Er glaubt an die politische Energie der Jugend. Robert Habeck ist Bundesvorsitzender der Partei Bündnis 90 / die Grünen und spricht im Interview über Jugendliche in der Demokratie.
Von Markus Hoppe
Im Januar wurde Robert Habeck Opfer eines Datenklau. Nahezu zeitgleich postete er ein äußert unglückliches Video, in dem er forderte, Thüringen solle ein „offenes, freies, liberales, demokratisches Land“ werden. Es hagelte Kritik, gerade aus Thüringen. Als Lösung löschte er seine Social-Media-Accounts. Schade fand zu der Zeit unser Thüringer Autor Markus Hoppe, der sich ebenfalls auf die Füße getreten fühlte, denn so kappt er die Bande zur Jugend. Um den Faden wieder aufzunehmen, hat Markus den Politiker zum Interview verpflichtet.
Kommen wir gleich zum Thema Demokratie: Es gibt Menschen, die behaupten, dass sie unser System kompliziert machen würde. Können Sie diese Meinung nachvollziehen?
Demokratie ist kompliziert. Denn sie bedeutet, dass jeder Mensch seine eigene Meinung äußern und auch in politische Entscheidungen miteinbringen kann. Deshalb müssen in einer repräsentativen Demokratie immer wieder Kompromisse geschlossen werden, das ist oft sehr mühsam und langwierig. Aber dafür ist sie eben auch eine freie und dabei sehr effektive Staatsform. Es gibt keine bessere Alternative.
In Ihrem Buch „Wer wir sein könnten“ erwähnen Sie, dass „das Wesen der Demokratie Veränderung“ sei. Wann ist eine Veränderung der Demokratie notwendig?
Jeden Tag haben wir neue Pläne, lernen etwas Neues, entwickeln neue Pläne, neue Hoffnungen, neue Vorstellungen. Menschen verändern sich, aber auch die Welt verändert sich. Das bedeutet auch, dass sich die Staatsform dieser Menschen immer weiter entwickeln muss. Schauen Sie sich allein bei uns die Veränderungen der Parteienlandschaft von der Nachkriegszeit bis heute an. Die Dominanz von wenigen großen, sogenannten Volksparteien, die vom halben Volk gewählt wurden, die gibt es heute nicht mehr. Mittlerweile wählen die Menschen die Partei, der sie die Lösung ihrer spezifischen Probleme am ehesten zutrauen und diese – kleineren – Parteien müssen sich Bündnispartner suchen, um die Dinge dann auch tatsächlich zu verändern. So wandelt sich Demokratie. Sie ist nie fertig, weil Menschen nie fertig sind.
Woher soll die Gefahr herkommen? Dass sich die Jugendlichen beteiligen? Eine Gefahr wäre doch eher, dass sie sich nicht beteiligen!
Robert Habeck, Bundesvorsitzender der Grünen, über die Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre
Welche Rolle spielen für Sie die Jugendlichen in einem demokratischen System? Wählen dürfen wir ja erst ab 16 und auch nur in kommunalen Wahlen.
Den Gedanken, die Kommunalwahl sei ja nur die „kleine Wahl“, da können sich die Jugendlichen mal ausprobieren, finde ich falsch. Denn gerade in der Kommune werden viele wichtige Entscheidungen getroffen. Und außerdem interessieren sich heute sehr viele junge Menschen für Politik, das sehen wir ja gerade an den „Fridays for Future“-Demos. Sie sorgen sich mehr um die Zukunft der Erde als manch Älterer. Meine klare Forderung ist deshalb: das Wahlrecht auf 16 Jahre absenken, auch bei Bundes- und Landtagswahlen.
Also sehen Sie keine Gefahren in der Herabsetzung des Wahlalters?
Woher soll die Gefahr herkommen? Dass sich die Jugendlichen beteiligen? Eine Gefahr wäre doch eher, dass sie sich nicht beteiligen! Und zum Argument der Unreife: Ich kenne viele Jugendliche, die erwachsener sind als Erwachsene, interessiert, aktiv und diskussionsfreudig. Und es gibt mindestens genauso viele wahlberechtigte Erwachsene, die sich so gar nicht für Politik interessieren wie Jugendliche. Das ist für mich also kein gutes Argument.
Es stellt sich also die Frage: Kann man diese politische Energie bündeln und in die politische Arbeit einbinden?
Robert Habeck über politisch aktive Jugendliche
Was wollen Sie den Jugendlichen noch mitgeben?
Ich höre immer wieder die besorgte Frage, was man tun muss, damit die Jugend wieder politisch aktiver wird. Dabei ist das die völlig falsche Frage. Mein Eindruck ist ein anderer und das ist auch statistisch belegt: 60 Prozent der Jugendlichen sind politisch aktiv. Das heißt nicht unbedingt, dass sie zu Parteiabenden gehen. Aber: Sie verzichten bewusst auf Fleisch, um gegen die unwürdige Tierhaltung zu protestieren, sie kaufen bestimme Kosmetikprodukte nicht mehr, weil dort Mikroplastik drin ist, sie gehen auf Demonstrationen für das Klima, diskutieren mit ihren Freunden über Politik. So erlebe ich das. Es stellt sich also nicht die Frage, wie die Jugendlichen wieder politisiert werden können, sondern: Kann man diese politische Energie bündeln und in die politische Arbeit einbinden? Ich kann jedenfalls nur dafür werben, dass wir Politiker dafür aufmerksam und offen genug sind.
Was ist also Ihr Appell an die Jugend?
