Jan-Malte Wortmann, funky-Jugendreporter
Gruselgeschichten, Schauermärchen, Horrorfilme: Wir Menschen gruseln uns gerne – und das anscheinend schon immer. Geschichten, die Angst, Ekel oder Unbehagen auslösen, sind nicht nur ein beliebter Nervenkitzel, sie formulieren auch häufig größere gesellschaftliche Ängste aus sind somit ein Spiegelbild ihrer Zeit. Wie hat sich das Genre über die Jahrhunderte entwickelt – und was waren bedeutsame Meilensteine?
Das Horrorgenre scheint so alt wie die Fiktion selbst zu sein. Folklore oder religiöse Texte beinhalteten schon immer übernatürliche, unerklärliche und häufig grauenhafte Elemente. Bereits in der Antike finden sich Geschichten von Dämonen, Geistern, Hexen oder Vampiren, etwa der „Gespensterbrief“ Plinius des Jüngeren (ca. 61-113 n.Chr.). Auch in der mittelalterlichen Literatur gab es viele Horrorgeschichten, die häufig auf zeitgenössische Mythen über besonders grausame, meist feindliche Persönlichkeiten zurückzuführen waren.
Brüche in der Wirklichkeit
Einen besonderen Aufschwung erlebte das Horrorgenre allerdings im 18. Jahrhundert, zur Zeit der Aufklärung und der einsetzenden Romantik. Die Menschen wandten sich immer mehr von der Religion und dem Aberglauben ab und setzten stattdessen auf Vernunft, Rationalität und wissenschaftliche Evidenz. Dies wurde von vielen als eine „Entzauberung der Welt“ verstanden – da kamen schaurige und übernatürliche Erzählungen gerade recht.
Denn charakteristisch für Horrorgeschichten ist, dass sie die Grenzen zwischen Realität und Fantasie verwischen. Die Protagonist:innen treffen in Welten, die häufig sehr nahe an der Lebenswirklichkeit der Rezipierenden sind, auf unerklärliche Phänomene. So entsteht ein Bruch in der vermeintlichen Realität. Als Meilenstein dieser Epoche gilt „The Castle of Otranto“ des britischen Schriftstellers Horace Walpole von 1764.
Blütezeit der Schauerliteratur
Damit begründete Walpole eine Literaturgattung, die im 19. Jahrhundert zu einem echten Massenphänomen wurde: den Schauerroman, auf Englisch „Gothic Novel“. Viele Klassiker, die bis heute zu den bekanntesten Horrorgeschichten überhaupt zählen, wurden zu dieser Zeit veröffentlicht, darunter Mary Shelleys „Frankenstein“ (1818), Robert Louis Stevensons „Dr. Jekyll and Mr. Hyde“ (1886), die schaurigen Erzählungen Edgar Allan Poes und natürlich der berühmteste Vampirroman aller Zeiten: Bram Stokers „Dracula“ von 1897.
Mit der Jahrhundertwende erlebte Horrorliteratur einen erneuten Boom durch die Verbreitung in Zeitschriften, sogenannten „Pulp“-Magazinen. Besonders einflussreich war hier der amerikanische Schriftsteller H.P. Lovecraft. Er prägte das philosophisch konnotierte Genre des „Cosmic Horror“, das mit der Urangst des Menschen im Angesicht eines unendlichen, ungreifbaren und unerklärlichen Universums spielt.
Anfänge des Horrorfilms
Zur gleichen Zeit kam mit dem Film ein völlig neues Medium auf, das sich von Anfang an ebenfalls mit gruseligen Geschichten beschäftigte. Als erster Horrorfilm gilt „Le Manoir du diable“ („Das Haus des Teufels“) des französischen Regisseurs Georges Méliès, ein dreiminütiger Stummfilm aus dem Jahr 1896.
Filme wie „Das Cabinet des Dr. Caligari“ von 1920, „Nosferatu“ von 1922 oder „Dracula“ von 1931 gelten darüber hinaus nicht nur als Klassiker des Horrorfilms, sondern als Meilensteine der Filmgeschichte insgesamt. Während und unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg ging das Interesse an Horrorfilmen allerdings stark zurück – zu nah waren noch die realen Schrecken des Weltkriegs und des Holocaust.
