Interview

Dr. Wolfgang Krüger: „Alle Beziehungen sind auch eifersuchtsgefährdet“


Die treuen Begleiter der Eifersucht sind laute Vorwürfe und große Dramen. Ganz gleich, wer davon geplagt ist: Beteiligte empfinden sie als große Belastung. Für Beziehungen kann Eifersucht sogar nicht selten das Aus bedeuten oder zu tragischen Affekthandlungen führen. Was kann daran also positiv sein? Psychotherapeut Dr. Wolfgang Krüger beschäftigt sich in seiner Praxis seit Jahren mit dem kläglichen Gefühl. Warum Menschen überhaupt eifersüchtig sein können und wann die Eifersucht wirklich zum Problem wird, erklärt er uns im Interview.
Nina Sabo, funky-Jugendreporterin
Foto: Gerald Wesolowski

Dr. Wolfgang Krüger ist Berliner Psychotherapeut mit dem auf Schwerpunkt Beziehungsschwierigkeiten und Partnerschaften. Nebenbei schreibt er Bücher zu Themen wie Bindungsängsten, erfüllter Sexualität und Humor. Seine Publikation „Eifersucht. Der selbstbewusste Umgang mit einem ungeliebten Gefühl“ widmet sich ausgiebig dem Thema der Eifersucht. Wir haben ihn dazu ausgefragt.


Jede*r kennt das Gefühlt der Eifersucht. Wie kommt es eigentlich, dass Menschen eifersüchtig sein können?
Wir haben im Leben immer Angst, etwas zu verlieren. Es gibt andere Gefühle wie zum Beispiel Neid, bei denen ist es so, dass ich etwas haben will, was ich noch nicht habe. Aber die Verlustangst ist ein Urgefühl. Das beginnt schon bei der Geschwistereifersucht, wo ich das Gefühl haben kann, ich werde entthront, wenn ein jüngeres Geschwisterkind kommt. Man sieht schon in der Bibel, dass das zu Mord und Totschlag führen kann. Ich kann Eifersucht in sehr engen Freundschaften haben oder im Kollegenkreis eifersüchtig sein. Alle Beziehungen sind auch eifersuchtsgefährdet.

Glauben Sie, dass es Menschen gibt, die absolut keine Eifersucht verspüren?
Etwas mehr als zehn Prozent aller Menschen behaupten, sie seien nicht eifersüchtig, vorzugsweise Männer. Ich sehe den Grund darin, dass die Eifersucht in ihrer stärkeren Ausprägung eigentlich ein schreckliches Gefühl ist. Es gibt andere Gefühle, die sind großartiger. Die Wut zum Beispiel ist großartiger, weil sie ein Gefühl von Stärke verleiht. Die Eifersucht ist ein klägliches Gefühl, weil ich so sehr von einem anderen abhängig bin und das Gefühl habe, ich gehe ihm oder ihr eigentlich auf den Keks. Wir Männer haben kulturell die Aufgabe, dass wir Helden sein sollen. Und da passt natürlich die Eifersucht nicht ins Bild. Ich habe allerdings die Erfahrung gemacht, dass gerade die Männer, die Eifersucht verdrängen, dann in eine große Krise geraten, wenn die Partnerin tatsächlich fremdgeht. Diese Verdrängung kann dazu führen, dass dann Dinge eintreten, die man gar nicht will. Anders gesagt: Der Einbrecher gelangt in die Wohnung, weil die Alarmanlage ausgestellt ist. Diese Männer geraten dann in eine heftige Krise. Insofern ist eine milde Eifersucht, bei der das Alarmsystem funktioniert, besser.

Sie sagen zehn Prozent der Männer geben vor, nicht eifersüchtig zu sein, aber man hört heraus: eigentlich sind sie es doch?
Sie verdrängen das Gefühl. Es wäre besser, sie hätten diese Eifersucht, weil sie dann bestimmte Entwicklungen besser mitkriegen würden. Die Verdrängung der Eifersucht ist verhängnisvoll. Frauen sind eher eifersüchtig und haben in der Frühphase häufig Besorgnisse, während Männer das oft nicht rechtzeitig mitkriegen. Die Krisen, die Männer dann haben, sind ungleich schwerer. 

Was ist der Unterschied zwischen Neid und Eifersucht?
Beim Neid will ich etwas dazu kriegen, während die Eifersucht etwas Bewahrendes hat. Etwas, das schon zu mir gehört, will ich bewahren. Insofern ist die Eifersucht kulturell in der Gesellschaftsgeschichte ein bisschen besser angesehen. Der Neid ist etwas, was Störungspotential hat. Da will ich dem anderen quasi etwas klauen. Das Problem ist immer gewesen, dass die Eifersucht sehr tief geht und unser Leben zerstören kann. Sie ist eine Kränkung, die zu Mordgedanken führen kann. Deshalb hat man in der Vergangenheit oft geguckt, dass man die Eifersucht verbietet. Sie gehört zu den Todsünden.

