Interview

Online-Beratung „Jugendnotmail“: Erste Hilfe bei Mobbing und Liebeskummer

Viele Jugendliche fühlen sich mit ihren Angelegenheiten alleingelassen. Es fehlen Ansprechpartner, um über Probleme und Ängste zu reden. Die rund 150 ehrenamtlichen Psychologen und Sozialpädagogen der kostenlosen Online-Beratung „Jugendnotmail“ wollen helfen. Pro Monat erreichen sie bis zu 1000 Notmails. Wie die Beratung abläuft, darüber hat funky mit Online-Beraterin Gina Ionescu gesprochen.
Von Joelle Mohr, funky-Jugendreporterin

Dieser Tage werden in Deutschland die Halbjahreszeugnisse vergeben. Mit welchen Problemen und Sorgen wenden sich die Jugendlichen jetzt an Sie?

Die Angst vor der Reaktion der Eltern ist oft eine große Sorge der Ratsuchenden, da sie Strafen fürchten oder nicht wissen, wie sie ihren Eltern die schlechten Noten beichten sollen.

Was würden Sie Eltern empfehlen, wie sie reagieren sollen?

Wenn Eltern ausflippen und schimpfen, fördert das den Widerstand des Kindes und dessen Angst. Daher sollten sie einen kühlen Kopf bewahren, versuchen, die Gründe zu verstehen, und dabei wertschätzend sein. Hausarrest und Lernen unter Zwang bringen gar nichts. Jugendliche sollen Spaß am Lernen finden. Das gilt es zu fördern.

Sie bieten Ihre Hilfe nicht nur an, wenn es Zeugnisse gibt. Was sind sonstige Themen?

Jugendliche können sich mit allem, was sie bewegt, an uns wenden. Das fängt bei Liebeskummer oder Stress mit der besten Freundin oder den Eltern an und reicht über Mobbing bis hin zu massiven seelischen Problemen wie Depressionen und Suizidgedanken. Die Themen Depression, Familie, Liebe, Sexualität und Selbstverletzung sind relativ stabil die häufigsten Themen der letzten Jahre. Es gibt aber Tendenzen, dass sich die einzelnen Themen inhaltlich verändern. Beispielsweise findet Mobbing immer mehr im Internet statt.

Wie muss man sich die Beratung vorstellen?

Wenn der Jugendliche seine Nachricht geschrieben hat, landet sie in einem Nachrichtenpool. Eine Beraterin oder ein Berater nimmt sich dann die Nachricht aus dem Pool und antwortet. Ab diesem Moment kann kein anderer Berater mehr auf diese Nachricht zugreifen. Die Beratung kann man sich als einen zeitversetzten schriftlichen Dialog vorstellen. Manche Beratungen benötigen nur eine Antwort, bei anderen gehen auch mehrere Nachrichten hin und her, bis ein Lösungsweg gefunden ist.

Berater können nur mit dem arbeiten, was die Jugendlichen ihnen anvertrauen und preisgeben. Dadurch ist der Blick auf die Welt der Jugendlichen häufig eingeschränkt.

Gina Ionescu über die Hilflosigkeit bei manchen Fällen

Fühlen Sie sich manchmal ratlos?

Natürlich fühlen sich die Berater manchmal ratlos, da sie nur mit dem arbeiten können, was die Jugendlichen ihnen anvertrauen und preisgeben. Dadurch ist der Blick auf die Welt der Jugendlichen häufig eingeschränkt. In solchen Fällen werden gezielt Fragen gestellt, um ihre Lebenswelt besser zu verstehen. Dadurch eröffnen sich meist Perspektiven, die der Jugendliche selbst noch nicht gesehen hat. Und wenn die Berater mal gar nicht weiterkommen, dann gibt es bei uns weitere Ansprechpartner, die mit zwei weiteren Augen vielleicht mehr sehen und noch besser unterstützen können.

Gab es Momente, in denen Sie gar nicht mehr helfen konnten?

Es gibt manchmal auch Themen und Sorgen der Jugendlichen, wo eine Online-Beratung ein sehr guter erster Schritt ist, aber nicht ausreicht. Wenn akut medizinische oder psychiatrische Versorgung notwendig ist. In diesem Fall unterstützen wir die Jugendlichen dabei, sich weiterführende Hilfe zu organisieren. Wir kooperieren mit vielen anderen Anlaufstellen.

Kontaktieren Sie im Zweifelsfall auch mal das Jugendamt?

Alles, was die Berater machen, passiert mit Inkenntnissetzung des Jugendlichen. Jugendnotmail würde niemals unabgesprochen das Jugendamt involvieren. Da die Jugendlichen bei uns keine persönlichen Daten angeben müssen, können wir das Jugendamt auch gar nicht kontaktieren. Falls wir es allerdings für notwendig halten, dann beraten wir die Jugendlichen über die Angebote und Unterstützungsformen des Jugendamts und besprechen, wie man am besten Kontakt aufnehmen kann.

Wir haben genug davon, dass die Geschichten immer nur von den Alten erzählt werden. Deswegen haben wir den Stift selbst in die Hand genommen, sind durch die Lande gezogen, haben Geschichten und Menschen gesucht, gefunden und alles aufgeschrieben, was uns untergekommen ist. Wir haben unsere Smartphones und Kameras gezückt und Fotos und Videos gemacht. Auf funky zeigen wir euch die Ergebnisse unserer Recherchen.