Besserwisserwissen: Beziehungsstatus als Kündigungsgrund?

Lehrerin beim Frontalunterricht

Es gibt eine neue Portion Wissen zum Mitnehmen und Angeben. Heute geht es um ein ziemlich absurdes Gesetz. Wusstest du, dass sich Lehrerinnen bis 1951 in Deutschland entweder für ihren Beruf oder die Ehe entscheiden mussten?
Knut Löbe, funky-Jugendreporter

Das Zölibat ist uns vor allem aus der katholischen Kirche bekannt. Priester, Mönche und Nonnen versprechen, ihr Leben unverheiratet zu verbringen und keine Kinder zu zeugen – für Gott. Der Ursprung des Ganzen geht bis weit in das Mittelalter zurück. Während sich die meisten der katholischen Geistlichen allerdings bewusst für diesen Lebensweg entschieden haben, hatten Lehrerinnen in Deutschland noch bis vor 70 Jahren keine andere Wahl. Bis 1951 gab es in Deutschland nämlich noch das sogenannte „Lehrerinnen-Zölibat“.

Eingeführt wurde das Gesetz im Jahr 1880. Hintergrund dafür war die Befürchtung, dass Lehrerinnen wegen ihrer beruflichen Verpflichtung nicht gleichzeitig ihre „Rolle als Ehefrau und Mutter“ hingebungsvoll erfüllen könnten. Mit Eingehen des Bundes der Ehe landete also ein Entlassungsschreiben in den Briefkästen vieler Frauen. Bereits beim Berufseinstieg wurden ihnen große Steine in den Weg gelegt – nur wenn es einen Mangel an männlichen Kollegen gab, hatten sie überhaupt die Chance auf eine Stelle als Lehrerin, die dann natürlich auch noch schlechter bezahlt wurde. Die Entscheidungsträger im Deutschen Kaiserreich begründeten diese Ungleichheit so: Der Ehemann versorge die Ehefrau, deshalb müsse sie ihm im Haushalt den Rücken freihalten. Weil der arme, arme Mann außerdem nicht wissen könne, wie man sich um den Haushalt kümmert, sei auch die ungleiche Bezahlung gerechtfertigt. Schließlich seien Frauen in Sachen Haushalt nicht auf Hilfe angewiesen, der Mann aber schon.

Gegen die Ungleichbehandlung gab es zahlreiche Proteste und sogar Klagen. In Teilen waren diese auch erfolgreich. Mit einer Wiedereinstellung konnten Frauen zu dieser Zeit allerdings nicht rechnen, höchstens mit der Weiterzahlung von Gehalt für einen gewissen Zeitraum. Im Jahre 1919 erklärte die Weimarer Verfassung das Zölibat dann zwar für beendet, innerhalb der Behörden ließ man sich aber ziemlich lange Zeit, das neue Gesetz umzusetzen. Schnell fielen Frauen dem patriarchischen System erneut zum Opfer. Bereits in den 1920er Jahren mussten Lehrerinnen wieder um ihren Arbeitsplatz fürchten, denn der Staat musste aufgrund der Inflation bei seinen Beamt*innen Geld einsparen. Wer wurde entlassen? Natürlich die verheirateten Frauen. Ehemänner konnten weiterarbeiten. Erst 1951 wurde dem Zölibat endlich – und dieses Mal auch wirklich – ein Ende bereitet. Zwar findet sich der Grundsatz der Gleichberechtigung der Geschlechter in der Theorie schon im Grundgesetz von 1949. Doch erst eine Gesetzesänderung zwei Jahre später sorgte dafür, dass verheiratete Lehrerinnen nun auch in der Praxis ihrem Beruf nachgehen konnten und keine Entlassung mehr zu fürchten brauchten.

Auch wenn heutzutage niemand mehr eine Lehrerin als Fräulein anspricht – erstens, weil der Beziehungsstatus von Lehrerinnen keine Rolle mehr spielt, und zweitens, weil der sexistische Begriff für unverheiratete Frauen zum Glück nicht mehr benutzt wird – haben sich einige Strukturen wacker gehalten. Hieß es früher „Karriere vs. Ehe“ stehen Frauen auch heute noch vor der ähnlichen Entscheidungsfrage „Karriere vs. Familie“. Die deutliche Mehrheit der Grundschullehrer*innen ist weiblich. An Grundschulen wird immer noch schlechter bezahlt als an weiterführenden Schulen und es gibt weniger Aufstiegschancen –  dafür sind sie familienfreundlicher. Karriere wird eben immer noch als Männersache empfunden, während Erziehung und Familie der Frau zugeschrieben werden. Ein Umdenken ist aber erkennbar. Im Bundesland Brandenburg wird an Grund- und weiterführenden Schulen seit 2019 das gleiche Gehalt gezahlt, andere Bundesländer wollen in Kürze gleichziehen.

Wir haben genug davon, dass die Geschichten immer nur von den Alten erzählt werden. Deswegen haben wir den Stift selbst in die Hand genommen, sind durch die Lande gezogen, haben Geschichten und Menschen gesucht, gefunden und alles aufgeschrieben, was uns untergekommen ist. Wir haben unsere Smartphones und Kameras gezückt und Fotos und Videos gemacht. Auf funky zeigen wir euch die Ergebnisse unserer Recherchen.