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In seinen Kurzvorträgen erklärt Dr. Wolfgang Krüger psychologische Phänomene. Quelle: YouTube.

Kann diesem kläglichen Gefühl der Eifersucht auch etwas Positives abgewonnen werden?
Im Kern ist die Eifersucht eigentlich etwas Positives. Genauso wie alle Ängste. Und die Eifersucht ist eine Angst. Ängste haben immer eine Alarmfunktion und das ist sinnvoll. Wir erleben auch die milde Eifersucht durchaus als positiv. Wenn wir in Beziehungen sind, fremdflirten und der Partner reagiert darauf völlig gelangweilt, dann sind wir sogar gekränkt, weil wir das Gefühl haben, er liebt uns nicht mehr. Eine milde Eifersucht, bei der wir feststellen, dass der Partner neugierig fragt, „Wer ist denn das gewesen?“ oder „Verstehst du dich gut mit dem?“, empfinden wir so, dass der Betreffende die Beziehung bewahren will. Ich unterscheide drei Stufen der Eifersucht: die milde, die mittlere und die massive Eifersucht. Nervig ist erst die massive Eifersucht, weil man jemanden ständig ausfragt; als Partner fühlt man sich wie beim Geheimdienst. Diese Form von Eifersucht ist für eine Beziehung destruktiv.

Das Positive bei der Eifersucht ist, dass der Betreffende immer ein sehr leidenschaftlicher Mensch ist. Da entstehen große Dramen, das ist großes Kino!

Das Positive bei der Eifersucht ist, dass der Betreffende immer ein sehr leidenschaftlicher Mensch ist. Da entstehen große Dramen, das ist großes Kino! Es ist Hollywood, es ist immer etwas los. Das sind Kräfte, die sinnvoll angewendet das Leben ausgesprochen bereichern können. Das Dumme ist: Jemand der eifersüchtig ist, hat ein schlechtes Gefühl für sich und vernachlässigt ganz viele Lebensbereiche. Zum Beispiel werden Prüfungen nicht abgelegt oder ein Studium wird nicht beendet. Wenn man diese Kräfte auf das eigene Leben umlenken könnte, dann könnte das ganz großartig sein. 

Wie häufig sitzen Menschen bei Ihnen, die massive Probleme mit Eifersucht haben?
Mindestens ein Viertel der Patienten, die zu mir kommen, haben stärkere Eifersuchtsgefühle. Aber das Thema Eifersucht spielt fast in jeder Therapie eine Rolle. Bei jüngeren Leuten – jünger heißt in dem Fall zwischen 30 und 40 – ist das Thema Treue sehr wichtig. Welche Lebensgestaltung will man haben? Will man zusammenziehen? Will man heiraten? Wie geht man damit um, dass man neben der Beziehung viele andere kennt, also einen großen Freundeskreis hat? Was sollte ich akzeptieren und was nicht? Solche Themen spielen gerade in der Generation unter 40 immer auch eine große Rolle.

Foto: Gerald Wesolowski

In einem Zeit Online Artikel mit dem Titel „Eifersucht schadet der Gesundheit“ heißt es: „Im Jahr 2013 starben in Deutschland 187 Menschen in so genannten Intimiziden, wie Morde in Liebesbeziehungen genannt werden. Meist ist Eifersucht der Grund, meist, in 85 Prozent der Fälle, sind Männer die Täter und Frauen die Opfer.“ Die Autorinnen stellen die Frage, ob wir Eifersucht nicht langsam mal entsorgen könnten. Was denken sie dazu?
Zunächst einmal stimmt es, dass Eifersucht das Hauptmordmotiv auf der ganzen Welt ist. Sie bringt Menschen fast in einer besinnungslosen Weise dazu, affektmäßig zu handeln. Insofern ist sehr massive Eifersucht tatsächlich problematisch. Deshalb aber die Eifersucht abschaffen zu wollen, ist geradezu kurzsichtig, weil sie zu einer Grundangst gehört. Wir haben das bei anderen Ängsten auch: Wir haben manchmal Angst, über die Straße zu gehen, weil wir überfahren werden könnten. Solche Ängste können natürlich dazu führen, dass man eine Phobie entwickelt. Alle Ängste können entgrenzen, sodass ich vor lauter Angst ständig schlottere und nichts mehr tun kann. Wenn ich diese Ängste jedoch abschaffen würde und sage „Ich habe gar keine Angst“, dann würde das bedeuten, dass ich die Gefahr von Feuer, von Gas oder von Autoverkehr völlig negiere und das wäre tödlich. Ähnlich kurzsichtig wäre es, wenn wir die Eifersucht abschaffen wollten. Wir müssen lernen, mit solchen Kräften, mit solchen Affekten sinnvoll umzugehen, um sie in irgendeiner Weise zu beherrschen. Es gibt seit Jahrhunderten den erfolglosen Versuch, die Eifersucht abzuschaffen.

