Die Philosophin Svenja Flaßpöhler gibt auf der Zukunftswoche des funky-Projektpartners dm-drogerie markt den Belangen der Gen Z eine Plattform.
Wir leben in einer Zeit, in der die Welt, wie wir sie kennen, kopf zu stehen scheint. In Europa herrscht immer noch Krieg, die Sommer werden immer heißer und zu allem Überfluss gibt es immer wieder Horrormeldungen über eine neue, noch ausgebufftere Corona-Variante. Um genug Energie für diese großen Krisen zu haben, brauchen junge Menschen vor allem eines: Hoffnung, die nach vorne zieht. Svenja Flaßpöhler, Philosophin und Chefredakteurin des „Philosophie-Magazins“, moderiert auf der Zukunftswoche des funky-Projektpartners dm eine Diskussionsrunde, die diesem Thema auf den Grund gehen möchte. Im Dialog sollen hier Inspirationen und Handlungsansätze entstehen, die zum Umdenken und Aktivwerden einladen. Warum es wichtig ist, gesellschaftliche Konzepte neu zu denken, und welche Rolle die Philosophie dabei spielt, verrät die Philosophin im Interview.
Als Chefredakteurin des „Philosophie-Magazins“ widmen Sie sich aktuellen politischen, kulturellen und existenziellen Themen mit philosophischem Blick. Vor diesem Hintergrund: Wie blicken Sie auf den Gemütszustand der heutigen Jugend?
Svenja Flaßpöhler: Der gibt mir sehr zu denken. Ich bin selber Mutter einer 15-jährigen Tochter und eines achtjährigen Sohnes. Ich glaube, dass die Jugend durch die vielfältigen Krisen besonders belastet und herausgefordert wird. Sie muss sich ihre eigene Position erarbeiten, mit der sie auf diese Krisen blickt.
Sind Krisen die neue Normalität? Wenn ja, wie können sich junge Menschen darin zurechtfinden?
Es stimmt, dass wir in einer extrem krisengeschüttelten Zeit leben. Wir haben die Corona-Krise, wir haben die Klimakrise, wir haben den Ukraine-Krieg. Also vielfältigste Krisen, die auch die Weltordnung gefährlich durcheinanderbringen und die Fortexistenz auf dem Planeten grundsätzlich gefährden. Gleichzeitig glaube ich, dass es eine Illusion ist, anzunehmen, dass es jemals eine Zeit gab, die nicht krisengeschüttelt gewesen wäre. Auch meine Kindheit und Jugend war stark vom kalten Krieg und der nuklearen Bedrohung überschattet. In Krisenzeiten müssen wir uns im Denken und Handeln neu orientieren. Und das gilt natürlich auch für die Jugend.
Kann Philosophie ein Anker in krisenreichen Zeiten sein?
Ich glaube, dass es ein Irrglaube ist, dass Philosophie primär dazu da ist, um Sicherheit zu stiften. Philosophie ist zunächst dazu da, produktiv zu verunsichern. Zu philosophieren bedeutet, auch die andere Seite zu sehen und Gewissheiten zu erschüttern. Nichts anderes hat Sokrates gemacht, als er auf dem Marktplatz mit den Athener Bürgern diskutierte. Er hat die Grundfesten seiner Zeit infrage gestellt. Unter anderem, ob es überhaupt sinnvoll ist, Schüler von bezahlten Lehrern erziehen zu lassen, den sogenannten Sophisten. Aber Philosophie kann natürlich auch dabei helfen, sich im Denken neu zu orientieren. Das erleben wir auch momentan: Konzepte, an denen wir uns immer gut orientieren konnten, verschieben sich plötzlich. Nehmen wir den Begriff der Freiheit. Damit war sehr lange ein FDP-Freiheitsbegriff gemeint: Individuelle Freiheit, die muss ich gegenüber einem übergriffigen Staat und gegen übergriffige Mitbürger verteidigen. Und jetzt steht genau dieser Freiheitsbegriff enorm unter Beschuss. In den Vordergrund rückt ein kollektiver Freiheitsbegriff. Und in der Philosophie geht es darum, solche Verschiebungen nachzuvollziehen und dann auch die richtigen Fragen zu stellen.
Was sind Ihrer Meinung nach die wichtigsten Stimmen der Philosophie, die dabei unterstützen können, zuversichtlich in eine ungewisse Zukunft zu steuern?
