Interview

Interview mit einer Kampfsportlerin: „Eine kultivierte Form von Aggression“

Laila Ohlhoff macht Jiu-Jitsu.
Laila Ohlhoff (rechts) nimmt an einem Jiu-Jitsu-Wettkampf teil.
Rita Rjabow, funky-Jugendreporterin

Berlin. Es gibt ihn, den Kampfsport abseits von K.-o.-Runden und Käfigkämpfen. Dieser Sport arbeitet mit Hebeltechniken und kommt völlig ohne Schläge oder Tritte aus: das brasilianische Jiu-Jitsu (BJJ). Laila Ohlhoff trainiert seit sieben Jahren BJJ und nimmt sogar mit Erfolg an Wettkämpfen teil. Im Interview teilt die 25-jährige Berlinerin ihre Erfahrungen mit dem „Raufen mit Technik“, räumt mit Vorurteilen auf und erklärt, wieso sich ihre Selbstwahrnehmung durch den Sport verändert hat.

(c) Sascha Krautz

Liebe Laila, was ist an dem Sport besonders?
Laila Ohlhoff: Im BJJ ist die Kontrolle der jeweiligen Trainingspartnerinnen und -partner durch bestimmte Positionen besonders wichtig. BJJ ist eine einzigartige Kombination aus körperlicher Fitness, mentaler Stärke und technischer Präzision. Ich sehe es als eine Herausforderung für den Geist. Die ständige Weiterentwicklung und Verbesserung meiner Fähigkeiten ziehen mich immer wieder an. Ich kämpfe meistens gegen mich und nicht gegen meine Gegnerin. Täglich lerne ich beim Training etwas dazu. Außerdem schätze ich die Gemeinschaft, die sich durch Respekt, Disziplin und gegenseitige Unterstützung auszeichnet.

Welchen Einfluss hat das Training auf deine Selbstwahrnehmung und dein Selbstbewusstsein?
Das Training hat mein Selbstbewusstsein erheblich gestärkt. Durch das ständige Üben von Techniken und das Überwinden von Herausforderungen habe ich gelernt, dass ich mit harter Arbeit und Entschlossenheit meine Ziele erreichen kann. Dieses gestärkte Selbstbewusstsein zeigt sich auch in anderen Bereichen meines Lebens. Über die Jahre hinweg machte mich der Sport gelassener. Für mich ist es eine Form von Empowerment und praktischem Feminismus, wenn ich beim Sport erfahre, wie ich aufgrund meiner Techniken eine größere und schwerere Person kontrollieren kann.

Was sind deine Ziele im Sport?
Im Sport möchte ich mich kontinuierlich verbessern und meine Fähigkeiten weiter ausbauen. Ich nehme an Wettkämpfen teil und selbstverständlich treibt mich auch der Ehrgeiz an. Ein konkretes Ziel von mir ist, dass ich mich für die ADCC Submission Wrestling World Championship qualifizieren möchte. Gleichzeitig möchte ich eine positive Einstellung, Respekt und Fairness bewahren, unabhängig vom Ausgang eines Kampfes. BJJ sehe ich als kultivierte Form von Aggression an. Für die Kampfsport-Community hoffe ich, dass sie weiterwächst und bunter wird. In Deutschland ist BJJ noch ein Nischensport. Es wäre schön, wenn Vorurteile und Stereotypen abgebaut werden und der Fokus auf den positiven Werten und der persönlichen Entwicklung liegen könnte. Jede Person auf der Matte kann einen Einfluss haben und ihren Beitrag zur gesellschaftlichen Wahrnehmung des Kampfsports leisten.

Um Fortschritte im Sport zu erreichen, muss man am Ball bleiben und sich kontinuierlich herausfordern.

Laila Ohlhoff

Es gibt verschiedene Stereotype, die mit Kampfsport verbunden werden. Wie nimmst du das wahr?
Dem Kampfsport wird oft nachgesagt, dass es ausschließlich um Gewalt oder Aggressivität geht. Meiner Erfahrung nach sind diese Vorurteile weit von der Realität entfernt. Ein anderes Klischee ist, dass Kampfsport vor allem Männern Spaß macht und liegt. Es ist bedauerlich, dass solche Vorurteile existieren, aber ich sehe es als unsere Aufgabe an, dem durch unser eigenes Verhalten entgegenzuwirken.

Du bist Teil der Gruppe „Fightclub“ hier in Berlin. Was zeichnet euch aus?
Der „Fightclub“ wurde gegründet, um tatsächlich ein Wettkampftraining für Frauen* zu ermöglichen. Es ist eine Hürde für Frauen*, mit dem Kampfsporttraining anzufangen, außerdem gibt es viel Körperkontakt. So wollen wir es Frauen erleichtern, den Sport zu machen. Alle Frauen* bringen unterschiedliche Geschichten mit. „Fightclub“ ist aber nicht einfach ein Trainingsraum für Frauen*, sondern es geht auch darum, Frauen* in Berlin für kommende Wettkämpfe vorzubereiten. Bei diesem Training geben wir 100 Prozent. Wir brauchen ein solches Wettkampftraining, um mit Personen in ähnlichem Gewicht und Körperbau zu trainieren. Das vermindert das Risiko, sich zu verletzen, und ist eine geeignetere Vorbereitung für Wettkämpfe.

(c) Sascha Krautz

Was muss man können, um selbst mit einem Kampfsport oder auch der Selbstverteidigung anzufangen?
Es ist keine spezielle Vorerfahrung notwendig. Alle können damit anfangen – unabhängig von Alter, Geschlecht oder bisheriger Sporterfahrung.  Das Wichtigste ist der Wille, zu lernen und sich zu verbessern. Die meisten Kampfsportschulen oder Vereine bieten Kurse für Anfängerinnen an, in denen die ersten Techniken und Grundlagen vermittelt werden. Es ist wichtig, offen für neue Erfahrungen zu sein und vor den anderen Menschen auf der Matte Respekt zu zeigen. Um Fortschritte im Sport zu erreichen, muss man am Ball bleiben und sich kontinuierlich herausfordern. Sicherheit steht dabei immer an erster Stelle, sowohl für sich selbst, als auch für die Trainingspartnerinnen und -partner.

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