Interview

Extremsportler Jonas Deichmann: „Am Strand liegen und nichts tun, das könnte ich nicht“

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Ein Nebeneffekt von Jonas Deichmanns Weltumrundung ist sein prächtiger Vollbart.

Letztes Jahr machte sich Jonas Deichmann auf zu einem unglaublichen Abenteuer: Er umrundete bei einem selbst zusammengestellten Triathlon die ganze Welt. Dabei legte er an 429 Tagen 460 Kilometer schwimmend, 5.060 Kilometer laufend und legte 21.600 Kilometer auf seinem Fahrrad zurück. Er durchquerte insgesamt 18 Länder, bevor er wieder an seinem Startpunkt München ankam. Im Interview spricht der 34-jährige Extremsportler aus Stuttgart über seine extreme Erfahrung und darüber, wann er sich wirklich einsam fühlt.

Chayenne Wolfframm, funky-Jugendreporterin

Zuerst einmal: Wie kamen Sie auf die Idee mit dem Triathlon?
In den letzten Jahren habe ich verschiedene Fahrradrekorde aufgestellt. Ich war bereit für eine neue Disziplin und wollte meine Grenzen ein bisschen verschieben. Ich hatte schon immer den Traum als Abenteurer einmal die Welt zu umrunden.

Wann haben Sie den Sport als Leidenschaft für sich entdeckt?
Mit ein oder zwei Jahren, es war immer mein Leben. Ich habe in meiner Kindheit die verschiedensten Sportarten ausprobiert und bin immer in der Natur gewesen. Irgendwann bin ich beim Radfahren hängengeblieben. Während meines Studiums hatte ich kein Geld, aber viel Zeit und wollte die Welt sehen. Da bin ich mit dem Fahrrad um die Welt geradelt. Das war für mich ein so tolles Erlebnis, dass ich nichts anderes mehr machen wollte. Zwei Jahre später habe ich mich dann auf schwierigere Expeditionen spezialisiert.

Womit verbringen Sie Ihre Zeit, wenn Sie mal nicht gerade Fahrradfahren, laufen oder schwimmen?
Wenn ich nicht auf einer Expedition bin, dann habe ich sehr viel mit Vorträgen zu tun. Es ist jetzt auch mein Buch „Das Limit bin nur ich“ erschienen. Außerdem kommt ein Kinofilm heraus. Wenn ich im Urlaub bin oder Freizeit habe, dann gehe ich Radfahren und Laufen, ein bisschen Surfen, aber immer Sport. So am Strand liegen und nichts tun, das könnte ich nicht.

Jonas Route führte ihn durch alle Erdteile und Klimazonen.
(c) Andrej Bavchenkov

Immer wieder kam es auf Ihrer Reise zu Planänderungen. Haben Sie auch manchmal an sich gezweifelt oder in Erwägung gezogen, den Triathlon abzubrechen?
Nein, den Gedanken gab es nie. Aufgeben ist keine Lösung. Es geht immer irgendwie weiter. Ich bin oft in Situationen gewesen, in denen es unglaublich hart war oder auch beispielsweise die Grenzen geschlossen waren. Aber ich habe immer daran geglaubt, dass ich eine Lösung finde.

Was war das verrückteste Erlebnis auf Ihrer Reise?
In Baja California bin ich durch die Wüste gerannt, durch ganz einsame Sträßchen. Plötzlich ist so ein Kleinbus an mir vorbeigefahren und fünf Männer sind herausgesprungen und ich habe schon gedacht: „Mein Gott, die wollen mich jetzt überfallen.“ Aber dann haben sie angefangen Musik zu spielen. Das war eine Gruppe Mariachi, die mir auf Instagram folgen und die mir ein kleines Motivationsliedchen spielen wollten.

Haben Sie sich einsam oder allein gefühlt, zum Beispiel an Ihrem Geburtstag oder an Weihnachten?
Ich fühle mich interessanterweise in der Wildnis nie alleine. Einsam habe ich mich eher am Ende gefühlt, als ich in Mexiko nonstop Begleitung hatte. Teilweise bin ich 50 Kilometer gerannt, in ein Dorf gekommen und da haben ein paar Tausend Menschen auf mich gewartet. Jeder will was von mir, in solchen Momenten fühle ich mich ganz alleine. Das birgt eigentlich viel mehr Einsamkeit, mit der Anonymität des Ganzen umzugehen.

Wenn Sie mit drei Worten beschreiben müssten, wie Sie sich gefühlt haben, als sie den Triathlon beendet haben, welche wären das?
Glücklich auf jeden Fall. Auch stolz und aufgeregt in dem Sinne, dass jetzt etwas Neues beginnt.

Fühlt es sich auch irgendwo unwirklich an, nach einer so langen Zeit unter extremsten Umständen wieder hier zu sein?
Nein, das Ankommen ist immer das Ziel. Ich habe so viel Zeit zum Nachdenken, gerade wenn ich laufe. Ich hatte genug Zeit, um die Eindrücke zu verarbeiten. Für mich ist es ganz wichtig, dass ich bereits weiß, was ich als Nächstes mache.

Was ist denn als Nächstes geplant?
Das ist streng geheim. Ich kann nur so viel sagen: 2023 geht es wieder los. Es wird dem Triathlon um nichts in der Welt nachstehen und mindestens genauso schwierig sein. Das hat vorher noch kein Mensch gemacht und es wird wieder verdammt kalt.

Was haben Sie in der langen Zeit über sich selbst gelernt?
Vor allem habe ich sehr viel Selbstvertrauen gewonnen. Ich habe vorher nur mein Seepferdchen gehabt und bin jetzt 460 Kilometer geschwommen und 120 Marathons gelaufen. Eine gute Technik und Muskeln helfen dabei, aber was am Ende wirklich zählt, ist der Mindset, die Einstellung. Man muss mit seinem ganzen Herzen dahinterstehen und fest daran glauben, dass man es kann. Und dann bin das Limit auch nur ich.

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Wir haben genug davon, dass die Geschichten immer nur von den Alten erzählt werden. Deswegen haben wir den Stift selbst in die Hand genommen, sind durch die Lande gezogen, haben Geschichten und Menschen gesucht, gefunden und alles aufgeschrieben, was uns untergekommen ist. Wir haben unsere Smartphones und Kameras gezückt und Fotos und Videos gemacht. Auf funky zeigen wir euch die Ergebnisse unserer Recherchen.