Davon gibt es sehr viele. Ich glaube, dass wir einen tatsächlich mit auf dem Podium der dm-Zukunftswoche haben: Richard David Precht. Er ist ein mutiger Denker, der sich in Debatten einschaltet und Positionen vertritt, die nicht unbedingt mehrheitsfähig sind. Er kann dabei helfen, große gesellschaftliche Umbrüche zu verstehen und auch so etwas wie Zuversicht zu entwickeln.
Was muss für ein lebenswertes Morgen passieren?
Ich glaube, dass wir überhaupt erst mal eine Ahnung davon bekommen, wie dieses Morgen aussehen könnte. Das Problem in unserer heutigen Zeit ist ja, dass sich alles zu verdunkeln scheint. Wir erleben gerade eine Phase großer Verzweiflung. Wir sehen im Grunde nur, dass es so klimapolitisch und ökologisch nicht weitergeht. Doch wir haben in unserer modernen, technisch hochgerüsteten, aufgeklärten Gesellschaft keine richtigen Kulturtechniken, wie wir mit solchen Situationen der Perspektivlosigkeit und des Nicht-Wissens umgehen sollen. Wir müssten etwas Neues, Gutes erkennen, auch wenn wir noch nicht die Begriffe dafür haben. Indigene Kulturen nutzten den Traum, um Visionen zu entwickeln. Wir haben nur Statistiken und Prognosen.
Wie könnte die junge Generation Ihrer Meinung nach ihren Einfluss auf die Gesellschaft verstärken?
Ich finde, dass die Jugend gute Wege gefunden hat, auf sich aufmerksam zu machen. Ich befürworte „Fridays for Future“, ich befürworte auch die Aktionen der „Letzten Generation“. Ich halte diese für absolut angemessen. Es ist wirklich nicht mehr rational erklärbar, warum es in Deutschland kein Tempolimit auf Autobahnen gibt. Es ist ganz offensichtlich so, dass die Politik in dieser Frage von der Wirtschaft bestimmt wird. Und ich habe großes Verständnis dafür, dass man als junger Mensch keine andere Möglichkeit mehr sieht, als sich auf die Straße zu kleben. Man muss einen falschen Frieden stören, hat der Philosoph Dieter Thomä mal gesagt. Nicht jeder gesellschaftliche Frieden ist gut. Manchmal muss man ein Störenfried sein.
Ich habe großes Verständnis dafür, dass man als junger Mensch keine andere Möglichkeit mehr sieht, als sich auf die Straße zu kleben.
Svenja Flaßpöhler
Sie werden auf der dm-Zukunftswoche die Panel-Diskussion am Kinder- und Jugendtag moderieren. Was erhoffen Sie sich von dem Gespräch?
Ich hoffe, dass wir Perspektiven entwickeln und Möglichkeiten finden, das Gute, für das wir noch keinen Begriff haben, näher zu fassen. Ich glaube, wir brauchen Hoffnung, wir brauchen Perspektiven. Jede Krise ist immer auch eine Möglichkeit. Aber natürlich gilt es zunächst einmal, die Krisen zu analysieren, die auch die Jugend betreffen. Da ergeben ein Bildungswissenschaftler, ein Philosoph und eine junge Musikerin mit Migrationsgeschichte eine sehr interessante und spannende Runde, weil so die Multiperspektivität ermöglicht wird, die wir brauchen. Und es ist natürlich meine Rolle als Moderatorin, Spannung zu erzeugen. Es wird sicherlich auch kontrovers. Alles andere wäre schließlich langweilig.
Warum braucht es Veranstaltungen wie die Zukunftswoche?
Das sagt schon der Name: Es geht um die Zukunft. Und die ist verdüstert, wir haben nur einen Blick für die krisenhafte Gegenwart. Das führt dazu, dass wir durch die Krisen getrieben werden, auf die wir ständig reagieren müssen. Aber wir haben nichts, was uns von vorne zieht. Und ich glaube, das brauchen wir wieder.
Was gibt Ihnen Halt?
Mein Umfeld. Obwohl ich sehr gern allein bin und auch allein sein möchte und muss, um zu denken und zu schreiben, brauche ich die anderen. Ich brauche mein Magazin, ich brauche meine Familie. Solange wir uns in Zusammenhänge eingebunden fühlen, in denen wir uns sehr wohl fühlen und gleichzeitig Raum haben für Entwicklung, gibt das großen Halt.
Dieser Text entstand in Kooperation mit dem funky-Projektpartner dm-drogerie markt.
