Meinung

Die Frage nach dem „C“: Wie christlich ist die CDU?


Achtung, rhetorische Frage: Wofür steht eigentlich das „C“ im Parteinamen „CDU“? Unsere Autorin Ylva Immelmann kommentiert, dass der besagte Buchstabe nicht mehr viel mit christlichen Werten gemein habe. Warum sie dieser Meinung ist, lest ihr hier.
Ylva Immelmann, funky-Jugendreporterin

Nach den Verhandlungen zum Umgang mit dem Lockdown über Ostern hagelte es aus allen Richtungen Kritik. Und – überraschenderweise – regt sich auch in den Regierungsparteien Widerstand. So gab Innenminister Horst Seehofer von der Christlich Sozialen Union (CSU) zu verlauten: „Es hat mich schon erstaunt, dass ausgerechnet Parteien, die das C im Namen führen, den Kirchen den Verzicht auf Gottesdienste nahelegen, noch dazu an Ostern.“ Dabei scheint er allerdings eine sehr interessante Auslegung des Wortes „christlich“ zu haben.

Zunächst einmal stellt sich die Frage, wieso es für Seehofer wichtig ist, ob politische Entscheidungen im Rahmen christlicher Prioritäten gefällt werden. Sollte der Staat nicht unabhängig von der Religion seine Entscheidungen fällen? Sich also darüber zu echauffieren, dass etwas nicht christlich genug sei, hat in einem demokratischen Staat nicht einmal ansatzweise argumentative Relevanz.

Ist ein Gottesdienst wichtiger als die Ansteckungen, die durch ihn entstehen werden?

Zudem stellt sich die Frage, ob Herr Seehofer es christlich findet, vermehrt ältere Kirchgänger*innen an Ostern in die Kirchen zu schicken, während sich eine hochgradig ansteckende Version des Coronavirus rasant ausbreitet. Wie christlich ist es gegenüber allen Klinikmitarbeiter*innen, ob nun christlich oder nicht, die seit einem Jahr in Kliniken Höchstleistungen bringen und auch zu Ostern arbeiten müssen, sich darüber zu beschweren, dass der österliche Gottesdienst nun leider ausfallen muss? Ist ein Gottesdienst wichtiger als die Ansteckungen, die durch ihn entstehen werden? Wichtiger als die Weiterverbreitung einer potentiell tödlichen Krankheit? Sowohl aus staatlich-atheistischer als auch aus christlich-sozialer Perspektive würde ich all diese Fragen intuitiv mit „Nein“ beantworten.

Darüber hinaus zeigte die Vergangenheit, dass auch den „Parteien, die das C im Namen tragen“, die Christlichkeit nur in ausgewählten Fällen wichtig war – wenn es eben gerade passte. Und damit sind gar nicht unbedingt die jüngsten Korruptionsenthüllungen gemeint. Seit Jahren werden Diskussionen über die Lobby-Arbeit verschiedener Abgeordneter geführt. Auch hier steht vor allem die Union immer wieder im Fokus der Diskussionen. Sich an wirtschaftliche Interessen zu binden führt vermutlich nur in den seltensten Fällen dazu, dass Politik humaner und gerechter wird. Wie christlich ist es außerdem, nach einem Brand in Moria die Aufnahme von ganzen 150 unbegleiteten Minderjährigen zu fordern, während 12.000 Menschen dort die Unterkunft verloren hatten? Wie christlich ist es, 22 obdachlose Menschen in nur einem einzigen Winter auf Deutschlands Straßen sterben zu lassen? Und welch christliches Motiv Herrn Seehofer wohl leitete, als er 1997 gegen die Strafbarkeit von Vergewaltigung in der Ehe stimmte?

Es ist problematisch, dass ein Bundesminister sich christliche Politik wünscht. Weder gibt es im Rechtsstaat eine Rechtfertigung für religiöse Politik, noch ist es sinnvoll, Menschen an Ostern nicht vor Ansteckungen schützen zu wollen. Und es ist geradezu absurd, dass Seehofer während der aktuellen Vorgänge in der Union mehr christliche Regelungen fordert. Wie wäre es stattdessen, entschieden gegen Korruption vorzugehen, bevor man sich wieder auf die eigene Christlichkeit beruft?

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