Der Artikel trägt den Titel „Eifersucht schadet der Gesundheit“. Würden Sie in dem Fall auch sagen, das ist zu kurzsichtig?
Naja, sagen wir mal so: Wenn ich ermordet werde, ist es logisch, dass das der Gesundheit schadet. Man muss dazu sagen, dass wir beim Thema Gesundheit natürlich im Wesentlichen an Sport, an gesunde Ernährung oder Medikamente denken. Wir wissen aber, dass einer der Hauptfaktoren für Gesundheit Humor ist. Das heißt, dass ich einigermaßen entspannt leben und Stress mildern kann. Einer der Hauptfaktoren für ein gutes Leben sind gute Freundschaften. Immer dann, wenn ich eine Lebensgestaltung habe, wo ich möglichst starke Stressfaktoren rausnehmen und mich gleichzeitig in einer guten Verbindung mit anderen befinden kann, ist das für die Gesundheit förderlich.

Die Eifersucht wird häufig als Kind oder Feindin der Liebe bezeichnet. Wie sehen Sie das?
Das Problem ist, dass sie im Grunde beides ist. Die milde Eifersucht ist sicherlich eine kleine Schwester der Liebe. Ich glaube, dass ein wenig Eifersucht zur Liebe immer dazu gehört. Wenn ich dann eine Beziehung habe, wo ich das Gefühl habe, der andere ist für mich etwas Besonderes, dann habe ich ein Grundgefühl, das mir sagt: „So einen wie dich finde ich nicht nochmal im Leben.“ Das ist ein Geschenk und das will man nicht verlieren. Da gibt es latent eine Neigung zur Eifersucht und die ist für die Liebe eher förderlich.

Schwierig wird es dann, wenn ich Freunde besucht habe, nach Hause komme und dann fragt mich die Partnerin: „Wo warst du?“ Dann fängt man an, tief durchzuatmen.

Schwierig wird es dann, wenn ich Freunde besucht habe, nach Hause komme und dann fragt mich die Partnerin: „Wo warst du?“ Dann fängt man an, tief durchzuatmen und ist genervt. Oder man geht spazieren, steht an der Ampel und sie sagt „Du hast da drüben die Frau angeguckt“ und man kriegt schon halb einen Brechdurchfall, weil alles im Grunde Kontrolle und Vorwurf ist. Diese Form der Eifersucht führt sehr häufig zur Trennung.

Wenn Eifersucht immer auch etwas mit der Vorstellung von Exklusivität zu tun hat, wäre eifersüchtigen Menschen nicht damit geholfen, wenn sie nicht mehr in monogamen, sondern nur noch in offenen Beziehungen leben?
Wir haben seit 200 Jahren die Vorstellung einer romantischen Liebe. Nämlich die, dass wir einen bestimmten Menschen lieben. Wir sind aus dem Kollektiv, was im Mittelalter bedeutender war, herausgetreten und singen heute ein Loblied auf die einzelne Persönlichkeit. Wir lieben etwas ganz Besonderes. Insofern würde uns die Öffnung von Beziehungen meines Erachtens nicht zufrieden machen. Was wir natürlich machen müssen, ist, dass wir Liebesbeziehungen führen, wo wir uns gleichzeitig in größeren Zusammenhängen verankern. Sowohl in Freundschaften wie in Nachbarschaftsbeziehungen. Aber auch in anderen Netzwerken. Das brauche ich, weil ich ansonsten jede Liebesbeziehung mit meinen Ansprüchen und meiner Abhängigkeit völlig überfordere. Und das ist die Basis für Eifersucht. Es ist so, dass in der jüngeren Generation das Modell einer offenen Beziehung zunächst einmal durchaus attraktiv ist. Aus meiner Sicht allerdings mit einem Missverständnis: Man glaubt, dass man alles kriegen kann. Man glaubt, dass man eine feste Beziehung ohne große Eifersucht führen und gleichzeitig mit allen ins Bett hüpfen kann. Gewissermaßen wie im Paradies. Und das funktioniert nicht. Wir müssen eines verstehen: Wir zahlen für alles, was wir im Leben tun, einen Preis. Und wenn wir, in Berlin sagt man so locker, „fremdvögeln“, dann muss ich damit rechnen, dass meine Beziehungen auseinandergehen, dass Eifersucht entstehen kann oder dass der andere das gleiche macht. Aber es führt immer zu großer Instabilität und das muss ich eben verkraften.

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Wir haben genug davon, dass die Geschichten immer nur von den Alten erzählt werden. Deswegen haben wir den Stift selbst in die Hand genommen, sind durch die Lande gezogen, haben Geschichten und Menschen gesucht, gefunden und alles aufgeschrieben, was uns untergekommen ist. Wir haben unsere Smartphones und Kameras gezückt und Fotos und Videos gemacht. Auf funky zeigen wir euch die Ergebnisse unserer Recherchen.