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Die Philosophin Svenja Flaßpöhler gibt auf der Zukunftswoche des funky-Projektpartners dm-drogerie markt den Belangen der Gen Z eine Plattform.
Wir leben in einer Zeit, in der die Welt, wie wir sie kennen, kopf zu stehen scheint. In Europa herrscht immer noch Krieg, die Sommer werden immer heißer und zu allem Überfluss gibt es immer wieder Horrormeldungen über eine neue, noch ausgebufftere Corona-Variante. Um genug Energie für diese großen Krisen zu haben, brauchen junge Menschen vor allem eines: Hoffnung, die nach vorne zieht. Svenja Flaßpöhler, Philosophin und Chefredakteurin des „Philosophie-Magazins“, moderiert auf der Zukunftswoche des funky-Projektpartners dm eine Diskussionsrunde, die diesem Thema auf den Grund gehen möchte. Im Dialog sollen hier Inspirationen und Handlungsansätze entstehen, die zum Umdenken und Aktivwerden einladen. Warum es wichtig ist, gesellschaftliche Konzepte neu zu denken, und welche Rolle die Philosophie dabei spielt, verrät die Philosophin im Interview.
Als Chefredakteurin des „Philosophie-Magazins“ widmen Sie sich aktuellen politischen, kulturellen und existenziellen Themen mit philosophischem Blick. Vor diesem Hintergrund: Wie blicken Sie auf den Gemütszustand der heutigen Jugend?
Svenja Flaßpöhler: Der gibt mir sehr zu denken. Ich bin selber Mutter einer 15-jährigen Tochter und eines achtjährigen Sohnes. Ich glaube, dass die Jugend durch die vielfältigen Krisen besonders belastet und herausgefordert wird. Sie muss sich ihre eigene Position erarbeiten, mit der sie auf diese Krisen blickt.
Sind Krisen die neue Normalität? Wenn ja, wie können sich junge Menschen darin zurechtfinden?
Es stimmt, dass wir in einer extrem krisengeschüttelten Zeit leben. Wir haben die Corona-Krise, wir haben die Klimakrise, wir haben den Ukraine-Krieg. Also vielfältigste Krisen, die auch die Weltordnung gefährlich durcheinanderbringen und die Fortexistenz auf dem Planeten grundsätzlich gefährden. Gleichzeitig glaube ich, dass es eine Illusion ist, anzunehmen, dass es jemals eine Zeit gab, die nicht krisengeschüttelt gewesen wäre. Auch meine Kindheit und Jugend war stark vom kalten Krieg und der nuklearen Bedrohung überschattet. In Krisenzeiten müssen wir uns im Denken und Handeln neu orientieren. Und das gilt natürlich auch für die Jugend.
Kann Philosophie ein Anker in krisenreichen Zeiten sein?
Ich glaube, dass es ein Irrglaube ist, dass Philosophie primär dazu da ist, um Sicherheit zu stiften. Philosophie ist zunächst dazu da, produktiv zu verunsichern. Zu philosophieren bedeutet, auch die andere Seite zu sehen und Gewissheiten zu erschüttern. Nichts anderes hat Sokrates gemacht, als er auf dem Marktplatz mit den Athener Bürgern diskutierte. Er hat die Grundfesten seiner Zeit infrage gestellt. Unter anderem, ob es überhaupt sinnvoll ist, Schüler von bezahlten Lehrern erziehen zu lassen, den sogenannten Sophisten. Aber Philosophie kann natürlich auch dabei helfen, sich im Denken neu zu orientieren. Das erleben wir auch momentan: Konzepte, an denen wir uns immer gut orientieren konnten, verschieben sich plötzlich. Nehmen wir den Begriff der Freiheit. Damit war sehr lange ein FDP-Freiheitsbegriff gemeint: Individuelle Freiheit, die muss ich gegenüber einem übergriffigen Staat und gegen übergriffige Mitbürger verteidigen. Und jetzt steht genau dieser Freiheitsbegriff enorm unter Beschuss. In den Vordergrund rückt ein kollektiver Freiheitsbegriff. Und in der Philosophie geht es darum, solche Verschiebungen nachzuvollziehen und dann auch die richtigen Fragen zu stellen.
Was sind Ihrer Meinung nach die wichtigsten Stimmen der Philosophie, die dabei unterstützen können, zuversichtlich in eine ungewisse Zukunft zu steuern?