Nach dem Zweiten Weltkrieg
In den 1950er-Jahren fristete der Horrorfilm noch ein Nischendasein. In den 1960er-Jahren feierten dann mit Alfred Hitchcocks Klassikern „Psycho“ und „Die Vögel“ oder George A. Romeros 1968er-Zombiefilm „Night of the Living Dead“ erste Horrorfilme wieder größere Erfolge an den Kinokassen.
In den 1970ern wurde der Horrorfilm schließlich zu dem Massenphänomen, das er bis heute ist. Zahllose Klassiker sind in diesem Jahrzehnt entstanden, etwa „Der Exorzist“, „Poltergeist“, „Das Omen“, „Halloween“ oder „Freitag der 13.“ – um nur ein paar zu nennen. Das Motiv des psychopathischen Serienmörders, das in vielen dieser Filme zu finden ist, wurde auch in den darauffolgenden Jahrzehnten immer wieder aufgegriffen. Unzählige Fortsetzungen wurden gedreht, Regisseure versuchten sich dabei häufig mit immer brutaleren Gewaltdarstellungen zu übertrumpfen – der sogenannte Gore- oder Slasher-Film.
Elemente des Horrorfilms finden sich wiederholt auch in Klassikern der Filmgeschichte, die eher dem Thriller- oder Science-Fiction-Genre zuzuordnen werden, so etwa in „Alien“, „Das Schweigen der Lämmer“ oder „Sieben“. Parallel war die schaurige Literatur des 20. Jahrhunderts vor allem geprägt von Stephen King, der als erfolgreichster Horrorautor aller Zeiten gilt.
Horror im 21. Jahrhundert
Im 21. Jahrhundert dominieren Fortsetzungen, Remakes und Franchises das Genre des Horrorfilms. Aufgegriffen werden hierfür meist die Klassiker aus den 1970er- und 1980er-Jahren. Allerdings hat sich besonders in den 2010er-Jahren auch eine moderne Variante herausgebildet, die zuweilen als „Elevated Horror“ („gehobener Horror“) bezeichnet wird. Darunter zählen vor allem die Filme des gefeierten Independent-Studios A24, wie „Get Out“, „Hereditary“ oder „Midsommar“, die nicht bloß erschrecken wollen, sondern auf kreative Formen des Filmemachens und sozialkritische Metaphorik setzen.
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Das Horrorgenre scheint so alt wie die Fiktion selbst zu sein. Folklore oder religiöse Texte beinhalteten schon immer übernatürliche, unerklärliche und häufig grauenhafte Elemente. Bereits in der Antike finden sich Geschichten von Dämonen, Geistern, Hexen oder Vampiren, etwa der „Gespensterbrief“ Plinius des Jüngeren (ca. 61-113 n.Chr.). Auch in der mittelalterlichen Literatur gab es viele Horrorgeschichten, die häufig auf zeitgenössische Mythen über besonders grausame, meist feindliche Persönlichkeiten zurückzuführen waren.
Brüche in der Wirklichkeit
Einen besonderen Aufschwung erlebte das Horrorgenre allerdings im 18. Jahrhundert, zur Zeit der Aufklärung und der einsetzenden Romantik. Die Menschen wandten sich immer mehr von der Religion und dem Aberglauben ab und setzten stattdessen auf Vernunft, Rationalität und wissenschaftliche Evidenz. Dies wurde von vielen als eine „Entzauberung der Welt“ verstanden – da kamen schaurige und übernatürliche Erzählungen gerade recht.
Denn charakteristisch für Horrorgeschichten ist, dass sie die Grenzen zwischen Realität und Fantasie verwischen. Die Protagonist:innen treffen in Welten, die häufig sehr nahe an der Lebenswirklichkeit der Rezipierenden sind, auf unerklärliche Phänomene. So entsteht ein Bruch in der vermeintlichen Realität. Als Meilenstein dieser Epoche gilt „The Castle of Otranto“ des britischen Schriftstellers Horace Walpole von 1764.