Holt euch euren Einfluss! Die Jugend hat eine enorme politische Kraft, sie muss sie nur zu nutzen wissen. Die Jugend brennt. Und zwar weit mehr, als es zu meiner Zeit üblich war. Ich spüre ein enormes Interesse und auch die Sorge, dass die politischen Veränderungen nicht schnell genug erfolgen. Macht was draus!
Titelbild: Bürgernah: Robert Habeck spricht hier in Gera bei der „Mittagspause mit Robert Habeck“ mit Bürgern (c) Martin Schutt / dpa
Im Januar wurde Robert Habeck Opfer eines Datenklau. Nahezu zeitgleich postete er ein äußert unglückliches Video, in dem er forderte, Thüringen solle ein „offenes, freies, liberales, demokratisches Land“ werden. Es hagelte Kritik, gerade aus Thüringen. Als Lösung löschte er seine Social-Media-Accounts. Schade fand zu der Zeit unser Thüringer Autor Markus Hoppe, der sich ebenfalls auf die Füße getreten fühlte, denn so kappt er die Bande zur Jugend. Um den Faden wieder aufzunehmen, hat Markus den Politiker zum Interview verpflichtet.
Kommen wir gleich zum Thema Demokratie: Es gibt Menschen, die behaupten, dass sie unser System kompliziert machen würde. Können Sie diese Meinung nachvollziehen?
Demokratie ist kompliziert. Denn sie bedeutet, dass jeder Mensch seine eigene Meinung äußern und auch in politische Entscheidungen miteinbringen kann. Deshalb müssen in einer repräsentativen Demokratie immer wieder Kompromisse geschlossen werden, das ist oft sehr mühsam und langwierig. Aber dafür ist sie eben auch eine freie und dabei sehr effektive Staatsform. Es gibt keine bessere Alternative.
In Ihrem Buch „Wer wir sein könnten“ erwähnen Sie, dass „das Wesen der Demokratie Veränderung“ sei. Wann ist eine Veränderung der Demokratie notwendig?
Jeden Tag haben wir neue Pläne, lernen etwas Neues, entwickeln neue Pläne, neue Hoffnungen, neue Vorstellungen. Menschen verändern sich, aber auch die Welt verändert sich. Das bedeutet auch, dass sich die Staatsform dieser Menschen immer weiter entwickeln muss. Schauen Sie sich allein bei uns die Veränderungen der Parteienlandschaft von der Nachkriegszeit bis heute an. Die Dominanz von wenigen großen, sogenannten Volksparteien, die vom halben Volk gewählt wurden, die gibt es heute nicht mehr. Mittlerweile wählen die Menschen die Partei, der sie die Lösung ihrer spezifischen Probleme am ehesten zutrauen und diese – kleineren – Parteien müssen sich Bündnispartner suchen, um die Dinge dann auch tatsächlich zu verändern. So wandelt sich Demokratie. Sie ist nie fertig, weil Menschen nie fertig sind.
Welche Rolle spielen für Sie die Jugendlichen in einem demokratischen System? Wählen dürfen wir ja erst ab 16 und auch nur in kommunalen Wahlen.
Den Gedanken, die Kommunalwahl sei ja nur die „kleine Wahl“, da können sich die Jugendlichen mal ausprobieren, finde ich falsch. Denn gerade in der Kommune werden viele wichtige Entscheidungen getroffen. Und außerdem interessieren sich heute sehr viele junge Menschen für Politik, das sehen wir ja gerade an den „Fridays for Future“-Demos. Sie sorgen sich mehr um die Zukunft der Erde als manch Älterer. Meine klare Forderung ist deshalb: das Wahlrecht auf 16 Jahre absenken, auch bei Bundes- und Landtagswahlen.
Also sehen Sie keine Gefahren in der Herabsetzung des Wahlalters?
Woher soll die Gefahr herkommen? Dass sich die Jugendlichen beteiligen? Eine Gefahr wäre doch eher, dass sie sich nicht beteiligen! Und zum Argument der Unreife: Ich kenne viele Jugendliche, die erwachsener sind als Erwachsene, interessiert, aktiv und diskussionsfreudig. Und es gibt mindestens genauso viele wahlberechtigte Erwachsene, die sich so gar nicht für Politik interessieren wie Jugendliche. Das ist für mich also kein gutes Argument.
Was wollen Sie den Jugendlichen noch mitgeben?
Ich höre immer wieder die besorgte Frage, was man tun muss, damit die Jugend wieder politisch aktiver wird. Dabei ist das die völlig falsche Frage. Mein Eindruck ist ein anderer und das ist auch statistisch belegt: 60 Prozent der Jugendlichen sind politisch aktiv. Das heißt nicht unbedingt, dass sie zu Parteiabenden gehen. Aber: Sie verzichten bewusst auf Fleisch, um gegen die unwürdige Tierhaltung zu protestieren, sie kaufen bestimme Kosmetikprodukte nicht mehr, weil dort Mikroplastik drin ist, sie gehen auf Demonstrationen für das Klima, diskutieren mit ihren Freunden über Politik. So erlebe ich das. Es stellt sich also nicht die Frage, wie die Jugendlichen wieder politisiert werden können, sondern: Kann man diese politische Energie bündeln und in die politische Arbeit einbinden? Ich kann jedenfalls nur dafür werben, dass wir Politiker dafür aufmerksam und offen genug sind.
Was ist also Ihr Appell an die Jugend?
Holt euch euren Einfluss! Die Jugend hat eine enorme politische Kraft, sie muss sie nur zu nutzen wissen. Die Jugend brennt. Und zwar weit mehr, als es zu meiner Zeit üblich war. Ich spüre ein enormes Interesse und auch die Sorge, dass die politischen Veränderungen nicht schnell genug erfolgen. Macht was draus!