Meinung

Trockenperiode „Dry January“ – Ein Experiment

Regal mit Alkohol
EInen Monat lang auf Alkohol verzichten - kein Problem! Oder?

Wenige Stunden nach Beginn des neuen Jahres sitze ich mit Freunden auf einer kleinen Mauer. Wir lachen über unsere komischen Kindheitshelden von früher, als einer meiner Freunde seine Zigarette weiterreicht und feierlich verkündet: „Wisst ihr Leute, im Januar wird erstmal eine fette Alkoholpause gemacht.”

Kristina Vasilevskaja, funky-Jugendreporterin

Anfangsmotivation

Oh ja, stimmen einige zu. Auch ich bin unter den Nickenden. Neujahrsvorsätze sind in der Regel ziemlich lahm, weil sie kaum mal wirklich durchgezogen werden, aber diesmal bin ich fest davon überzeugt, dass ich diesen einen kleinen Vorsatz umsetzen werde. Einen Monat lang keinen Alkohol, das ist doch machbar. Schließlich war der Dezember für alle ganz schön intensiv, was das angeht, der „Dry January“ also ein guter Ausgleich. Besserer Schlaf, dementsprechend mehr Energie, weniger Geldausgaben und besseres Körpergefühl würden mit einer trockenen Zeit einhergehen, da war ich mir sicher.

Am 12. Januar bemerkte ich, dass der besagte erste Monat schon ganz schön lang ist. Zwei Wochen fühlen sich an wie vier. Aber es ist ja nicht so, dass ein paar Wochen ohne Wein, Bier und Drinks nicht aushalten würde. Die Tage vergehen irgendwie schnell und langsam zugleich. Es ergaben sich ganz schön viele Situationen, in denen ich mich bewusst nicht irgendwo verabrede, wo Alkohol getrunken wird. Am 16. Januar dann besuche ich meine Freundin in der Pizzeria. „Es gibt noch Glühwein!“, ruft sie, als ich hineinkomme. Sie weiß, wie sehr ich den Glühwein im Dezember gelobt habe, und ehe ich lange darüber nachgedacht habe, war mein Glas auch schon leer. „Oh“ ist das Einzige, was ich danach denke. Vielleicht noch: „Mmmh, Glühwein im Januar ist noch besser als Glühwein im Dezember.“

Dass ich meinen einzigen Vorsatz binnen Minuten über Bord geworfen habe, realisiere ich schnell – aber der Frust darüber hält sich nicht lange. Na schön, jetzt ist es eben passiert. Das ist echt okay. Ich sollte mich jetzt nicht fertig machen. Ein Glas Glühwein ist kein Absturz, auch wenn mein Vorhaben damit jetzt gescheitert ist.

Die Realität

Ich versuche auch in den Tagen danach darauf zu achten, mich nicht zu schnell verleiten zu lassen. Aber oft genug denke ich daran, wie schön ein Glas Wein gerade zu einem geselligen Abend passen würde. So absurd! Ich treffe mich abends mit einer Freundin und wohin könnte man schon gehen, wenn nicht in eine Bar? Und was trinkt man in einer Bar, wenn es keinen Pfefferminztee gibt? Schon ein paar Tage nach Glühwein X schien mein Vorsatz immer weiter in Vergessenheit geraten zu ein. Und wenn ich schon Alkohol trinke, dann doch wohl keine Weinschorle. Ein ganz, ganz falscher Ansatz, aber ich denke, dass ich damit nicht allein bin.

Ein paar Tage später schreibt mir eine Freundin: „Wollen wir uns morgen zu Kochen und Wein treffen?“ Ich muss schmunzeln, weil es so schön klingt. Auch wenn ich weiß, dass es ohne den Wein schön sein kann, ist es doch ein Abstrich, den man machen würde. Schweren Herzens schreibe ich zurück, dass ich gerade eine Pause mache.

Wie fühle ich mich nun damit?

Ich stelle fest, dass die Versuchung überall zu finden ist. Es ist eine Einschränkung, als wäre es ein Handicap, keinen Alkohol zu trinken, da das Sozialleben darunter leidet. In manchen Fällen ist Alkohol wahrscheinlich der einzige Grund, um sich überhaupt zu treffen. Das ist leider keine Überraschung, erschreckt mich aber dennoch, vor allem nach meiner eigenen Erfahrung.

Der „Dry January” erfreut sich schon seit einigen Jahren großer Beliebtheit. Die in Großbritannien initiierte Kampagne richtet sich vor allem an junge Menschen, die ihren Alkoholkonsum eindämmen wollen. Es ist ein guter Anlass, mal zu schauen, wie es um das eigene Verhältnis zum Alkohol steht. Und nicht nur der Alkohol kann auf dem Prüfstand stehen: Alles, was wir konsumieren, sei es Zucker oder Social Media, kann „gefastet” werden, um danach einen bewussteren Umgang damit zu haben. Ein „Dry January” muss außerdem nicht zwangsläufig im Januar durchgezogen werden. Es geht vielmehr darum sich die Zeit zu nehmen, um wirklich zu verstehen, was einige Dinge mit einem machen. Und auch, wenn ich meinen Vorsatz nicht einhalten konnte, beschloss ich dadurch immerhin achtsamer mit dem Thema Alkoholkonsum umzugehen. Wie ich mich selbst kenne, haben Verbote fast immer das Gegenteil bewirkt, Moderation scheint mir daher ein guter Kompromiss zu sein.

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