Blütezeit der Schauerliteratur
Damit begründete Walpole eine Literaturgattung, die im 19. Jahrhundert zu einem echten Massenphänomen wurde: den Schauerroman, auf Englisch „Gothic Novel“. Viele Klassiker, die bis heute zu den bekanntesten Horrorgeschichten überhaupt zählen, wurden zu dieser Zeit veröffentlicht, darunter Mary Shelleys „Frankenstein“ (1818), Robert Louis Stevensons „Dr. Jekyll and Mr. Hyde“ (1886), die schaurigen Erzählungen Edgar Allan Poes und natürlich der berühmteste Vampirroman aller Zeiten: Bram Stokers „Dracula“ von 1897.
Mit der Jahrhundertwende erlebte Horrorliteratur einen erneuten Boom durch die Verbreitung in Zeitschriften, sogenannten „Pulp“-Magazinen. Besonders einflussreich war hier der amerikanische Schriftsteller H.P. Lovecraft. Er prägte das philosophisch konnotierte Genre des „Cosmic Horror“, das mit der Urangst des Menschen im Angesicht eines unendlichen, ungreifbaren und unerklärlichen Universums spielt.
Anfänge des Horrorfilms
Zur gleichen Zeit kam mit dem Film ein völlig neues Medium auf, das sich von Anfang an ebenfalls mit gruseligen Geschichten beschäftigte. Als erster Horrorfilm gilt „Le Manoir du diable“ („Das Haus des Teufels“) des französischen Regisseurs Georges Méliès, ein dreiminütiger Stummfilm aus dem Jahr 1896.
Filme wie „Das Cabinet des Dr. Caligari“ von 1920, „Nosferatu“ von 1922 oder „Dracula“ von 1931 gelten darüber hinaus nicht nur als Klassiker des Horrorfilms, sondern als Meilensteine der Filmgeschichte insgesamt. Während und unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg ging das Interesse an Horrorfilmen allerdings stark zurück – zu nah waren noch die realen Schrecken des Weltkriegs und des Holocaust.
Nach dem Zweiten Weltkrieg
In den 1950er-Jahren fristete der Horrorfilm noch ein Nischendasein. In den 1960er-Jahren feierten dann mit Alfred Hitchcocks Klassikern „Psycho“ und „Die Vögel“ oder George A. Romeros 1968er-Zombiefilm „Night of the Living Dead“ erste Horrorfilme wieder größere Erfolge an den Kinokassen.
In den 1970ern wurde der Horrorfilm schließlich zu dem Massenphänomen, das er bis heute ist. Zahllose Klassiker sind in diesem Jahrzehnt entstanden, etwa „Der Exorzist“, „Poltergeist“, „Das Omen“, „Halloween“ oder „Freitag der 13.“ – um nur ein paar zu nennen. Das Motiv des psychopathischen Serienmörders, das in vielen dieser Filme zu finden ist, wurde auch in den darauffolgenden Jahrzehnten immer wieder aufgegriffen. Unzählige Fortsetzungen wurden gedreht, Regisseure versuchten sich dabei häufig mit immer brutaleren Gewaltdarstellungen zu übertrumpfen – der sogenannte Gore- oder Slasher-Film.
Elemente des Horrorfilms finden sich wiederholt auch in Klassikern der Filmgeschichte, die eher dem Thriller- oder Science-Fiction-Genre zuzuordnen werden, so etwa in „Alien“, „Das Schweigen der Lämmer“ oder „Sieben“. Parallel war die schaurige Literatur des 20. Jahrhunderts vor allem geprägt von Stephen King, der als erfolgreichster Horrorautor aller Zeiten gilt.
Horror im 21. Jahrhundert
Im 21. Jahrhundert dominieren Fortsetzungen, Remakes und Franchises das Genre des Horrorfilms. Aufgegriffen werden hierfür meist die Klassiker aus den 1970er- und 1980er-Jahren. Allerdings hat sich besonders in den 2010er-Jahren auch eine moderne Variante herausgebildet, die zuweilen als „Elevated Horror“ („gehobener Horror“) bezeichnet wird. Darunter zählen vor allem die Filme des gefeierten Independent-Studios A24, wie „Get Out“, „Hereditary“ oder „Midsommar“, die nicht bloß erschrecken wollen, sondern auf kreative Formen des Filmemachens und sozialkritische Metaphorik setzen.
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