Meinung

Zündstoff | Sind Schönheits-OPs feministisch?

Eine Junge Frau bei einer Schönheitsoperation: Zeichnung der Augenlidlinien und Messung mit Kaliper vor der Operation.
Lipfiller, Lidstraffungen und Botox: Die Gang zum Beauty-Doktor wird auch bei jüngeren Menschen immer häufiger.

In einem Punkt sind sich wohl alle einig: Es wird immer Menschen geben, mit denen man sich uneinig ist. In dieser Rubrik diskutieren junge Menschen über Themen, die für ordentlich Zündstoff sorgen. Sind Schönheitswettbewerbe noch zeitgemäß? Pro und Contra in unserer Rubrik „Zündstoff“

In den sozialen Medien ist eine Debatte gerade hochaktuell: Sind Schönheitsoperationen ein Ausdruck von feministischer Selbstbestimmung oder unterstützen sie ein Frauenbild, das vom Patriarchat geschaffen wurde? Angestoßen wurde die Debatte unter anderem durch Personen des öffentlichen Lebens wie Sophie Passmann und Stefanie Giesinger, die beide als aktive Feministinnen verstanden werden und öffentlich über ihre eigenen Schönheitseingriffe sprechen. Immer mehr Frauen melden sich in Form von Videos und Posts zu Wort und bezweifeln den feministischen Hintergrund von Schönheits-OPs. Auch Katharina und Leonie sind geteilter Meinung.

PRO: Die gute vs. die schlechte Feministin

Die Schönheitsideale, denen vor allem Frauen unterworfen sind, wurden größtenteils von Männern erschaffen. Sie sind letztlich ein weiterer Ausdruck des Patriarchats. Dass man sich solchen Schönheitsidealen trotz allem nicht einfach entziehen kann, liegt auf der Hand. Schließlich sind die meisten Frauen von klein auf mit einer bestimmten Vorstellung von „Weiblichkeit“ oder Frausein konfrontiert. Mal durch die etlichen Anleitungen für den schnellen Gewichtsverlust, mal durch den beiläufigen Kommentar der Tante, man hätte ja abgenommen – und sähe super aus.

Während aber der morgendliche Griff zur Schminke, die Intimrasur oder das Färben der Augenbrauen zu den Schönheitsroutinen gehören, die als gemeinhin akzeptabel gelten, wird bei plastischen Schönheitseingriffen – also Lipfilling, Hautstraffungen und Co. – eine klare Grenze gezogen. Schließlich seien diese ein Risiko für die Gesundheit und noch dazu die ultimative Kapitulation gegenüber dem patriarchalen Druck. Wo genau die Grenze zwischen akzeptablen und unfeministischen Eingriffen allerdings verläuft, ist eine Grauzone. Denn auch das Kaschieren von Pickeln oder das Auftragen von Bräunungscreme ist letzten Endes eine Art der Selbstoptimierung, die uns den gängigen Schönheitsidealen ein Stück näherbringen sollen.

Im Kern geht es im Feminismus um Selbstbestimmung. Wenn nun jede individuelle Entscheidung – insbesondere von Frauen, die sich öffentlich als feministisch positionieren – auf ihren feministischen Grundgehalt überprüft wird, wo bleibt da die Selbstbestimmung? Vielmehr wird dadurch ein ewiger Streit befeuert, der von den eigentlichen Fragen des Feminismus ablenkt. Verkürzt dargestellt ist er nichts anderes als: Die gute vs. die schlechte Feministin – eine Auseinandersetzung, die dem Feminismus eigentlich zuwider sein sollte.

Dass vor allem Frauen, die in der Öffentlichkeit stehen, dem Druck der Schönheitsideale nachgeben, ist also nicht zwingend feministisches Versagen, sondern viel eher eine Art Anpassungsstrategie. Denn wem kann man es verübeln, möglichst wenig Angriffsfläche für abwertende Kommentare über das eigene Aussehen bieten zu wollen? Um es mit Sophie Passmanns Worten zu sagen: „Frauen haben nicht die Wahl, ob sie auf ihr Äußeres reduziert werden, sie haben lediglich die Möglichkeit, einen Umgang damit zu finden, der für sie möglichst ressourcenschonend ist.“ (ZEIT, „Wir können nicht gewinnen“, 1. September 2023)

Katharina Schulz, funky-Jugendreporterin

CONTRA: Operationen verstärken den „Male Gaze“

Feminismus bedeutet Selbstbestimmung und die Selbstermächtigung der Frau. Sich für einen chirurgischen Eingriff zu entscheiden, um sich im eigenen Körper wohler zu fühlen, könnte also als feministischer Akt gelesen werden. Doch was für ein Schönheitsideal ist es, das Frauen mit plastischer Chirurgie anstreben? Eine gerade Nase, eine scharfkantige Kieferpartie, volle Lippen und große Brüste sind vor allem in der Kombination weder die Norm, noch das, was Frauen in ihrer Schönheit ausmacht. Würden Frauen diesem Schönheitsideal überhaupt nachjagen, wenn es nicht das Patriarchat gäbe, was eben dieses von ihnen verlangt?

Frauen, die sich aktiv und aus scheinbar eigener Intention für eine Schönheitsoperation entscheiden, können dieses noch so sehr mit dem Hintergedanken machen, ihren ganz persönlichen Ansprüchen gerecht zu werden. Doch es hat nicht mehr viel mit Feminismus zu tun, wenn Frauen für viel Geld und mit Schmerzen verbundenen Prozessen einem Ideal nacheifern, as in erster Linie dem Ideal der Incel-Bewegung entspricht.

Sich als Frau aus eigenem Bestreben für etwas zu entscheiden ist gut und genau das, worauf der Feminismus abzielt. Aber wir Frauen müssen aufhören, jede Maßnahme, jede Aktivität und jede Tätigkeit von Frauen als Akt des Feminismus zu verkaufen. Feministische Handlungen helfen dabei, das Patriarchat abzuschaffen. Und dazu gehört eben nicht, dieses indirekt zu unterstützen. Mit Schönheits-OPs und dem damit künstlich erzeugten Ideal eines Frauenkörpers werden die Ansprüche der männlichen Vorherrschaft nicht widerlegt, sondern reproduziert.

Nicht alles, was Frauen tun, ist automatisch feministisch. Feminismus ist mittlerweile so stark in unserer Gesellschaft und unserem Alltag angekommen, dass viele dazu neigen, ihn überall zu suchen und zu sehen. Dass Feminismus salonfähig geworden ist, ist eine große Errungenschaft. Aber es geht nach wie vor um Gleichberechtigung. Mit dem Bestreben nach einem durch chirurgische Eingriffe perfektionierten Körper wird diese nicht erreicht, sondern verhindert. Der Feminismus hat nach wie vor einen langen Weg vor sich, denn wir leben immer noch in einem Patriarchat. Und das bedeutet, dass bestimmte Handlungen von Frauen auch nach wie vor einen bestimmten männlichen Blick unterstützen.

Leonie Wendt, funky-Jugendreporterin

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