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Fünf ethisch fragwürdige Experimente Vol. 2

Gefahrenzeichen
Experimentieren kann die Menschheit sehr viel weiter bringen. Doch welche Experimente gingen zu weit?
Ada Philippi, funky-Jugendreporterin

Ethische Grundstandards sind längst zur Voraussetzung geworden, um  Experimente aller Art durchführen zu können. Aber das war nicht immer so. Einige Experiente sind mittlerweile, nicht zuletzt wegen ihrer unethischen oder kontroversen Inhalte, fast vollständig von der Bildfläche verschwunden. In diesem Artikel sollen  die Geschichtsbücher wieder aufgeschlagen werden. Hier kommen fünf ethisch fragwürdige Experimente aus dem 20. Jahrhundert.

1. Die „Monster“-Studie

Was bringt Kinder zum Stottern? Diese Frage stellte sich der Psychologe Wendell Johnson. Er entwickelte die diagnostische Theorie, die besagt, dass Kinder stottern, weil jemand ihre normalen Sprachgewohnheiten als unnormal diagnostiziert. Folglich könnten Kinder, die nicht stottern, zum Stottern gebracht werden, wenn man sie als solche diagnostiziert. Um diese Theorie zu testen, beschloss Johnson, im Jahr 1939 eine Studie zu betreuen, die später als die „Monster“-Studie bekannt werden sollte. Dabei wurden sechs Waisenkinder, die normal sprachen, als Stotterer diagnostiziert und über einen längeren Zeitraum immer wieder auf kleinste Sprachfehler hingewiesen. Ihnen wurde geraten, nur zu sprechen, wenn sie nicht stotterten. Am Ende des Experiments entwickelten die sechs Waisenkinder zwar keine Sprachprobleme, kämpften aber in der Folge teilweise ihr Leben lang mit mangelndem Selbstbewusstsein und Nervosität.

2. Das Bystander-Experiment

Der Bystander- oder Zuschauereffekt ist ein Prinzip aus der Psychologie und beschreibt folgendes Phänomen: Je mehr Menschen Zeuge einer Notsituation werden, desto weniger Zivilcourage zeigen sie. Die Wissenschaftler John Darley und Bibb Latanê wollten den Effekt genauer erforschen und entwarfen im Jahr 1968 das Bystander-Experiment. Probanden wurde mehrere Studenten lang erklärt, dass es darum gehen sollte, über Probleme im Studierendenalltag zu reden. Jeder Proband bekam einen eigenen Raum, der mit einem Kopfhörer und einem Mikrofon ausgestattet war. Was die Studenten nicht wussten: Die Stimmen aus den Kopfhörern wurden alle vorher aufgenommen. Zu den Aufnahmen gehörte auch die eines Opfers, das während der Diskussion einen epileptischen Anfall vortäuschte. So sollte getestet werden, ob die Studenten, auch wenn dem Proband vermittelt wurde, es wären andere Studenten anwesend, den Anfall melden würden. Tatsächlich bestätigte sich der Bystander-Effekt durch dieses Experiment: Während bei einer Gruppengröße von zwei Personen noch 85 Personen den Anfall meldeten, meldeten bei einer Gruppengröße von sechs nur noch 31 Prozent den Vorfall.

3. Die Zellen der Henrietta Lacks

Die HeLa-Zellen sind eine wichtige Errungenschaft in der Biomedizin, die schon vielen Menschen das Leben gerettet hat. Beispielsweise halfen sie in den 1950er-Jahren bei der Erprobung von Impfstoffen gegen Kinderlähmung. Die Geschichte hinter den Tumorzellen kennt jedoch kaum jemand. Ursprünglich stammen die HeLa-Zellen aus einem aggressiven Tumor der 30-jährigen Afroamerikanerin Henrietta Lacks. Als 1951 der Zellbiologe George Gey die Tumorzellen zu Gesicht bekam, erkannte er sofort ihr Potenzial. Sie vermehrten sich auch außerhalb des Körpers und waren mehr oder weniger unsterblich, was sie einzigartig machte. Wenige Jahre nach dem Tod ihrer Spenderin begann die kommerzielle Produktion der HeLa-Zellen. Das Problem an der Geschichte: Die Angehörigen Henrietta Lacks wurden erst Jahre später über das Vorgehen der Forschenden informiert. Außerdem wurde die Krankenakte Henrietta Lacks von dem behandelnden Krankenhaus freigegeben – ebenfalls ohne das Einverständnis der Lacks. Von der Produktion der HeLa-Zellen profitieren die Lacks bis heute nicht.

4. Blaue und braune Augen

Am 4.4.1968 wurde der Bürgerrechtler Martin Luther King Jr. ermordet. Die Grundschullehrerin Jane Elliot war erschüttert und entwarf ein Experiment, mit dem sie ihren Drittklässlern zeigen wollte, wie sich Rassismus anfühlt. Sie teilte die Klasse in zwei Hälften. Auf der einen Seite waren die Blauäugigen. Sie bekamen am ersten Tag des zweitägigen Experiments verschiedene Privilegien, beispielsweise eine längere Pause. Auf der anderen Seite waren die braunäugigen Kinder. Sie wurden bei Fehlern oder Regelverstößen scharf kritisiert, außerdem mussten sie einen besonderen Kragen tragen. Schnell entwickelte sich ein unterdrückendes System. Die blauäugigen Kinder begannen wirklich zu glauben, dass ihre blauen Augen sie zu besseren Menschen machten und umgekehrt dachten die braunäugigen Kinder, dass ihre Augenfarbe sie zu schlechteren Menschen machte. Am zweiten Tag wurden die Rollen getauscht. Jane Elliot ist heute als Aktivistin tätig und hält an verschiedenen Institutionen Vorträge über das Thema Diversität.

5. Die Affen-Drogen-Experimente von 1969

1969 entschied sich die pharmakologische Abteilung der Universität Michigan, ein Experiment zu starten. Der Plan: Es sollte getestet werden, ob, wie und bei welchen Drogen Affen drogenabhängig werden würden. Davon erhoffte man sich Erkenntnisse, die sich auf den Menschen übertragen lassen würden. Dafür wurde je ein Affen in einem kleinen Käfig gehalten. Er bekam die Möglichkeit, sich durch einen Hebel selbst Drogen wie Morphin, Alkohol, Kokain oder Codein zu spritzen. Trotz der Bemühungen der Forscher wurde nicht jeder Affe abhängig. Dennoch versuchten viele Affen während des Prozesses auszubrechen, andere verletzten sich, indem sie sich beispielsweise während einer Halluzination die Haare ausrissen. Viele starben an den Folgen ihres ungebremsten Drogenkonsums, ohne dass das Forschungsteam eingriff.

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