehen werde ich versuchen, weiterzumachen. Ich denke oft nicht an das, was morgen ist oder später sein wird. Ich versuche, im Moment zu leben. Man sollte nie in der Vergangenheit leben, aber auch nicht zu oft an die Zukunft denken. Das kann einen nur verunsichern, verwirren oder Angst machen.

Seit ein, zwei Jahren läuft es bei dir ganz gut. Du hast auch erst vor drei Jahren so richtig mit dem Schauspielern begonnen. Wie kam es dazu?
Ich habe mich schon immer für Kino und Filme interessiert. Ich erinnere mich, dass ich als kleiner Junge mit meinem Vater und meinem Bruder fast jeden Freitag in die Videothek gegangen bin und Filme ausgeliehen habe. Filme haben mir immer eine Projektionsfläche zum Träumen geboten und wenn man dazu noch so ein Tagträumer ist, wie ich es bin, dann ist die Anziehung umso stärker. Wenn es einen Film gab, der mich besonders beeindruckt hat, habe ich mir unzählige „Behind the scenes“-Videos angeschaut. Aber auch ein ehemaliger Lehrer hat mir Kino noch einmal viel nähergebracht hat. Mittlerweile ist er ein guter Freund von mir. Er ist ein großer Filmfanatiker, der Kino liebt und dafür brennt. Er hat mir in der Mittelstufe Listen erstellt, mit Filmen, die ich mir anschauen sollte. Diese Listen habe ich nach und nach abgearbeitet. Dadurch verliebte ich mich immer mehr in das Schauspielen und in die Filme. Irgendwann dachte ich mir: „Wieso mache ich das eigentlich nicht selbst?“, und suchte im Internet nach Castings. Wenn man noch keine Erfahrung hat, ist es immer besser, wenn man mit Kurzfilmen anfängt. Dafür werden nicht unbedingt erfahrene Schauspieler gesucht. So hat es dann bei mir geklappt, dass ich die Hauptrolle in einem Kurzfilm spielen durfte. Das war vor vier Jahren. Zur selben Zeit habe ich dann Schauspielunterricht genommen.

Bei all den Filmen und Schauspielern, die du gesehen hast – gibt es einen Favoriten-Film oder ein Lieblingsschauspieler?
Es gibt so viele unglaubliche Schauspieler, dass ich gar nicht sagen könnte, wer von ihnen mein liebster ist. Aber Leonardo DiCaprio trägt einen besonderen Platz in meinem Herzen, weil sein Film „Der große Gatsby“ von 2013 mich inspiriert hat, Schauspieler zu werden.

Was sagen deine Eltern und Freunde zu deinem Erfolg vor der Kamera?
Sie sind sehr stolz auf mich und stehen hinter mir, bei allem, was ich tue. Und das ist mir auch sehr wichtig. Hätte ich diesen Segen nicht, dann wäre es ein Problem gewesen. Ich hätte es wahrscheinlich trotzdem gemacht, aber im Inneren hätte ich ein ungutes Gefühl, wenn ich wüsste, dass die Leute um mich herum das nicht gut finden. Gott sei Dank ist das nicht so.


 

Wir haben genug davon, dass die Geschichten immer nur von den Alten erzählt werden. Deswegen haben wir den Stift selbst in die Hand genommen, sind durch die Lande gezogen, haben Geschichten und Menschen gesucht, gefunden und alles aufgeschrieben, was uns untergekommen ist. Wir haben unsere Smartphones und Kameras gezückt und Fotos und Videos gemacht. Auf funky zeigen wir euch die Ergebnisse unserer Recherchen.