Meinung

Berlin hat mich verändert.

Berliner Skyline mit Fernsehturm
,,Neue Bekanntschaften sind auf den ersten Blick interessant – doch leider nur für fünf Minuten." Nick Käseberg
Nick Käseberg, funky-Jugendreporter

„Berlin hat mich verändert“, ist wohl einer der häufigsten Sätze, der fällt, wenn die Gespräche mit Freundinnen, Freunden oder der Familie ernst werden. Wenn ich das höre, bin ich direkt voreingenommen und erahne, was nun kommt: Es geht um Drogen, Partys, sexuelle Erfahrungen und letztlich darum, ob man weiß, wer man selbst ist. Für die Selbstfindung ist Berlin ja auch wirklich ein tolles Pflaster:  Die Hauptstadt ist weltoffen, kulturgeladen und divers. 

Gleich mal vorab: Ich bin nicht den Drogen verfallen und habe auch keine plattgetanzten Füße. Im Zölibat habe ich nicht gelebt, aber habe auch keine ungeahnten interessanten Seiten an mir entdeckt. Im Großen und Ganzen bin ich ein einfaches, fröhliches Dorfkind in der großen Stadt. Ich bin vor fünf Jahren für das Studium hierhergezogen. Da war ich Anfang 20 und kam – ganz das Klischee – gerade von einer längeren Reise in Neuseeland zurück. Auch hier wollte ich nun etwas Neues entdecken. Und das Unileben hielt, was es versprach: tolle Menschen und gute Zeiten. Aber nach dem Studium zogen sie alle weg, die Freundinnen und Freunde. 

Ich blieb für eine weitere Ausbildung in Berlin und war nach wie vor voller Lebensfreude. Doch knapp zwei Jahre später ist der Glanz der Unizeit nun verschwunden. Ich habe zwar auch außerhalb des Uni-Kosmos neue Freundschaften geschlossen, doch mit der Zeit festgestellt, dass man in der großen Stadt weniger unternimmt. Und je mehr Abstand ich zur unternehmungsfreudigen Masse habe, desto mehr sehe ich, woraus sie besteht: Es geht um Spaß, es geht um den Moment und um Unterhaltung. Neue Bekanntschaften sind auf den ersten Blick interessant – doch leider nur für fünf Minuten. Denn ich habe festgestellt: Berlin ist schnelllebig und dadurch auch oberflächlich. Ich dachte, ich hätte inzwischen einen großen engen Freundeskreis aufgebaut. Doch am Ende waren es nur wenige „wahre“ Freundschaften, die blieben. Das macht Berlin zugleich auch unpersönlich. Man sieht an jeder Ecke, die Anstrengung, die Menschen investieren, um möglichst individuell zu sein. Doch was ihnen am besten stehen würde, wären Empathie und Tiefgang. 

Seitdem die Maske für mich gefallen ist, sehe ich Berlin weniger als schöne, aufregende Stadt. Ich sehe den Müll in der Spree, die Protzer auf den Straßen, die Armut unter den Brücken und spüre die Unfreundlichkeit der Menschen. Nachts wird dieses Bild nur noch schlimmer. Eines Nachts wurde ich auf dem Heimweg von einer fremden Person grundlos ins Gesicht geschlagen. Vielleicht werde ich einfach nur älter, aber der glänzende Schein der Stadt ist für mich verschwunden.

Ich kann klar sagen: Berlin hat mich verändert. Ich lache weniger, ich reflektiere mehr. Doch wen interessiert mein Kommentar schon in Berlin. Immerhin ist man sich hier doch selbst am nächsten. Nur eine Frage bleibt: Wohin ist das fröhliche Dorfkind verschwunden?

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