Davon gibt es sehr viele. Ich glaube, dass wir einen tatsächlich mit auf dem Podium der dm-Zukunftswoche haben: Richard David Precht. Er ist ein mutiger Denker, der sich in Debatten einschaltet und Positionen vertritt, die nicht unbedingt mehrheitsfähig sind. Er kann dabei helfen, große gesellschaftliche Umbrüche zu verstehen und auch so etwas wie Zuversicht zu entwickeln.
Was muss für ein lebenswertes Morgen passieren?
Ich glaube, dass wir überhaupt erst mal eine Ahnung davon bekommen, wie dieses Morgen aussehen könnte. Das Problem in unserer heutigen Zeit ist ja, dass sich alles zu verdunkeln scheint. Wir erleben gerade eine Phase großer Verzweiflung. Wir sehen im Grunde nur, dass es so klimapolitisch und ökologisch nicht weitergeht. Doch wir haben in unserer modernen, technisch hochgerüsteten, aufgeklärten Gesellschaft keine richtigen Kulturtechniken, wie wir mit solchen Situationen der Perspektivlosigkeit und des Nicht-Wissens umgehen sollen. Wir müssten etwas Neues, Gutes erkennen, auch wenn wir noch nicht die Begriffe dafür haben. Indigene Kulturen nutzten den Traum, um Visionen zu entwickeln. Wir haben nur Statistiken und Prognosen.
Wie könnte die junge Generation Ihrer Meinung nach ihren Einfluss auf die Gesellschaft verstärken?
Ich finde, dass die Jugend gute Wege gefunden hat, auf sich aufmerksam zu machen. Ich befürworte „Fridays for Future“, ich befürworte auch die Aktionen der „Letzten Generation“. Ich halte diese für absolut angemessen. Es ist wirklich nicht mehr rational erklärbar, warum es in Deutschland kein Tempolimit auf Autobahnen gibt. Es ist ganz offensichtlich so, dass die Politik in dieser Frage von der Wirtschaft bestimmt wird. Und ich habe großes Verständnis dafür, dass man als junger Mensch keine andere Möglichkeit mehr sieht, als sich auf die Straße zu kleben. Man muss einen falschen Frieden stören, hat der Philosoph Dieter Thomä mal gesagt. Nicht jeder gesellschaftliche Frieden ist gut. Manchmal muss man ein Störenfried sein.
Sie werden auf der dm-Zukunftswoche die Panel-Diskussion am Kinder- und Jugendtag moderieren. Was erhoffen Sie sich von dem Gespräch?
Ich hoffe, dass wir Perspektiven entwickeln und Möglichkeiten finden, das Gute, für das wir noch keinen Begriff haben, näher zu fassen. Ich glaube, wir brauchen Hoffnung, wir brauchen Perspektiven. Jede Krise ist immer auch eine Möglichkeit. Aber natürlich gilt es zunächst einmal, die Krisen zu analysieren, die auch die Jugend betreffen. Da ergeben ein Bildungswissenschaftler, ein Philosoph und eine junge Musikerin mit Migrationsgeschichte eine sehr interessante und spannende Runde, weil so die Multiperspektivität ermöglicht wird, die wir brauchen. Und es ist natürlich meine Rolle als Moderatorin, Spannung zu erzeugen. Es wird sicherlich auch kontrovers. Alles andere wäre schließlich langweilig.
Warum braucht es Veranstaltungen wie die Zukunftswoche?
Das sagt schon der Name: Es geht um die Zukunft. Und die ist verdüstert, wir haben nur einen Blick für die krisenhafte Gegenwart. Das führt dazu, dass wir durch die Krisen getrieben werden, auf die wir ständig reagieren müssen. Aber wir haben nichts, was uns von vorne zieht. Und ich glaube, das brauchen wir wieder.
Was gibt Ihnen Halt?
Mein Umfeld. Obwohl ich sehr gern allein bin und auch allein sein möchte und muss, um zu denken und zu schreiben, brauche ich die anderen. Ich brauche mein Magazin, ich brauche meine Familie. Solange wir uns in Zusammenhänge eingebunden fühlen, in denen wir uns sehr wohl fühlen und gleichzeitig Raum haben für Entwicklung, gibt das großen Halt.
Dieser Text entstand in Kooperation mit dem funky-Projektpartner dm-drogerie markt.
Du willst mehr? Du bekommst mehr!
Tom Odells neues Album „Jubilee Road“ feiert das Leben, wie es ist. Wir haben den…
Auf Instagram begegnen einem auf unzähligen Fotos scheinbar perfekte Menschen. Die Realität hingegen sieht häufig…
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