Meinung

Was die Verkürzung der Sommerferien für depressive Schüler*innen bedeuten würde

Die fehlende Struktur des Alltags macht depressiven Jugendlichen schwer zu schaffen.
Die fehlende Struktur des Alltags macht depressiven Jugendlichen schwer zu schaffen.
Seit Beginn der Corona-Krise und der Schließung der Schulen gibt es immer mehr Ansätze und Methoden, mit welchen das Homeschooling effizienter gemacht und die Zeit ohne Präsenzunterricht gut überbrückt werden soll. Seit einigen Tagen werden nun vermehrt Stimmen laut, die eine Verkürzung der Sommerferien fordern, um in diesem Schuljahr den ursprünglichen Lehrplan noch adäquat behandeln zu können.
Ylva Immelmann, funky-Jugendreporterin

Dass weder Lehrer noch Schüler im Moment Ferien haben und ältere Schüler nicht mit dem Argument des Betreuungsproblems in die Schule müssen, wird in der Diskussion zumindest teilweise bedacht. Eine Gruppe der Schüler wird jedoch komplett außer Acht gelassen, dabei stellt die aktuelle Situation für sie eine besondere Belastung dar: Fast zwei Prozent der Schüler in Deutschland leiden laut einer Befragung der DAK Krankenkasse unter Depressionen oder depressiven Phasen, 2,2 Prozent an Angststörungen. Und die Dunkelziffer liegt vermutlich weit höher. Sie werden durch die Gesamtsituation vor unvorhergesehene Herausforderungen gestellt, denen einige kaum mehr standhalten können. Sozialer Kontakt, für die Betroffenen eine enorme Stütze, ist durch das Social Distancing nicht möglich. Und ihn aus eigener Kraft digital zu halten, ist für sie oft sehr schwer. Die gefühlt ineinander übergehenden Tage, denen die Struktur und Normalität fehlt, werden zu einer manchmal kaum tragbaren Bürde. Sich aber selbst Struktur und Normalität zu schaffen, ist für viele nahezu unmöglich. Die erdrückende Müdigkeit, die psychische Erschöpfung, die depressionsbezeichnende innere Leere lassen das Arbeiten für die Schule kaum oder gar nicht zu und machen an einigen Tagen das Aufstehen schon zu einer unendlich schweren Hürde. Außenstehenden fällt es meist schwer, sich dieses Gefühl vorzustellen. 

Vor allem Jugendliche leiden häufig unter der Stigmatisierung ihrer Probleme – wer nichts für die Schule tut, ist faul, wer zu lange schläft, hat am Vortag mal wieder zu viel Zeit vor dem Bildschirm verbracht. Wem es nicht gut geht, der mault pubertätsbedingt. Diese tadelnden Vorurteile machen die Situation für Betroffene noch schwerer. Hinzu kommt der Leistungsdruck durch die Schule, der sich in den letzten Wochen gesteigert hat. Schlechte Tage kann man sich kaum leisten, durch das Wegfallen der laufenden Kursarbeit kann es keine „weniger aktiven“ oder „stilleren“ Tage geben. Durch die ausschließliche Bewertung schriftlicher Leistungen fließen auch „schwächere“ Tage mit in die Benotung ein. Ferien – und vor allem die langen Ferien zwischen den Schuljahren – sind schon normalerweise wichtig, um Alltag, Schule und Schulstress für eine Weile vergessen zu können, um sich zu erholen und auf die nächsten Monate vorzubereiten. Und gerade im Moment ist diese Pause notwendig.

Das Verständnis für junge Menschen mit psychischen Krankheiten ist schon sonst nicht groß ausgeprägt. In der Debatte um eine Verkürzung der Sommerferien werden sie gar nicht bedacht. Auch das häufig genutzte Argument, man könne ja eh nicht in den Urlaub fahren, zeigt, wie wenig Verständnis die Debattierenden von der Bedeutung der Sommerferien für Schüler – und vor allem für Schüler mit psychischen Krankheiten – haben. Es ist wohl für kaum jemanden leicht, diese Krise normal funktionierend zu überstehen. Aber für einige ist es beinahe unmöglich. Man sollte es ihnen nicht noch schwerer machen. 

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