Meinung

„Deine Hose ist zu kurz“ – Kleidungsvorschriften an deutschen Schulen

Zwei Mädchen sitzen auf einem Steg.
Die Kleidung von SchülerInnen ist eine intime und private Sache und sollte von den Lehrkräften akzeptiert werden.

„So aber nicht Fräulein, eine Leggings darfst du nicht anziehen“ oder „Du kommst erstmal mit ins Sekretariat, die Hose ist zu kurz“ sind nur einige der Sätze, die sich junge Schüler:innen immer wieder vom Lehrpersonal anhören müssen. An manchen Schulen mehr, an anderen weniger.

Greta Papenbrock, funky-Jugendreporterin

Dieses Phänomen ist eigentlich allen bekannt, die schon einmal einen amerikanischen High-School-Film gesehen haben: Schülerinnen und Schüler müssen Schuluniformen tragen, freizügige und „unangemessene“ Kleidung bleibt im Schrank. Insbesondere in konservativen US-Bundestaaten ist auch immer wieder Thema, die Schultern bedeckt zu halten oder keine Jogginghosen und Hot Pants zu tragen. Deutsche Schulen sind da doch eigentlich entspannter und jede und jeder kann sich kleiden, wie er oder sie es möchte – oder? 

Vor einigen Tagen schickte mir meine 15-jährige Cousine, die eine Schule unter kirchlicher Trägerschaft in Niedersachsen besucht, eine Sprachaufnahme: „Ich war gerade auf dem Schulhof und ein Lehrer kam zu mir und meckerte, dass das, was ich hier tue, so nicht geht. Ich guckte an mir herunter, ich hatte kein Handy in der Hand, was einkassiert werden könnte und wusste nicht, worauf er hinauswill. Lautstark und wütend erklärte der Lehrer, dass die Leggings, die ich trug, unangemessen sei und ich sie in die Schule nicht anziehen dürfe.“ 

Ich habe gemerkt, dass meine Cousine sichtlich verwirrt war und nicht so richtig verstand, wieso sie ihre Leggings nicht tragen darf – zumal der Lehrer keine zufriedenstellende Erklärung liefern konnte. Als junge Schülerin oder junger Schüler ist man gegenüber einer Lehrkraft, also einer Person, die einem im Schulkontext überlegen ist, auch nicht immer in der Position, sich wehren zu können. Die Vorschriften einer Autoritätsperson werden einfach akzeptiert. 

Auch als ich noch zur Schule ging, wurden zahlreiche Mädchen mit  kurzen Hosen immer wieder aufgefordert, ins Sekretariat zu gehen, um ein Gespräch über ihre Kleidung zu führen. Auch Jungen, die in Jogginghose den Unterricht besuchten, wurden angesprochen. Wer behauptet, man könne sich in einer Jogginghose nicht konzentrieren, der hat wohl noch nie in einer gemütlichen Hose gelernt. Ich denke, man kann sich am besten konzentrieren, wenn man sich in seiner Kleidung wohl und selbstbewusst fühlt. Besonders junge Menschen sollten sich in ihrem Erscheinungsbild ausprobieren dürfen, um herauszufinden, wer sie wirklich sind. 

Doch aus welchem Grund wird der Kleidungsstil an Schulen überhaupt zu einem Thema gemacht? Wieso interessiert es die Lehrkräfte, wie Schülerinnen und Schüler sich kleiden? Das ist schließlich eine sehr individuelle, fast schon intime Sache, die jede Person für sich entscheiden darf. Lehrkräfte, die sich von kurzen Hosen, engen Leggings oder ausgeschnittenen Oberteilen abgelenkt fühlen, sollten sich selbst fragen, wieso sie junge Mädchen derartig sexualisieren. Es muss im Sommer okay sein, Haut zu zeigen. Es ist heiß, man schwitzt und sitzt noch dazu in stickigen Klassenzimmern. 

Es ist alarmierend, dass die Beschwerden häufig von Lehrern, also Männern, verlautet werden und diese sich erlauben, das Aussehen junger Mädchen zu beurteilen oder sie gar darauf anzusprechen. Das ist übergriffiges Verhalten unter dem Deckmantel vermeintlich sinnvoller, konservativer Regelungen. Lehrerinnen und Lehrer, die bestimmte Kleidungsstücke verbieten, sollten sich an ihre eigene Nase fassen und sich mit wichtigeren Dingen beschäftigen. 

Kleiderordnungen an Schulen sind meines Erachtens nicht nur überholt, sondern ein massiver Eingriff in die Privatsphäre der Schülerinnen und Schüler.

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