Meinung

Belästigung darf nicht legal sein!

Frau geht nachts alleine auf der Straße, Männergruppe geht vor ihr
Auch das Hinterherrufen von sexuell anzüglichen Ausdrücken gilt als Belästigung.
Alene Paulina Schnell, Funky Jugendreporterin

Das Konzert heute Abend war fantastisch! Ich verabschiede mich von meinen Freundinnen und Freunden und mache mich auf den Weg nach Hause. „Schreib, wenn du angekommen bist!“ Die Worte meiner Freundin hallen noch nach, als ich den dunklen Weg zur Bahnstation geschafft habe und das flaue Gefühl im Magen wenigstens ein bisschen schrumpft. Zum Glück kommt die Bahn sofort und die vielen Passagiere geben mir ein Gefühl von Sicherheit. Doch mit der Zeit leert sich mein Waggon. Besorgt bemerke ich, dass ich mit einem Mann alleine im Wagen bin. Ich spüre seinen Blick auf mir. Als ich nachsehe, treffen sich unsere Blicke und ich schaue erschrocken weg. Schließlich will ich keine brenzlige Situation provozieren. „Wäre ich jetzt doch schon zu Hause!“, denke ich, den Körper voller Adrenalin und mit schlimmen Szenarien im Kopf. Nach einer gefühlten Ewigkeit erreicht die Bahn meine Station. Erleichtert steige ich aus und spute nach Hause.

Solche oder ähnliche Momente erleben Frauen regelmäßig auf dem abendlichen Nachhauseweg. Der unangenehme Weg kann dabei nur mit kostspieligen Taxen umgangen werden. Nicht selten bleiben Frauen Veranstaltungen sogar fern, um den angsteinflößenden Nachhauseweg zu umgehen. Laut dem Landeskriminalamt NRW verzichten vier von zehn Frauen nachts gänzlich auf Bus und Bahn. Das ist neben einer Mobilitätseinschränkung eine enorme psychische Belastung. Und diese ungerechte Realität wird in der Gesellschaft als normal hingenommen. Viele Männer haben „Verständnis“ dafür, dass Frauen sich nachts nicht hinaustrauen. In einem modernen Land ist es jedoch nicht mehr hinnehmbar, dass sich die Hälfte der Bevölkerung nur bei Helligkeit frei bewegen kann.

„Haben Frauen vielleicht einfach irrationale Ängste?“, geben Kritiker zu bedenken? Nein, sagt die Faktenlage. Belästigung wird schlichtweg unzureichend bestraft. So wird etwa nur ein Prozent aller Vergewaltiger verurteilt, berichtet der Kriminologe Christian Pfeiffer der „Tagesschau“ im Interview. Deshalb muss die Politik das Problem an der Wurzel packen und es beispielsweise Spanien gleichtun, wo höhere Strafen für Vergewaltigungen drohen.

Catcalling, das Hinterherrufen von sexuell anzüglichen Ausdrücken, ist in vielen europäischen Ländern strafbar. In Deutschland hingegen bleibt Catcalling bislang ungestraft. Nach einer Studie der Universität Trier sind bereit 95 Prozent aller Befragten, Opfer von Catcalling geworden. Wieso lässt Deutschland diese Form der Belästigung ungestraft? 

Zudem bedarf es neben einer Anpassung der Gesetze auch Aufklärung in Schulen, Familien und den Medien. Die Rechtslage gibt eine Orientieren, doch entscheidend sind auch ungeschriebene Gesetze, die darüber bestimmen, wie Frauen behandelt werden. Dass Zurufe wie „Geiler Arsch!“ definitiv kein Witz, sondern Belästigung sind, sollte allgemeiner Konsens sein.

Bis solche Maßnahmen Wirkung zeigen, können mittelfristige Sicherheitsmaßnahmen Abhilfe schaffen. Taxirabatte wie in München, mehr Überwachungskameras an Bushaltestellen und der Einsatz von waggonlosen, durchgehenden U-Bahnen oder beispielsweise Frauenwaggons wären ein erster Schritt. Es ist an der Zeit, dass sich die circa 40.000.000 Frauen unabhängig vom Sonnenstand sorglos bewegen können.

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